Alexander Worms
· 06.04.2023
Ein Fahrtenkatamaran in Serie aus Alu ist selten. Einer, der zudem gut segelt und konsequent nachhaltig gebaut wird, ist einzigartig. Grund genug, den Vaan R4 zu testen
Nachhaltigkeit. Der Begriff wird derzeit allerorten arg strapaziert. Und lange nicht alles, was sich nachhaltig nennt, ist es letztlich auch. Greenwashing nennt sich das auf Neudeutsch. Also Dinge oder Vorgänge als umweltfreundlich bezeichnen, nur weil sie ein Merkmal zeigen, das tatsächlich scheinbar den Planeten weniger belastet.
Einen Fahrtenkatamaran aus Aluminium als nachhaltig zu bezeichnen ist auf den ersten Blick geradezu lächerlich. Denn Aluminium ist zwar leicht und lässt sich auch, anders als GFK zum Beispiel, an seinem Lebensende gut wiederverwenden. Aber: Die Herstellung des Leichtmetalls aus seinem Rohstoff Bauxit verbraucht abenteuerlich viel Energie. Wie also könnte solch ein Kat, auch wenn er mit E-Motoren angetrieben wird, nachhaltig sein? Es riecht nach Greenwashing.
Wenn man diesen Verdacht gegenüber Werftgründer Igor Kluin äußert, freut der sich. Denn dann kann er loslegen: „Das ganze Konzept dreht sich um Nachhaltigkeit. Darum verwenden wir zum Beispiel recyceltes Aluminium“, erklärt der Niederländer. Je nach Verwendungsort im Fahrtenkatamaran und Verfügbarkeit enthält das Material 60 bis 85 Prozent Material, das vorher ein Straßenschild, ein Audi A8 oder ein Flugzeug war oder irgendetwas anderes aus dem Baustoff. Natürlich wird es dennoch zur Qualität 5083 hochlegiert, sodass es seewasserbeständig ist, denn Kompromisse bei der Sicherheit des Fahrtenkatamarans kommen nicht in Frage.
Zusammen mit den vielen anderen Punkten, an denen die Werft über bessere Lösungen im Hinblick auf Umweltverträglichkeit nachgedacht hat, wird das mit dem kleineren ökologischen Fußabdruck was: Alu schmilzt schon bei 660 Grad Celsius. Glas, aus dem die Fasern für GFK hergestellt werden, erst bei rund 1.600 Grad Celsius. Da geht deutlich mehr Energie rein. Von den gängigen Bootsbaumaterialien scheint nur Holz weniger Energie zu verbrauchen als recyceltes Aluminium. Holz aber hat andere Nachteile im Gepäck. So könnte man also sagen, dass der Vaan immerhin – wegen des hohen Recyclinganteils – aus dem am wenigsten unnachhaltigen der gängigen Serien-Bootsbaumaterialien gebaut wurde.
Doch beim Baumaterial ist noch lange nicht Schluss. Da wäre dann noch der Antrieb. Wie gesagt, immer elektrisch und von Oceanvolt. Für knapp 20.000 Euro Aufpreis werden zwei Servopropantriebe der Finnen verbaut. Sie sind mit Propellern ausgestattet, deren Steigung verstellbar ist. Das System berechnet kontinuierlich die perfekte Steigung, um beim Vortrieb so wenig Energie wie möglich zu verbrauchen und beim Rekuperieren unter Segeln den optimalen Kompromiss aus Speedverlust und Stromgewinnung zu finden. So sind pro Antrieb bis zu 2,5 Kilowatt Ladeleistung möglich. Bei einem recht schnellen Katamaran ist das auch durchaus realistisch. Das Paket ist mithin zweifellos stimmig.
Stichwort gute Segeleigenschaften. Die hat er, der Vaan R4. Zugegeben: Beim Test wehte es mit 15 bis 18 Knoten, da fahren nun einmal die meisten Boote gut. Der Niederländer macht seine Sache katamarantypisch. Will sagen: Wenn eine Bö kommt, wird diese größtenteils in Fahrt umgesetzt. Spürbarer Druck am Steuer oder gar Krängung, wie auf einem Monohull, entsteht logischerweise nicht. Das wirkt sehr souverän, fast schon gelangweilt.
Steigt der Wind plötzlich an, stehen auch schnell zwei oder drei Knoten mehr auf der Logge, ohne dass sonst irgendwie viel um einen herum geschehen ist. Am Rad behält man den Überblick, das Steuern ist recht direkt, das Gefühl, immer alles unter Kontrolle zu haben, stellt sich schnell ein. Bei 35 Grad zum scheinbaren Wind ist das Optimum erreicht, dabei fährt der Fahrtenkatamaran so um die sechs Knoten. Höher geht noch, kostet dann aber zu viel Geschwindigkeit. Das Testschiff verfügt über die 1,25 Meter tiefen Kiele. Mit den optionalen 1,95 Metern wäre wohl mehr drin, da dann die Abdrift abnimmt. Das sind sehr ordentliche Werte für einen Mehrrumpfer. Fällt man ab, fährt der Vaan los, vorn am breiten Steven spritzt das Wasser hoch, und das Luxusappartement kommt in Gang. Leider gab es aber am Testtag auf dem Haringvliet vor Hellevoetsluis keine Wellen, sodass zum Seeverhalten nichts gesagt werden kann.
Die Arbeit im großen Cockpit geht bestens von der Hand, die Anordnung der Winschen auf dem V-Träger achtern im Cockpit ist an sich prima, die Höhe passt zum Arbeiten gut. Allerdings sollte man darauf achten, dass die Leinenenden nicht über das offene Ende des Decks ins Wasser fallen, da es von dort nicht weit ist zu den Rudern oder den Antrieben. Und da möchte man die Tampen sicher nicht haben.
Ein ergonomisches Highlight des Fahrtenkatamarans sind die ausklappbaren Sitze für den Steuermann. Von dort lassen sich die Windfäden in der Fock prima beobachten, der Blick am Decksaufbau vorbei ist tadellos. Wenn jemand aus dem Steuerstand doch mal nach vorn möchte oder muss, gelingt das zwar über die breiten Gangbords problemlos – das seitlich überstehende Dach des Salons dient dafür auch als Handlauf –, jedoch führt der Weg unweigerlich über die bepolsterten Bänke im Cockpit. Das ist nicht ideal, verschmutzen die Kissen auf diese Weise doch sehr schnell. Die Werft prüft Ideen, die Klappsitze achtern als Aufstiegshilfe zu verwenden. Das wäre sicherlich die sinnvollere Alternative, wenngleich im hinteren Teil des Gangbords Haltemöglichkeiten fehlen.
Für einen Untersatz, der die Crew weite Strecken tragen soll, ist der Vaan mit seiner neutralen Steuerung gut, der Autopilot dankt es mit wenig Stromverbrauch. Wenn man mal selbst steuern möchte, dann geht auch das gut und für einen Fahrtenkatamaran erfreulich direkt. Die Sensation eines knackigen Monohulls aber fehlt.
Über Sensationen gesprochen: Die bieten Fahrtenkatamarane zumeist an anderer Stelle. Und auch hier liefert der Vaan R4 Überzeugendes: Das Cockpit ist riesig und offen, auf Wunsch gibt es einen soliden Tisch. Der Boden ist mit Sea Cork belegt, einem FSC-zertifizierten Teakersatz, der obendrein noch gut isoliert und sich in der Sonne weniger stark erhitzt. Auch das Holz, das an anderer Stelle verbaut ist, wird selbstverständlich nachhaltig angebaut. Stoffe für Polster werden aus einer Faser, die aus Ananasblättern entsteht, gewebt oder ebenfalls aus wiederverwendeten Stoffen. Teppichböden bestehen aus einer Hanffaser. „Wir nehmen das wirklich ernst, Nachhaltigkeit steht im Zentrum unseres Handelns, es ist weit mehr als nur Marketing.”
Alles ist zirkulär, alles kann recycelt werden”
“Auch bei unseren Zulieferern achten wir darauf, dass sie erneuerbare Energien einsetzen. Und da, wo das nicht geht, kompensieren wir den Impakt, den das Boot auf die Umwelt hat, auf anderem Weg“, erklärt Kluin den Weg der Werft.
Dass das durchaus gut aussehen und funktionieren kann, beweist der R4 im Inneren: ein sehr aufgeräumtes Design, das durch die Verwendung natürlicher Stoffe dennoch warm und gemütlich wirkt. Viel Raum, viel Freifläche, die Werft versicherte beim Test, dass sie überall, wo der Kunde das möchte, auch Handläufe anbringen kann – das schafft ein Gefühl von Luxus.
Das kommt übrigens auch auf, wenn man in die Rümpfe herabsteigt. Eine Art Flur von 3,80 Meter Länge verbindet das große Eignerbett achtern mit der Nasszelle vorn. Flankiert wird diese Fläche von gut nutzbarem Schrankraum mit vielen Schubladen. Das Bett bietet mit 1,60 Meter Breite über die ganze Länge ausreichend viel Raum für zwei und obendrein dank zweier Rumpffenster einen wunderbaren Ausblick.
Im Nassbereich vorn sind WC und Dusche getrennt. Ersteres war auf dem Testschiff noch etwas knapp, das hat die Werft erkannt und ändert das Layout. Sehr schön: Die Dusche ganz vorn im Bug bietet satte 100 mal 82 Zentimeter Platz, mehr als die meisten Hotelduschen. Das Boot sei ganz klar auf Eigner ausgerichtet, sagt der Werftchef. So hat die Werft im Testschiff das Eignerlayout gleich in beiden Rümpfen verbaut. Alternativ ist jedoch im Vorschiff auch eine kleinere Nasszelle in Kombination mit einem Etagenbett oder einer eher kleinen Trapezkoje möglich, wie es Vaan nennt. Das sei für Kinder oder Enkel ideal. Achtern gibt es dann immer noch die große Doppelkoje.
Der Salon ist beeindruckend offen. Die riesige Schiebetür zum Cockpit, das achtern ebenfalls komplett offen ist, sowie die großen Fensterflächen gewähren besten Ausblick. 360-Grad-Hafenkino jederzeit. Ein feiner Ort auch, um dort ein Homeoffice zu eröffnen.
Der Fahrtenkatamaran Vaan R4 macht alles richtig. Eine klare Designsprache, sehr ordentliche Bauqualität, überzeugende Segeleigenschaften, all das lässt ihn zu einem wirklich guten Boot werden. Preislich liegt der Katamaran dabei deutlich unterhalb eines Outremer 45. Der ist zwar einen Meter länger, hat aber vorn in den Rümpfen aus Performancegründen keinen Ausbau. Der nutzbare Raum ist daher absolut vergleichbar. Das macht den Vaan R4 schon zu einem ganz besonderen Boot. Einzigartig aber wird er letztlich durch die konsequent und glaubhaft umgesetzte Nachhaltigkeit. Die Werft tut, was möglich ist, um wenig Einfluss auf die Umwelt zu hinterlassen. Das mag nicht jedem wichtig sein, zumindest noch nicht. Wer künftig jedoch die Welt ohne das Gefühl bereisen will, dass der eigene Lebensstil einen unverhältnismäßig großen Fußabdruck hinterlässt, der findet mit dem Vaan R4 den passenden Untersatz.
Hergestellt über einem Spantengerüst aus seewasserbeständigem (5083) Aluminium, 65 bis 80 Prozent Recyclinganteil. Materialstärke: Deck fünf bis sechs, Rumpf sieben Millimeter
Per Hand mit Mineralwolle, die dampfdicht mit einer Folie verpackt wird. So hat Schimmel keine Chance, das Boot bleibt angenehm temperiert und leise
E-Antriebe von Torqeedo oder Oceanvolt. Bei Letzteren auch der Servoprop, der unter Segeln bis zu 2,5 Kilowatt pro Stunde und Antrieb an die Akkus liefern kann
1,25 Meter tiefe Stummelkiele sind Standard, auf denen der Kat trockenfallen kann. Optional sind 1,95 Meter tiefe Kiele, mit denen das nicht möglich ist. Alternative: Schwerter mit 1,25 bis 1,95 Meter Tiefgang
Vaan Yachts, Stationsplein 9, 3224 AT Hellevoetsluis, Niederlande www.vaan.yachts