Michael Good
· 06.06.2023
Der Name ist Programm: Mit seinem eigenständigen Design kann der Bali Catspace das Platz- und Raumangebot der Konkurrenz weit überbieten. Der Vorteil geht jedoch zulasten der Optik
Der Aufstieg der Marke darf schon fast als kometenhaft bezeichnet werden. Bali Catamarans gibt es erst seit 2014, hat sich aber innerhalb weniger Jahre als einer der führenden Hersteller im Segment der Fahrten-Katamarane etabliert. Hinter der Marke und deren Erfolg steckt der Werftinhaber Olivier Poncin. Das Branchen-Schwergewicht (ehemals Harmony Yachts) hat Bali als touren-, charter- und massenmarkttauglichen Ableger der exklusiven und sportlich ausgerichteten Marke Catana aufgebaut und in die gleichnamige Firmengruppe integriert.
Als Entwickler hat sich Poncin dafür ein äußerst eigenständiges Konzept einfallen lassen. Herausragende Besonderheit: Die Rümpfe der Bali-Kats werden als eine durchgehende Plattform vom Heck bis zum Bug durchlaminiert. Heißt: Es gibt vorn zwischen den Rümpfen kein Trampolin mehr, sondern vielmehr eine feste Konstruktion mit einem darin integrierten Frontcockpit. Die strukturellen Querträger, die sogenannten Beams, können somit bei den Balis wegfallen.
Den damit verbundenen Raum- und Volumengewinn hat Poncin bei der Entwicklung des Bali Catspace konsequent und bis an die Grenzen der Machbarkeit ausgenutzt, um vorn zwei sehr großzügig gestaltete Doppelkabinen mit breiten Inselbetten quer einbauen zu können. Innerhalb der Einsteigerklasse um 40 Fuß (zwölf Meter) Rumpflänge ist dies ein bemerkenswertes Alleinstellungsmerkmal. Bei den klassischen Katamaran-Konzepten der Konkurrenz bleiben die Vorschiffskabinen und deren Kojen räumlich auf die Breite der Rümpfe limitiert. Bali will aber beides bieten: Die Franzosen bauen ihren Einsteiger als Bali 4.1 (jetzt Bali 4.2) auch mit einem konventionellen Layout.
Eine weitere Exklusivität vom Bali Catspace sind die Sonnen-Lounge und der Steuerstand auf der Flybridge, eine Annehmlichkeit, mit welcher kein anderer Katamaran dieser Größe aufwarten kann. Allerdings ist der Luxus verbunden mit optischen Abstrichen. Der Großbaum ist vergleichsweise hoch angeschlagen, um die Mitsegler im Obergeschoss während der Manöver nicht zu gefährden. Schön ist das nicht und zudem recht umständlich beim Segelbergen – ein Kompromiss.
Beim Test im Jahr 2020 vor Balis Haustür im südfranzösischen Canet-en-Roussillon weht zunächst lediglich ein schwacher Wind mit maximal 8 bis 10 Knoten Stärke. Unter Standard-Besegelung (Großsegel und Selbstwendefock) bleibt die Segelleistung ernüchternd, und der Catspace erweist sich sich als untertakelt. Effiziente Abhilfe schafft hier ein rollbarer Code Zero, der ab einem Windeinfallswinkel von etwa 80 Grad für die erlösende Leistungssteigerung sorgt und eigentlich zum Konzept und zur Grundausstattung gehören sollte. Wie auch immer: Kreuzen bei Leichtwind ist nicht die Paradedisziplin vom Catspace.
Im Laufe der Tests frischt der Wind jedoch auf und entwickelt sich später zur veritablen Seebrise mit bis zu 18 Knoten Stärke. Diese Bedingungen mag das Schiff besser leiden, es kann dann mit erfreulichen Leistungen und viel Temperament am Wind überzeugen, auch unter Fock. Die Logge registriert 6,4 Knoten Fahrt bei einem Wendewinkel von gut 100 Grad. Knapp 8 Knoten über Grund schafft der kompakte Franzose mit halbem Wind und ausgerolltem Code Zero. Der Catspace legt dabei eine überraschende Dynamik und Agilität an den Tag. Speziell die Wenden lassen sich erstaunlich schnell durchsteuern, ohne dass der Doppelrumpfer dabei bis zum Fast-Stillstand abgebremst wird, was bei vielen anderen Kats sonst der Fall ist.
Das Steuern ist allerdings dennoch keine Offenbarung. Die vollständig hydraulisch funktionierende Anlage (Standard) bleibt gefühllos, selbst bei mehr Wind und mehr Druck im Rigg. Die Arbeit vom Rudergänger beschränkt sich auf bloßes Kurshalten, was der Autopilot mindestens genauso gut kann. Dieser ist übrigens direkt mit der Hydraulik der Steuerung gekoppelt. Bei einem Defekt im System, zum Beispiel einem Leck in den Hydraulik-Leitungen, wäre der Kat also nur noch mit Notpinne steuerbar.
Der Steuerstand ist weit oben seitlich in die Flybridge integriert. Der Rudergänger hat hier gute Übersicht nach allen Seiten sowie auch in die Segel und kann im Hafen beide Buge sowie das Heck auf der Steuerbordseite einsehen. Der hintere Teil vom Backbordrumpf bleibt aber im Verborgenen.
Fallen, Schoten und Trimmleinen sind ausnahmslos bis zum Steuerstand umgelenkt und dort zu leicht zu bedienen. Besonders gut gefällt die Anordnung der beiden großen Schotwinschen seitlich am Kajütaufbau, wo sie auch von Mitseglern erreicht werden können, die unten auf dem Laufdeck stehen. Überhaupt ist das Layout der Beschläge durchdacht gestaltet, insbesondere für Skipper, die es gewohnt sind, das Boot auch im Manöver einhand zu segeln. Bei Schlechtwetter lässt sich der Bali mit der Fernsteuerung vom Autopilot auch aus der Navigation im Salon steuern. Die Sicht nach vorn und zur Seite ist von hier aus ebenfalls fast uneingeschränkt möglich. Der Stand der Segel allerdings lässt sich kaum kontrollieren.
Wegen der bis zum Bug durchlaminierten Plattform mit Frontcockpit fallen beim Catspace die sonst üblichen großen Stauräume im Vorschiff vor dem Kajütaufbau weg. Für alle Fender, Festmacher und zusätzliche Segel sind stattdessen ausreichend große Unterbringungsmöglichkeiten in den beiden Vorpieks vorgesehen. Und auch unter den Sitz- und Liegeflächen im Cockpit steht Stauraum zur Verfügung, so auch für die Rettungsinsel mit einer durchdachten Schnellauslösung nach unten.
Das große Cockpit und der Salon sind funktional kombiniert, Außen und Innen bilden eine Einheit. Wie bei allen aktuellen Modellen von Bali lässt sich auch beim Catspace das Deckshaus bei Bedarf – etwa bei Schlechtwetter oder Kälte – komplett abschotten. Dazu schließt man die Schiebefenster seitlich sowie die Rückwand vom Deckhaus. Diese ist geöffnet als Ganzes wie ein Garagentor unter das feste Bimini hochgeklappt. Pneumatisch unterstützt, funktioniert die Mechanik zum Öffnen und Schließen der Pforte ausgezeichnet.
Hergestellt wird der Catspace wie seine Brüder Bali 4.1, 4.3 und 4.6 in einem Zweigbetrieb der Werft in Tunesien. Der komplette Rumpf entsteht dabei als ein zusammenhängendes Bauteil, gefertigt im Vakuum-Infusionsverfahren mit PVC-Schaumkern und Polyesterharz. Das Deck, der Kajütaufbau sowie das Dach mit Flybridge werden im Vakuum-Injektionsverfahren (Resin Transfer Moulding, RTM) produziert. Diese Bauweise ist zwar sehr aufwändig, bewirkt aber perfekte Oberflächen auch an den Laminat-Innenseiten. Damit kann Bali beim Ausbau unter Deck auf die sonst üblichen Innenschalen weitgehend verzichten und somit vor allem Gewicht sparen.
9,2 Tonnen bringt der Catspace auf die Waage – vergleichsweise wenig in Anbetracht der komplett bis zu den Schiffsenden durchlaminierten Rumpfunterseiten. Die kurzen Stummelkiele sind übrigens an den Rümpfen lediglich angeklebt, nicht verbolzt; sie sollen bei einer Grundberührung abfallen und dabei die Rumpfstruktur nicht beschädigen. Trotzdem sind die Kielkörper so robust, dass das Schiff problemlos auf ihnen stehen kann, an Land oder auch zum Trockenfallen im Tidengewässer.
Unter Deck ist der Catspace recht nüchtern, geradlinig und schnörkellos ausgebaut. Zugleich wirkt der Innenausbau in seiner sehr modernen Gestaltung und den starken Farbkontrasten angenehm und wohnlich. Der Käufer kann wählen, ob er für den Möbelbau eher helle oder dunkle Farbtöne wünscht. Die Werft verwendet für den Ausbau Laminate statt Echtholz und kann somit sehr flexibel auf Kundenwünsche reagieren. Weitere Vorteile des Kunststoffs in Holzoptik sind die Unempfindlichkeit gegen Kratzer und dass er nicht nachdunkelt.
Was die Qualität der Arbeiten betrifft, gibt es dennoch Kritik. An vielen Stellen ist die Einrichtung unpassend eingebaut, mit teilweise großen Spalten, die eher unschön mit Dichtmasse ausgestrichen sind – hier gibt es durchaus noch Potenzial für Verbesserungen.
Wie bereits angeführt, bieten die vorn quer eingelassenen Doppelkabinen deutlich mehr Wohnraum als diejenigen der Konkurrenz mit einem herkömmlichen Ausbau in den Rümpfen. Und die Doppelkojen sind mit Breiten von 1,50 Meter auf Schulterhöhe ebenfalls überdurchschnittlich großzügig dimensioniert. Zudem ist die Möglichkeit gegeben, die Ablage seitlich am Rumpf mit einem ausziehbaren Einlagebrett und zusätzlichen Polstern in einer weitere Einzelkoje mit großer Liegefläche zu verwandeln. Diese Idee ist nicht nur gut, sondern auch handwerklich tadellos umgesetzt. Auch achtern sind die Betten in den Kabinen schön breit; mit einer Länge von nur 1,90 Metern sind sie allerdings etwas knapp geraten.
In der Ausführung als Eignerschiff wird der Backbordrumpf als durchgängige Masterkabine mit einem großen Bad im Vorschiff ausgebaut. An Steuerbord bleibt es bei zwei Kabinen und zwei Nasszellen. Und für die Yachtcharter gibt es die Version mit vier Kabinen und vier Toilettenräumen wie beim Testschiff. Allerdings: Bei zwei Kabinen im gleichen Rumpf wird es in den Nasszellen eng. Die Option, die beiden kleinen Bäder zu koppeln und dafür ein separates Duschabteil auszubauen, bietet Bali auch als Variante nicht an – schade. Mit nur einem sehr kleinen Klappfenster ist zudem die Ventilation in den Toilettenräumen unzureichend. Die Lüftung in den Kabinen ist besser.
Gut 455.000 Euro kostet der Bali Catspace in der Basisausstattung ab Werft inklusive der Segel und den zwei ordentlich installierten Yanmar-Einbaumaschinen mit jeweils 20 PS Leistung. Innerhalb der Einsteigerklasse bleibt der Betrag mit den Angeboten von Fountaine Pajot, Lagoon oder Nautitech vergleichbar; nur der Excess 11 fällt beim Grundpreis nach unten aus dem Rahmen, er ist aber auch etwas kürzer als die Wettbewerber.
Alles in allem: Der Bali Catspace spielt in der kleinsten Klasse von Fahrtenkatamaranen klar die Außenseiterrolle, was das Boot spannend und damit auch attraktiv macht. Die kleinen Mängel beim Innenausbau trüben den guten Eindruck nur unwesentlich und dürften letztlich auch vermeidbar sein. Freude bereiten dafür die vielen neuen und prima umgesetzten Ideen.
Windgeschwindigkeit: 15 kn (4 Bft.) Wellenhöhe: ca. 1,0 Meter
* Mit Code Zero
Die Segeltragezahl mit Selbstwendefock ist für einen Katamaran eher gering
1: Dimensionslose Zahl. Berechnung: 2√S/3√V. Je höher der Wert, desto mehr Segelfläche (S) hat das Schiff in Relation zur Verdrängung (V).
Ein Schiff für die breite Masse mit maximal viel Wohnraum unter Deck und vielen Relax-Zonen außen. Seglerisch hat der Catspace Potenzial, er braucht aber Wind. Das Angebot ist auch preislich wettbewerbstauglich
Rumpf aus einer Form gebaut im Vakuum-Infusionsverfahren mit Schaumkern. Deck: RTM-Injektion
454.940 Euro ab Werft, brutto inkl. 19 % Mehrwertsteuer (Stand Juni 2023)
Bali Catamarans, Canet-en-Roussillon; www.bali-catamarans.com
Vertrieb übers Händlernetz
Dieser Test erschien in YACHT-Ausgabe 24/2020 und wurde von der Redaktion im Juni 2023 überarbeitet.