Michael Good
· 25.01.2023
Elan Yachts hat Mitte März 2022 sein Flaggschiff im Sportprogramm vorgestellt. Im Herbst wurde die Elan E6 als Kandidatin für Europas Yacht des Jahres in der Kategorie Performance-Cruiser gewählt. Weshalb die Jury sie dort sah, klärt der YACHT-Test
Beim Namen Pininfarina öffnet sich den Fans von schnellen italienischen Sportwagen das Herz. Das traditionelle Designstudio in Turin, bereits 1930 gegründet, hat unter anderem die Entwicklung so legendärer Marken wie Alfa Romeo, Ferrari, Maserati oder Lancia maßgeblich geprägt.
Auch in anderen Bereichen haben sich die Gestalter einen Namen, ja sogar Nimbus erarbeitet – etwa in der Architektur, im Industriedesign oder im Bootsbau. Superyachten wie die exklusiven 100-Fußer Wally Tango oder Wally 101 tragen die unverkennbare Handschrift von Pininfarina. Und sogar in der Serienfertigung haben die Italiener Akzente gesetzt: Schon Ende der achtziger Jahre verliehen sie der von Bruce Farr konstruierten First 45 F5 den letzten Schliff.
Auch bei der Elan E6 war die Nautik-Abteilung der Designer von Anfang an involviert. Sowohl die äußere als auch die innere Gestaltung wurde von Pininfarina entworfen. Hingegen stammen die generellen Konstruktionspläne, die Maße sowie auch die technischen Vorgaben von Humphreys Yacht Design in England – so wie seit vielen Jahren üblich.
Die Elan E6 soll der Auftakt zu einer Neuausrichtung sein. Im Vergleich zu den kleineren Typen der aktuellen E-Linie fokussiert das Flaggschiff noch mehr auf Sportlichkeit und Leistungsvermögen, ohne den Komfort unter Deck zu schmälern – ein schwieriger Kompromiss. Schafft die Werft diese Gratwanderung? Wie nahe kommt die Elan E6 dem Ideal eines modernen Performance-Cruisers?
Um dies zu klären, reiste die YACHT noch vor der ersten öffentlichen Vorstellung nach Slowenien, wo uns die Baunummer 1 im Hafen von Portoroz exklusiv für einen Test zur Verfügung stand.
Auffällig schon am Steg: das breite und gewaltige Heck mit der riesigen Badeplattform. Die Klappe ist in zwei Größen als Option erhältlich. Auch die beiden Steuermannssitze achtern gibt es nur gegen Aufpreis, auf Wunsch sogar mit integriertem Kühlschrank und einer eingebauten Grillstation. Im Standard bleibt das Heck offen, die Ansicht weniger wuchtig.
Die E6 ist klar als Elan aus dem sportlichen Programm zu erkennen, zum Beispiel an den schmalen, trapezförmigen Rumpffenstern. Diese sind in einem Rezess eingebaut und so vor Schäden geschützt. Der Rezess selbst dient ebenfalls als Stilmittel zur optischen Streckung des Freibords und obendrein als Strukturverstärkung.
Das Layout im Cockpit ist so gestaltet, wie sich das aktive Segler wünschen. Für das Trimmen von Genua und Großsegel stehen auf dem Süll jeweils primäre sowie sekundäre Schotwinschen zur Verfügung. Fallen, Reff- und Trimmleinen führen über den Mastfuß unter dem Kajütaufbau hindurch auf zwei Winschen links und rechts vom Niedergang. Insgesamt ist dies ein funktionierendes und probates Arrangement, mit dem sowohl eine Regattamannschaft wie auch Familiencrews gut klarkommen.
Trotz der vielen aparten, zugleich aber auch unaufdringlichen Designelemente von Pininfarina zeigt das neue Boot optisch Markentreue
Die Großschot läuft beidseitig von der Baumnock auf den vertieft im Cockpitboden eingebauten Traveller und von dort direkt auf die hinteren Schotwinschen. Das Trimmen gestaltet sich so direkter und leichter als beim sonst üblichen German-Cupper-System, bei dem die Schotwege länger und die Umlenkungen zahlreicher sind. Nachteil: Der Traveller ist schwerer zu bedienen, weil zum Verstellen des Schotwagens immer auch gleich die ganze Schotführung mit bewegt werden muss. Die Werft begegnet diesem Umstand mit großen, hochwertigen Beschlägen von Harken.
Überhaupt ist die Positionierung und Dimensionierung von Umlenkblöcken, Klemmen und Winschen einwandfrei, die Anbauteile sind von bester Qualität. Die Yachtbauer in Slowenien gehen diesbezüglich keine Kompromisse ein und sparen nicht auf Kosten der Funktionalität.
Das Aluminium-Rigg von Seldén ist durchgesteckt und wird über zwei Salinge verwantet. Wie beim Testschiff ist derselbe Mast in einer besseren Ausstattung mit laufendem Gut aus Dyneema, besseren Dyform-Wanten sowie zwei hydraulischen Spannern für das geteilte Achterstag erhältlich. Auch ist ein höheres Kohlefaserrigg mit Rodwanten als Option spezifiziert.
Wer diese höchste Ausbaustufe wählt, bekommt automatisch den Performance-Kiel mit einem stattlichen Tiefgang von 2,95 Metern und Bleibombe. Schon der Standard-T-Kiel aus Gusseisen geht 2,80 Meter in die Tiefe, was im Vergleich zur Konkurrenz viel ist. Dafür kann die Werft beim Ballastanteil sparen, dieser liegt bei nur 30 Prozent. Gegen Aufpreis ist ein Kiel mit 2,40 Meter Tiefgang verfügbar. Wie bei Performance-Booten üblich, sind die Segel im Grundpreis nicht enthalten, die Eigner bestimmen den Hersteller, die Zahl und die Güte der Tücher selbst. Sie müssen dafür mindestens 22.000 Euro für eine einfache Ausstattung (nur Groß und Genua) einkalkulieren; eine komplette und regattataugliche Garderobe kostet 50.000 Euro oder mehr.
Was die E6 nicht bietet, ist eine Selbstwendefock, nicht einmal gegen Aufpreis. Für zusätzliche Raumwindsegel wie Gennaker oder Code Zero ist am Bug jedoch bereits serienmäßig ein 1,20 Meter langer Carbon-Bugspriet fest angebaut. Er dient gleichzeitig auch als Ankerhalterung und als Tritt zum An-Bord-Kommen oder An-Land-Gehen.
Eine schwache Thermik mit 8 bis 12 Knoten Stärke bietet beim Test nicht gerade prickelnde Bedingungen.
Die Elan E6 macht daraus das Beste: Hart am Wind marschiert sie mit im Mittel 7,0 Knoten bei einem Wendewinkel von 90 bis 95 Grad. Den ermittelten Leistungsdaten nach läuft sie an der Kreuz also schnell, aber nicht besonders hoch. Für Boote dieser Größe und Ausrichtung wären bei ähnlichen Bedingungen Wendewinkel von 80 bis 85 Grad erwartbar.
Möglicher Grund für die mangelnde Höhe: Die Holepunkte für die kurz überlappende Genua sind relativ weit außen montiert, auf dem Laufdeck, und nicht wie bei vielen aktuellen Performance-Cruisern auf dem Kajütaufbau. Damit hat die Elan E6 recht offene Schotwinkel. Beiholer könnten hier Abhilfe schaffen und wären mit wenig Aufwand nachrüstbar. Zweifellos hat die Elan E6 bezüglich der Höhe am Wind mehr Potenzial als im Test gezeigt, aber man muss es auch abrufen können.
Wegen der großen Breite und dem flachen Spant am Heck sind doppelte Ruderblätter nötig. Damit lässt sich das Boot exzellent steuern und reagiert in den Manövern schnell und willig. Die Arbeit am Rad macht Freude und erlaubt es dem Steuermann, das Schiff mit viel Gefühl optimal am Wind zu halten; bei Booten mit zwei Ruderblättern ist dies keine Selbstverständlichkeit. Humphreys Yacht Design hat dafür einmal mehr eine perfekte Abstimmung und Formgebung gefunden.
Auch technisch ist die Steueranlage auf der Elan E6 tadellos ausgeführt. Das gut dimensionierte System von Jefa koppelt mit zwei getrennten Kabelzügen jeweils ein Steuerrad mit dem jeweiligen Quadranten auf der entsprechenden Seite. Beide Quadranten sind unter Deck mit einer soliden Schubstange verbunden. Sollte also auf einer Seite die Steuerung ausfallen, bleibt das Schiff über die zweite, davon unabhängige Anlage immer noch vollständig kontrollierbar.
Der Innenausbau der Elan E6 gefällt mit einer moderat-modernen Formensprache und einem gemütlichen, einladenden Ambiente. Auch hier ist der Einfluss der Designer von Pininfarina offensichtlich. Die harmonisch geschwungenen Linien sowie die wiederholte Aufnahme des Sechsecks als verbindendes Stilelement schaffen optische Alleinstellung. Man wähnt sich tatsächlich eher auf einem luxuriösen Fahrtenboot
als auf einem sportlich ausgerichteten Performance-Cruiser.
Eigner wohnen im Vorschiff mit viel Bewegungsfreiheit. Das Kopfende des Inselbetts zeigt allerdings nach vorn. Deshalb misst die Liegefläche auf Schulterhöhe in der Breite nur 1,30 Meter – deutlich zu wenig für eine Yacht dieses Formats. Sehr großzügig eingeplant ist dafür das Bad, das auch in der abtrennbaren Duschkabine genug Freiraum bereithält.
Vorn bietet Elan eine weitere Ausbauvariante. Anstelle der großen Nasszelle gibt es eine Doppelkabine mit zwei Etagenkojen. Den Plänen nach zu urteilen, fällt diese vor allem für den Chartermarkt konzipierte Lösung jedoch sehr klein aus. Auch der noch verbleibende WC-Raum schrumpft dabei stark zusammen – eine Kompromisslösung also. Andere Werften bieten in dieser Bootsgröße erst gar keinen Vierkabiner als Variante in ihrem Performance-Segment an; wenn überhaupt, ist das anderswo erst ab 50 Fuß Rumpflänge eine Option.
Gut dimensioniert zeigen sich die Achterkabinen der Elan E6 mit einer Kojenbreite von 1,47 Metern im Schulterbereich – und das, obwohl zwischen den Kammern ein großer Technikraum liegt. Der bietet perfekten Zugang zur Einbaumaschine und zum Saildrive sowie Raum für weitere technische Installationen wie Heizung, Generator und Wassermacher.
Das Stauraumangebot unter Deck ist angemessen. Vorn und achtern gibt es große Schränke mit guter Unterteilung, zudem Schapps und Ablagen. Auch in der Pantry stehen gut nutzbare Staufächer und Schubladen zur Verfügung, die selbst für Pfannen und Töpfe groß genug sind. Im Salon dagegen mangelt es ein wenig an Ablagemöglichkeiten, weil die Podeste der Sofas größtenteils mit Bordtechnik gefüllt sind.
Ästhetisch wie substanziell bietet die E6 mehr als im Serienbootsbau üblich. Das spiegelt sich aber im Preis – und beim Gewicht.
Elan baut das komplette Interieur selbst, teilweise als Fertigmodule, teilweise aber mit individueller Anpassung direkt im Schiff, was mehr Flexibilität bringt. Bezüglich der Qualität liefert die Werft für das neue Flaggschiff der E-Linie den gleichen Standard wie in der gehobenen GT-Linie.
Die Verarbeitung des Testboots zeigt sich auch im Detail tadellos, selbst in den Bereichen, die nicht ohne Weiteres einsehbar sind. Die Spaltmaße stimmen, die Einbauten wirken robust und widerstandsfähig, die Möbelfundamente sind verschliffen, die Schnittkanten überlackiert. Und selbst die Bodenbretter straken sauber, liegen plan knarzfrei und sind zusätzlich verschraubt.
Auch beim Sekundärantrieb bietet Elan mehr als andere. Neben dem üblichen Einbaudiesel gibt es seit vorigem Jahr alle Modelle alternativ mit individuell konfigurierbaren Elektropaketen vom finnischen Hersteller Oceanvolt. Für die E6 empfiehlt die Werft ein System mit zwei Pod-Motoren à 15 Kilowatt Leistung. So ausgerüstet, soll die Yacht die Rumpfgeschwindigkeit von 9,0 Knoten erreichen können. Der Aufpreis ist allerdings happig: 112.900 Euro! Immerhin wird eine Reichweite von 65 Meilen angegeben; ein geplanter Hybridantrieb verspricht noch größere Autonomie. Dies ließ sich beim Test jedoch nicht verifizieren, denn die Baunummer 1 verfügte über einen herkömmlichen Verbrenner.
Doch selbst in dieser Version weiß Elans neues sportliches Flaggschiff zu gefallen. Die Elan E6 präsentiert sich visuell eigenständig, segelt präzise, transparent, agil und beweist technisch in jeder Hinsicht Stärke. Ihre Wandelbarkeit ist zudem größer als die all ihrer direkten Wettbewerber. Damit vermag sie für viele Eigner tatsächlich das zu sein, was eigentlich nur als theoretisches Ideal erreichbar scheint: der perfekte Performance-Cruiser – oder jedenfalls die größtmögliche Annäherung an ein Boot, das zum Schnellsegeln genauso gut geeignet ist wie zum gemütlichen Buchtenbummeln.
Den Preis Europas Yacht des Jahres 2023 in der Kategorie Performance-Cruiser konnte die Elan E6 nicht gewinnen. Dieser ging an die First 36 von Beneteau.
Ein gelungener Kompromiss aus sportlichem Segelvergnügen, hohem Wohnkomfort und ansprechender Ästhetik. Die Elan E6 zeigt seglerisch Potenzial. Ihre Ausrüstung erfüllt hohe Ansprüche. Mit Tiefkiel und Carbonmast ist noch mehr Leistung abrufbar
Vorsegel-Rollanlage, Bugspriet aus Kohlefaser mit Ankerhalterung, Großschottraveller vertieft, versenkbare Klampen (6 Stk.)
Umfangreiches Elektronikpaket mit allen Instrumenten und Displays, wahlweise von B & G oder Raymarine. Aufpreis 17.600 Euro
Standard: Yanmar 4JH57 (57 PS) mit Saildrive und Dreiblatt-Faltpropeller. Optional 4JH80 (80 PS) oder Elektroantrieb mit doppelten Pod-Motoren. Aufpreis für Elektro: 112.900 Euro
Aluminium-Mast von Seldén, mit zwei Salingen. Optional Kohlefaserrigg mit Rod-Wanten. Segel von One-Sails (DCX Laminat) ca. 22.000 Euro
Genuawinschen 2 x 60.2 radial, Großschotwinschen 2 x 50.2, Fallenwinschen 2 x 46.2 radial, Komplettausstattung von Harken (Std.)
Elan Yachts, 4274 Begunje na Gorenjskem (Slowenien), www.elan-yachts.com
Blue Yachting, 28237 Bremen, www.blue-yachting.de