Der erste Blick verwundert: Das da in der Kranbahn bei KM Yachtbuilders in Makkum wirkt kaum wie die neue Baby-Bestevaer, die nur 36 Fuß kurz ist. Das Schiff hier muss größer sein. Vielleicht liegt es schlicht daran, dass die Linien der 36er dieselben sind wie bei den bis zu 70 Fuß großen Yachten aus der Bestevaer-Baureihe. Tatsächlich ist das heutige Testschiff nicht besonders groß: Es ist nur 10,95 Meter über Deck lang. Die Designprinzipien aber sind identisch: gerade Schiffsenden für maximale Wasserlinienlänge und damit Geschwindigkeit, eher kleines und hinter dem Deckshaus gut geschütztes Cockpit, hohes Schanzkleid, flacher Aufbau und eben diese ganz besondere Ausstrahlung von blankem Aluminium.
Die Ur-Bestevaer war 53 Fuß lang. 45 Füße waren auch okay für diese Aluminiumboote, das hat der Bericht in YACHT 8/2008 gezeigt. Funktioniert aber das Konzept auch auf weniger Länge? Es ist anzunehmen, dass zumindest sehr gut darüber nachgedacht wurde, denn die Baunummer eins ist zugleich das Schiff von Bestevaer-Konstrukteur und J-Klasse-Papst Gerard Dykstra. Der ist bekannt für seine guten Detaillösungen und seine Prinzipientreue, wenn es um Segelleistung geht. Erfreulich: Herr Dykstra ist beim Probeschlag an Bord. Er möchte wissen, was wir von seinem neuesten Werk halten.
Der erste Eindruck von außen ist jedenfalls gelungen. Die Linien passen, dafür aber opfert Dykstra innen Höhe. 1,85 Meter sind nicht mehr unbedingt viel heutzutage. Was zunächst jedoch auffällt, ist das kleine Cockpit. 1,35 Meter kurze Sitzduchten, die Pinne, die unterwegs einfach viel Platz braucht, auch wenn sie sich zu einem Teil einkürzen lässt, und die Holzplanke achtern als Bank: Sonderlich viel Raum ist dort nicht. Meister Dykstra hatte eine sehr kleine Crew im Auge, auf die hin er alles ausgerichtet hat. Das ist konsequent umgesetzt und funktioniert gut. Beim Test mit bis zu fünf Menschen an Bord wird es eng.
Da passt auch das Layout innen genau: ein großes Bett im Vorschiff, zum Salon hin nur durch einen Vorhang abgetrennt. Privatsphäre ist nicht wichtig, wenn man zu zweit unterwegs ist. Die Koje achtern an Backbord unter dem Sitz im Deckshaus ist nur für eine Person nutzbar, kommen mehr Gäste an Bord, müssen diese eben im Salon schlafen. An Backbord lässt sich zwischen Außenwand und Schwertkasten ein Doppelbett realisieren, das allerdings nur 1,90 Meter lang ist.
Was ins Auge sticht, ist der riesige Tisch für bis zu sechs Personen. Das erscheint bei der Auslegung wenig sinnvoll, allerdings benötigt der Schwertkasten den Raum. Die Länge von Schwert und damit Kasten im Inneren erzeugt die erforderliche Stabilität unter Segeln. So lässt sich der 2,3 Tonnen schwere Anhang auf 2,4 Meter absenken.
Am achteren Ende wurde ideal in der Schiffsmitte gelegen ein tiefes Spülbecken platziert. An Backbord ist die Pantry untergebracht, die als sehr seegerecht durchgeht. Schade: Der Kocher, und sei es nur die Spiritusvariante, steht auf der Aufpreisliste. An Steuerbord befindet sich die Nasszelle – Waschbecken und WC, fertig. Man könnte darin auch duschen, dafür aber scheint der Raum sehr beengt. Wer mehr Platz in der Nasszelle haben möchte, der muss den Sitz an Steuerbord im Deckshaus opfern und damit auch den darunter sehr geschickt positionerten Ölzeugschrank. Das Deckshaus selbst ist innen 1,42 Meter hoch, die beiden Sitze sind bequem und eignen sich dank allerbester Rundumsicht ideal zum Wachegehen. Was man nicht unbedingt tun wird, ist, darinnen vor Anker oder im Hafen Zeit zu verbringen, denn außer sitzen geht hier nichts, nicht mal fläzen oder liegen.
Auf einer Bestevaer dient das Deckshaus dazu, sich darin auf See aufzuhalten. Zeit zu sehen, wie sie sich dort verhält. Dazu geht es zunächst unter Maschine aufs IJsselmeer hinaus. Das erledigt auf dem Testschiff ein 15-kW-Oceanvolt-Servoprop. Der ist naturgemäß nicht zu hören oder zu spüren. Mit einem Drittel seiner Leistung bringt er das Schiff auf gut fünf Knoten. Zusammen mit dem 30 Kilowattstunden großen Akkupaket reicht das für rund 30 Seemeilen unter Maschine. Der Standardakku ist halb so groß. Serienmäßig wird ein 29-PS-Yanmar-Dieselmotor verbaut. Wer elektrisch fahren möchte und den großen Energiespeicher wählt, zahlt dafür zirka 75.000 Euro Aufpreis. Weitere 24.000 Euro kommen hinzu, wenn man gern einen 6-kW-Generator von Fischer Panda an Bord hätte. Wer auf den verzichtet, kann auch auf 43-kWh-Akkupower aufrüsten. Der Servoprop rekuperiert beim Segeln.
Zusätzlich können Solarzellen und ein Windgenerator installiert werden, um weitere Ladung in die Akkus zu bringen. Ganz ohne Landstrom oder mittels Generator in Strom verwandelten Diesel wird die Bestevaer wohl nicht auskommen, wenn auch mal weitere Strecken mit Motorunterstützung abgelegt werden müssen. Da der Generator jedoch mit HVO-Diesel, also solchem aus Pflanzenöl, zurechtkommt, kann man durchaus von der Möglichkeit eines nachhaltigen Antriebs sprechen. Stichwort Nachhaltigkeit: Aluminium ist wohl der nachhaltigste Bootsbauwerkstoff, besteht es doch zu rund 70 Prozent aus recyceltem Material. Auch bei Holz, Segeln und Stoffen sowie bei der Isolierung aus Steinwolle setzt die Werft auf Materialien, die einen möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck hinterlassen.
Der ökologisch beste Antrieb heißt: Wind! An den ins Cockpit umgelenkten Fallen geht das Großsegel empor. Altersgerecht hilft dabei eine E-Winsch. Wird die Version mit ausgestelltem Top gewählt, erhält das Schiff Backstagen. Der Clou: Erst wenn es stärker weht, werden diese benötigt. Dabei passt der ausgestellte Segelkopf im ersten Reff unter den Backstagen hindurch. Als Groß und Genua stehen – möglich ist auch eine Selbstwendefock an einem Hoyt-Baum –, weht es mit gerade einmal acht Knoten. Dabei läuft die 36 rund vier Knoten bei etwa 43 Grad am wahren Wind und liegt vollkommen neutral auf dem Ruder, Druck ist nicht zu spüren. Fast schon entschuldigend erklärt Konstrukteur Dykstra, dass solch ein offener Schwertkasten ja immer für Widerstand unter Wasser sorge. Das lasse sich leider nicht ändern.
Bei zehn Knoten Wind steigt die Amwind-Geschwindigkeit auf gut fünf Knoten. Als später 15 Knoten in Böen auf der Anzeige stehen, zeigt sich auch eine erfreuliche Rückmeldung aus dem Schiff in Form von leichtem Ruderdruck. Knapp acht Knoten schafft die Bestevaer dann, allerdings mit Code Zero. Was unter Segeln negativ auffällt, ist die fummelige Bedienung der Antal-Klemmen. Die sind auf dem Süll halb verdeckt verbaut. Deren Auslösemechanismus mit Release-Leine ist nur mit Spannung auf der Leine aktiv. Bei der Großschot ist das sehr unpraktisch: Will man diese mal eben fieren, ist zunächst Kurbelarbeit erforderlich, um Spannung aufzubauen. Hier sollte eine andere Lösung her.
Was die Bedienung angeht, ist das der einzige Punkt, der nicht gut funktioniert. Ansonsten haben Werft und Konstrukteur sehr schöne Details ersonnen. Die klappbare Badeplattform ist zwar nicht sonderlich groß, aber sie erfüllt bestens ihren Zweck – kostet jedoch 6.500 Euro extra.
Natürlich verwendet man wo immer möglich Tauwerksschäkel. So ist schlicht weniger korrosionsgefährdender Edelstahl an Bord. Noch so ein durchdachtes Detail: Wie erzeugt man einen Antirutschbelag auf Aluminium? Durch Sandstrahlen. Dadurch wird die Oberfläche aufgeraut. Keine Farbe, kein Belag.
Erst noch zeigen wird sich, wie der Markt die Bestevaer 36 annimmt. Mit etwas Ausstattung kostet das Schiff rund 600.000 Euro. Gut 100.000 Euro mehr als eine größere Allures 40.9. Die stringente Ausrichtung auf kleine Crews erfordert Kompromissbereitschaft. Konsequent waren Werft und Konstrukteur bei der Bauqualität und den Segeleigenschaften. Erstere ist schlichtweg exzellent, besonders was die Aluminiumarbeiten angeht, auch der Innenausbau ist gut und seegerecht ausgeführt. Unter Segeln tut sie, was sie soll. Ein weiterer Vorteil: In blankem Aluminium und mit Elektromotor benötigt das Schiff nahezu keine Pflege.
Es gibt somit genug Aspekte auf der Habenseite, auch solche in puncto Nachhaltigkeit. Dazu kommen der variable Tiefgang und die aufwändige Isolierung, die zu höheren Preisen führen. Wer diese Dinge schätzt, findet in der 36 vielleicht sein persönliches Traumschiff.
Wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!
Standardausrüstung im Grundpreis enthalten: 29-PS-Diesel-Motor, Schoten, Segelkleid, Reling, Positionslaternen, Batterie, Kompass, Segel, Polster, Pantry, Lenzpumpe, WC, Feuerlöscher, Fäkalientank mit Absaugung, Fender/Festmacher, Anker mit Kette, segelklare Übergabe
Wer auf das Ölzeugschapp und den Sitz an Steuerbord im Doghouse verzichten kann, der bekommt auf Wunsch eine Dusche eingebaut. Bei nur 150 Liter Frischwasser an Bord sollte man sich jedoch kurz fassen
Auf Deck und Pilothouse können Solbian-Solarzellen platziert werden, die 4,2 Quadratmeter sollten im Idealfall knapp 1.000 Wattpeak erbringen. Aufpreis: 10.000 Euro
Um möglichst keinen Kontakt zwischen Aluminium und Edelstahl zu haben, ist das Schiff wo immer möglich aus Alu gebaut
Eine perfekt durchdachte Mini-Blauwasseryacht. Die Erfahrung von Gerard Dykstra ist überall an Bord deutlich sichtbar, die Ausführung der Metallarbeiten KMY-typisch sehr hochwertig. Dabei segelt die 36 für ein Boot dieser Ausrichtung ausreichend gut. Das kostet: Der Preis liegt über 100.000 Euro höher als der der Ovni 370.
Nach 70.000 Seemeilen mit seiner Bestevaer 53 geht es Gerard Dykstra mit seiner neuen 36er etwas ruhiger an
Das stimmt. Unsere Kräfte schwinden mit dem Alter, da mussten wir das Boot anpassen, da wir weiter alles von Hand bedienen wollen. Wir wollten ein vollständiges Fahrtenschiff, aber auf 36 Fuß und mit variablem Tiefgang.
Ja, aber das hält sich in Grenzen. Schnell segeln kann sie immer noch, aber es ist eben keine 53er. Die war wirklich schnell, und das unter fast allen Bedingungen. Wir haben aber auch andere Pläne jetzt, da passen 36 Fuß sehr gut.
Wir haben mit dem vorherigen Schiff alle möglichen weit entfernten Destinationen bereist, waren aber eigentlich nie hier in der Gegend unterwegs. Wir wollen ins Watt, wirklich überall hin, vielleicht mal bis nach Dänemark oder in die Ostsee.
(Lacht) Ja, mit dem Alter werde ich scheinbar kompromissbereiter.