Der Trend ist bei Einrumpfbooten schon lange da und mittlerweile allgegenwärtig. Nach dem generellen Wachstum am Heck werden die Rümpfe nun auch im Vorschiff immer voluminöser, teilweise mit schon fast bizarren Formen. Die Konstrukteure versprechen bessere Segeleigenschaften und mehr Leistung, insbesondere für Regattaboote. Gekoppelt werden diese Argumente gerne an den willkommenen Nebeneffekt, dass durch die breiteren Rümpfe natürlich auch mehr Wohnraum unter Deck zur Verfügung steht. Eine Winwin-Entwicklung also, für ein äußerst breites Spektrum unterschiedlichster Ausrichtungen der Yachten.
Bei den Mehrrumpfbooten ist dieser Trend dagegen bisher nur in Ansätzen erkennbar. Zwar sind auch bei den Katamaranen die Rümpfe im Laufe der Zeit immer voluminöser geworden, aber bei Weitem nicht in dem Maße, wie es die Monohull-Konstruktionen in den letzten Jahren vorgemacht haben. Mit einem neuen 13 Meter-Boot startet nun kein Geringerer als der Branchenprimus Lagoon die Reform. Zusammen mit den Konstrukteuren von VPLP haben die Katamaranbauer aus Bordeaux jetzt ein neues Boot vorgestellt, das in vielen Bereichen außergewöhnliche Innovationen zeigt. Vor allem die Rumpfformen sorgen für Aufsehen.
Für den neuen Lagoon 43 sind die Planer dabei ganz offensichtlich sehr weit in die Extreme gegangen. Optisch markant sind die fülligen Vorschiffsbereiche mit ihrem weit nach vorn gezogenen Volumen. Dazu kommen die hart abgesetzten Chines, welche sich über die gesamte Rumpflänge ziehen. Damit soll die Wasserlinie trotz der breiten Rümpfe schlank bleiben und die benetzte Oberfläche möglichst klein. Die Formen erinnern fast ein wenig an die exotischen Scow-Konstruktionen modernster Hochsee-Rennyachten wie der Class 40.
Im Mittelpunkt der Entwicklung steht aber vielmehr die Absicht, mehr Raum für eine neue, vielleicht revolutionäre Gestaltung unter Deck zu erhalten. Beim neuen Lagoon 43 ist der Platz in den Vorschiffskabinen dank der neuen Formgebung genauso groß wie in den Achterkabinen. Und auch die Doppelkojen kommen vorn und hinten auf dieselben Abmessungen.
Das eröffnet die Möglichkeit, bei einem Ausbau mit drei Kabinen die Eignerkoje ins Vorschiff zu verlegen, während die große Nasszelle ganz nach achtern eingebaut wird. Das ist die große Überraschung bei der Markteinführung des Lagoon 43 und gleichzeitig ein echtes Novum in der Welt der Katamarane, zumindest in den kleinen und mittleren Längensegmenten.
Die Vorteile sind zahlreich: Die Eigner schlafen im Vorschiff ruhiger und mit mehr Privatsphäre, vor allem, wenn das Boot mit dem Heck zum Kai oder zur Mole liegt. Außerdem sind Lärmquellen wie Maschinen, Generator oder die im Cockpit arbeitende Crew weiter entfernt. Vor allem auf langen Schlägen kann dies ein Thema sein. Und die Belüftungsmöglichkeiten sind vorne besser, weil an Deck größere Luken eingebaut werden können. Das sind Argumente, die beim konventionellen Monohull schon lange ziehen. So zeigt das Konzept des Lagoon 43 neue Parallelen zwischen Einrumpf- und Zweirumpfbooten auf.
Die Frage aber lautet : Wie würden sich die neuen, fülligen Rumpfformen des Lagoon 43 auf die Segeleigenschaften auswirken, wie auf das Verhalten in der hohen Welle? Nicht umsonst sind die Rümpfe besonders leistungsstarker Katamarane in der Regel lang und schlank. Beim neuen Lagoon hingegen geht die Entwicklung genau in die entgegengesetzte Richtung. Der YACHT-Test findet vor Palma de Mallorca statt, anlässlich der Tests für die Wahl zu Europas Yacht des Jahres, für die der Neue aus Bordeaux nominiert war. Den begehrten Preis konnte er allerdings nicht gewinnen.
Bei nur mittleren Windstärken bleibt die Wellenhöhe in der Bucht leider nur mäßig hoch, etwa einen halben Meter. Das reicht kaum aus, um Aussagen bezüglich der Eigenschaften im Seegang zu treffen. Der Lagoon 43 fühlt sich trotz des relativ hohen Gewichts aber überraschend leicht an, reagiert schnell und intensiv auf die Ruderbewegungen und lässt sich zudem zügig durch die Wenden steuern. Dabei bleiben die Wendewinkel mit 110 Grad allerdings groß.
Bei zehn bis zwölf Knoten Wind erreicht der Lagoon am Wind mit überlappender Genua und optionalem Lattengroß mit Squarehead eine Geschwindigkeit von knapp über fünf Knoten. Mehr Speed, mehr Dynamik und vor allem mehr Spaß am Segeln bringt der Code Zero ab einem Windwinkel von etwa 80 Grad. Das Zusatzsegel mit entsprechendem Ausstattungspaket ist als Option sehr zu empfehlen.
Auffällig ist auch, dass die Rümpfe kaum Heckwasser nachziehen. Der für Katamarane typische, aber oft auch störende Backwash entfällt beim Lagoon 43 fast vollständig, die Strömung am Heck reißt sauber ab. Dies ist wohl auch eine Folge der fülligen Rümpfe mit wenig Kielsprung und geringer Eintauchtiefe. Erst ab einer Geschwindigkeit von etwa sieben Knoten treten die Wirbel am Heck wieder auf.
Fallen, Schoten und Winschen lassen sich mühelos bedienen. Die Anordnung ist sehr durchdacht und auch bei überlappender Genua einhand bedienbar. Der Steuerstand ist sehr geräumig, sodass zwei Personen gleichzeitig arbeiten können, ohne sich beim Manövrieren gegenseitig zu behindern. Das Handling wird durch eine gute Grundausstattung mit kräftigen Stoppern, großen Winschen von Harken sowie ordentlich dimensionierten Blöcken und Rollen erleichtert. Zum Manövrieren im Hafen sind vom Steuerstand aus beide Hecks einsehbar sowie der Bug auf der Backbordseite.
Beim Vorgängermodell Lagoon 42 platzierten die Konstrukteure das Rigg auffällig weit achtern, etwa in der Mitte der Gesamtlänge. Der Mast war höher, das Großsegel schlank und die Selbstwendefock Standard.
Davon ist Lagoon mit dem neuen Boot wieder abgerückt. Beim Lagoon 43 steht der Mast wieder vorne auf dem Dach des Deckshauses, abgestützt durch das vordere Kajütschott. Die Maststütze in der Mitte des Salons wie beim 42 ist wieder verschwunden. Da aber das J Maß deutlich kürzer ausfällt, ist auch die Selbstwendefock nicht mehr als Option erhältlich. Die Genua mit seitlichen Holepunkten auf dem Kajütdach ist wieder guter Standard.
Neu ist der großzügige Lounge Bereich auf der Flybridge. Beim Vorgängermodell gab es für das Oberdeck lediglich Sonnenliegen als Option. Jetzt freuen sich die Gäste an Bord über eine richtige Sitzgruppe in luftiger Höhe mit viel Platz und zusätzlichen Polstern als Sonnenliegen. Die Flybridge ist allerdings nur über den Steuerstand zu erreichen. Auf dem Vorschiff fehlt zumindest eine kleine Treppe, um von dort schnell auf das Dach zu gelangen, zum Beispiel, um das Großsegel zu bergen.
Lagoon hat die hinteren Schanzkleider vom Cockpit bis zum Heck durchgezogen. Damit man trotzdem gut an Bord kommt, wenn das Boot seitlich am Steg liegt, sind jetzt Türen in die Bordwand eingelassen – ein ebenso pfiffiges wie durchdachtes Detail. Die Türen sind stabil gebaut und verfügen zudem über einen ausgeklügelten Schließmechanismus als Kindersicherung.
Für den Innenausbau hat der Käufer die klassenübliche Wahl. Die Eignerversion ist der Ausbau mit zwei Kabinen und zwei Nasszellen an Backbord sowie einer langen, durchgehenden Eignerkabine an Steuerbord mit einem großen und gut nutzbaren Schreibtisch in der Mitte, viel Stauraum und einem sehr geräumigen Bad. Dieses ist als Novum im Heck eingebaut. Ein WC Raum steht davon als eigener Bereich komplett getrennt.
In der Chartervariante sind beide Rümpfe identisch ausgebaut, das heißt mit insgesamt vier Kabinen und vier Nasszellen. Diese Ausbauvariante entspricht innerhalb der Klasse der 42 Fuß Tourenkats durchaus dem Standard, nennenswerte Abweichungen davon sind auch bei der Konkurrenz nicht zu finden. Da beim Lagoon 43 die Kabinen und Kojen im Vorschiff und im Achterschiff gleich groß sind, ist die Aufteilung gerade für den Chartermarkt interessant, zumal jeder Wohnbereich über eine eigene Nasszelle mit separater Dusche verfügt. Auch dies ein Alleinstellungsmerkmal im Wettbewerb.
Die räumliche Zusammenführung von Salon und Außencockpit zu einem großen, durchgehenden Wohn und Aufenthaltsbereich ist bei Katamaranen seit Jahren ein zentrales Thema, dem generell eine hohe Bedeutung beigemessen wird. Auch auf dem neuen Lagoon 43 ist die Verbindung von Innen und Außen ein wichtiger Bestandteil. So lässt sich die mehrteilige Schiebetür sehr weit öffnen, bis maximal 2,50 Meter. Zudem sind die beiden Sitzgruppen und Tische in Salon und Plicht mit Einlegeteilen nahezu beliebig kombinier und erweiterbar, vom kleinen Kaffeetisch bis zur großen Tafel für bis zu zwölf Personen.
Die geräumige Pantry ist L-förmig nach vorne gebaut und bietet durch das große, fast durchgehende Fensterband des Kajütaufbaus einen schönen Ausblick nach vorne und zur Seite. An Arbeitsflächen mangelt es in der Pantry nicht und auch die Stauräume sind nicht nur gut zugänglich, sondern auch so angeordnet, dass selbst größere Gegenstände wie Töpfe und Pfannen verstaut werden können.
Seltsamerweise verzichtet Lagoon bei dem neuen Boot auf eine richtige Navigation. Zwar gibt es in der Verlängerung der Pantry eine kleine Arbeitsfläche. Richtig sitzen kann man dort aber nicht, weil darunter Stauräume eingebaut sind. Und zum Arbeiten im Stehen ist die Fläche wiederum zu tief. Schade eigentlich, denn als gut nutzbare Navigation würde sich dieser Bereich auch als Innensteuerstand anbieten. Die Sicht nach vorne und zur Seite ist fast uneingeschränkt und von dort aus lässt sich auch der Stand der Genua prüfen.
Was im Salon fehlt, sind Festhaltemöglichkeiten in Form von Handläufen, Griffmulden oder Kantenleisten an den Möbeln. Wer auch mal unter rauen Bedingungen segelt, wird hier vergeblich nach Halt suchen. Generell wird das Thema bei Katamaranen oft stiefmütterlich behandelt. Dafür punktet der Lagoon 43 mit sehr guten Belüftungsmöglichkeiten. In allen Wohnräumen stehen mehrere teilweise große Öffnungen für eine gute Querlüftung zur Verfügung.
Preislich ähneln sich die Angebote der großen marktführenden Werften in diesem Segment, nicht zuletzt natürlich deshalb, weil ein erheblicher Teil der Neuproduktion in den internationalen Chartermarkt geht und dort der Preis eine noch größere Rolle spielt als im Eignermarkt. Lagoon macht da keine Ausnahme und bewegt sich auch mit dem neuen 43er im Rahmen, auch was die Mehrkosten bis zum Segelfertig- und Komfortpreis nach YACHT-Definition angeht.
Nicht nur deshalb präsentiert sich das Konzept von Lagoons Neuem rund, durchdacht und sehr gut auf die zeitgemäßen Bedürfnisse von Fahrtenseglern abgestimmt.
Stand 12/2024, wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, lesen Sie hier!
Der Lagoon 43 ist ein voluminöser Fahrtenkatamaran mit hohem Wohnkomfort. Die extrem fülligen Rumpfformen schaffen neue Möglichkeiten für die Raumaufteilung unter Deck. Mit dem neuen Modell wird Lagoon die hohen Standards in der Klasse nochmals toppen können.
viel Volumen, viel Platz
bequeme Flybridge-Lounge
konkurrenzfähiger Preis
keine richtige Navigation
lebhafte Segeleigenschaften
übersichtliches Handling
große Wendewinkel
wenig Gefühl auf dem Ruder
Eignerkabine im Vorschiff
heller und gemütlicher Ausbau
alle Kojen gleich groß
Festhaltemöglichkeiten fehlen
Rigg steht wieder vorne
überlappende Genua Standard
tadellose Ventilation
seitliche Türen im Cockpit
GFK-Sandwich-Konstruktionen mit Balsaholzkern und Polyesterharz. Die Laminate werden mit Vakuum-Harzinfusion aufgebaut. An höher belasteten Stellen sind die Strukturen mit Kohlefaseranteilen verstärkt. Teils verwendet die Werft Flachs- anstelle von Glasfasern.
Fähige Konkurrenzboote gibt es einige. Vier Beispielboote mit eigener Note:
Voluminöses Fahrtenschiff von Fountaine Pajot. Der Steuerstand liegt seitlich erhöht, dazu gibt es ein geräumiges Frontcockpit. Innenausbau mit drei oder vier Kabinen und jeweils eigenem Bad.
YACHT-Test Astréa 42...
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