Bestevaer 45 ST PureRobuste Langfahrt-Yacht mit Abenteuer-Flair von KM Yachtbuilders

Fridtjof Gunkel

 · 13.04.2023

Trutzburg zur See: Deckshaus, hohe Fußreling, Kutterrigg und viel Ballast schaffen Vertrauen
Foto: K. Andrews
Die Bestevaer 45 ST Pure im Detail

Die Aluminium-Segelyacht Bestevaer 45 ST Pure war das erste Serienschiff von KM Yachtbuilders aus Holland. Wir haben sie getestet

Die lässt niemanden kalt. Wer die Bestevaer mit dem etwas sperrigen Namens­zusatz 45 ST Pure sieht, geht nicht gedankenlos weiter, wie es bei der einen oder anderen Großserienyacht passieren kann. Im Angesicht des steingrauen Aluminium- Kolosses steigen sogleich Assoziationen auf. Vertrauen, Robustheit, kommt dem Betrachter in den Sinn, daneben Verlässlichkeit, Langfahrt, Abenteuer und Weite. Er sieht ein Schanzkleid, eine solide Scheuerleiste am hohen Freibord, großzügig dimensionierte Beschläge, massive Handgriffe. Und vor allem erblickt er ein ausgeprägtes Deckshaus, das allein schon dem Boot einen Allwetter- Nimbus verleiht.

Die Bestevaer 45 steht damit ganz in der Tradition der gehobenen Aluschmiede KM Yachtbuilders aus dem nordholländischen Makkum, die diverse feine Ware für lange Fahrt und guten Geschmack fertigt. Die Niederländer bauen dort nach Plänen von van de Stadt, Koopmans, Frers, Berckemeyer und Hoek sowie sehr gern und oft die Designs von Dykstra Naval Architects. Das renommierte große Team ist vor allem für diverse neu gebaute J-Class-Yachten bekannt und für gehobene Langfahrtyachten. Chef Gerard „Gerry“ Dykstra segelte zum Zeitpunkt unseres Besuches persönlich eine Bestevaer 53, und zwar, wann immer möglich, in den hohen Breiten. Kein schlechtes Zeichen für das Vertrauen in die Werft.

KM Yachtbuilders feiert in diesem Jahr 25-jähriges Jubiläum und lädt am 22. April 2023 zum Tag der offenen Tür ein. Die Veranstaltung ist eine hervorragende Gelegenheit, an Bord einer KM-Segelyacht zu gehen, die Werft zu besichtigen, mit den Experten zu sprechen und die Menschen zu treffen, die diese Yachten geschaffen haben.

Die Segelyacht strahlt Vertrauen für lange Törns aus

Werft-Chef Eeuwe Kooi, der KM 1999 gründete, indem er einen renommierten Aluyacht-Produzenten übernahm, erweitert mit der Bestevaer 45 sein Programm. Fertigt man in Makkum Einzelbauten und Semi-One-offs sowie Einzelteile unter anderem für Royal Huisman, steht die neue Linie für Serienschiffe.

Die Werft-DNA indessen soll erhalten bleiben; sie ist gleichbedeutend mit Sicherheit, Hochseetauglichkeit und Komfort. Der Kunde hat deutlich weniger Optionen als bei den größeren Schwestern. Dennoch gibt es die Wahl zwischen Schwenk- und Festkiel, einer oder zwei Achterkabinen und einem Inselbett oder einer seitlich versetzten Koje im Vorschiff.

Details, die beim ersten Gang an Bord und unterwegs noch nicht interessieren. Mit diesem Boot möchte der Besucher los. Der Bugstrahler macht die Nachteile der Doppelruderanlage beim Manövrieren aus dem Stand wieder wett. Das sechsfach durchgelattete Groß von Doyle klettert, mit einer von sechs (!) 50er-Harken-Winschen elektrisch unterstützt, am Zweisalingsmast von Seldén 20 Meter in den Himmel. Die gering überlappende Genua wird ausgerollt, das Boot legt sich etwas auf die Backe und beschleunigt betulich, aber unaufhaltsam wie ein Güterzug auf eine aktionsradiusstarke Geschwindigkeit von 7 bis 8 Knoten auf dem Anlieger.

Die Bestevaer 45 steuert ruhig durch jedes Wetter

Auffällig: Die vierköpfige Crew bewegt sich gern und viel an und unter Deck, auch bei 5 Beaufort und entsprechendem Seegang. Die Segelyacht arbeitet sich ruhig und rhythmisch durch die Welle, es gibt diverse Festhaltemöglichkeiten, und der Platz ist groß, aber immer so parzelliert, dass man sich abstützen, anlehnen und festhalten kann. Dies trifft auf den Salon, die seegerechte Pantry, die Nasszelle ebenso zu wie auf die Kabinen. Bei Wind und Wetter sitzt man gut im Deckshaus, lässt den Autopiloten steuern.

Die lange Passage mit dieser Segelyacht muss der Hammer sein. Einziges Manko: Die beiden Sofas im Deckshaus sind nur 1,40 Meter lang, eignen sich also nicht zum Schlafen für die Frei- oder noch besser für die Standby-Crew, die dort in Rufweite der Wache liegen würde. Dabei wäre der Platz für ein längeres Deckshaus da; das Cockpit misst satte drei Meter! Etwas Schutz finden zwei Crewmitglieder durch eine feste Verlängerung des Deckshauses. Es dauert jedoch seine Zeit, bis man sich an der ebenfalls verlängerten Führung des Schiebeluks nicht mehr den Kopf stößt.

Der solide Alu-Rumpf verfügt über wasserdichte Schotten

Die größte Besonderheit im Cockpit der Segelyacht jedoch ist die lange, geschwungene Pinne, mit der die beiden Blätter über Gestänge bewegt werden. Ist das Boot gut getrimmt und in Fahrt, geht das relativ simpel und kraftschonend vonstatten. In den Wenden ist die aufwändige Mechanik jedoch spürbar. Im Cockpit sitzend muss der Rudergänger durch den Aufbau gucken. Das Boot lässt sich aber selbst mit Pinnenausleger gut steuern; dann sitzt man auf dem Süll zwischen den Winschen und hat die Schoten auch im direkten Zugriff. Die Bestevaer ist jedoch optional mit Rad erhältlich.

Gut gelöst: Alle Fallen und Schoten führen nach achtern auf die sechs Süllwinschen; das Boot ist somit perfekt einhandtauglich. Segelt das Schiff raumschots und mit leicht geschrickten Schoten sehr ordentlich, fehlt es auf der Kreuz ein wenig an Speed oder Höhe, zumindest mit der getesteten Schwenkkielversion. Im Standard ist ein Festkiel mit Bombe verbaut. In beiden Fällen liegt der Ballastanteil recht hoch, er beträgt mindestens 37 Prozent.

Das passt. Überraschender fällt da das Interieur aus: viele helle Flächen, grüne Polster und Bambus als Furnier, dazu kreisrunde Bulleyes und ein dunkler Fußboden – Geschmackssache, ebenso wie die Ausgestaltung der Backbord-Achterkabine. Die ist offen zur Pantry hin und verfügt über keinen Fußraum, mutet somit eher wie eine Hundekoje an. Alternativ ist an dieser Stelle eine weitere Backs­kiste möglich, wobei schon das Cockpit gigantisch viel Stauraum aufweist.

Die Kojen sind schmal, die Pantry geräumig

Was auch auffällt: Die Kojen sind alle recht schmal. Selbst die seitlich versetzte im Vorschiff ist nur 1,30 Meter auf Schulterhöhe breit. Da wird das alternativ angebotene Inselbett die bessere Lösung sein. Die Steh­höhen als weiteres wichtiges Komfortmaß gestalten sich auf einem Boot dieser Liga naturgemäß üppig; mindestens 1,90 Meter sind es denn auch.

Die U-förmige Pantry verdient Erwähnung: Sie überzeugt durch zwei Kühlschränke, viel Arbeitsfläche, diversen intelligent genutzten Stauraum, einen dreiflammigen Ofenkocher sowie eine horizontale und eine vertikale Stange zum Festhalten. Letztere ist die im holländischen Bootsbau häufig verbaute „Standpijp“, das Stehrohr. In ihm enden die Grauwasseranschlüsse.

Fehlt etwas? Richtig: Auf dem Boot gibt es keine dezidierte Navigationsecke; die Kartenarbeit, falls gewünscht, findet elektronisch oder am Salontisch statt. Eine Fläche im Deckshaus über der Steuerbordachterkammer ließe sich nutzen, dies wäre aber unkomfortabel. Ebenfalls Geschmackssache.

Die Segelyacht überzeugt in Sachen Handling und Komfort

Unstrittig dagegen: Die Segelyacht ist eine Wucht – weit vorn in den Disziplinen Handling, Segelkomfort und Platz, mit vorbildlich umgesetzten Lösungen, gehobener Bordtechnik und viel Stauraum. Dazu bestens geeignet für die ausgedehnte Touren, womöglich auch ganzjährig oder in hohe Breiten – welche Serienwerft führt schon einen klas­sischen Diesel-Ofen von Dickinson in der Preisliste auf? An der Verglasung im Deckshaus müsste man dann jedoch noch arbeiten. Der Rumpf selbst ist innen mit PU-Schaum vorbereitet.

Mit dem Serienschiff tritt KM Yachtbuilders nun gegen Marken wie Garcia, Allures und Ovni aus Frankreich oder Benjamins aus Deutschland an. Schade nur, dass es so etwas wie die Bestevaer 45 ST Pure nicht in etwas kleinerer Ausführung gibt. Und vielleicht mit einem kürzeren Namen.

Dieser Artikel erschien erstmals in YACHT 16/2016


Technische Daten Bestevaer 45 ST Pure

Risszeichnung Bestevaer 45 ST PureFoto: YACHT/N. Campe
Risszeichnung Bestevaer 45 ST Pure

  • Design: Dykstra Naval Architects
  • CE-Entwurfskategorie: A
  • Rumpflänge: 14,45 m
  • Breite: 4,05 m
  • Tiefgang/alternativ.: 2,15/1,40–2,95 m
  • Gewicht: 13,0 t
  • Ballast/-anteil (Schwenkkiel): 4,9 t/37 %
  • Großsegel: 60,0 m²
  • Rollgenua: 45,0 m²
  • Maschine (Yanmar): 57 kW/42 PS

Rumpf- u. Decks­bauweise

Seewasserfestes Aluminium im Rundspant.
Über LWL 5–6 mm, unter LWL 6–12 mm

Preis und Werft

  • Grundpreis ab Werft: 589.050 €
  • Preis segelfertig*: 589.050 €
  • Komfortpreis*: 618.137 €
  • Garantie: 1 Jahr
  • Werft: KM Yachtbuilders, De Stienplaat 7, 8754 HE Makkum/Niederlande; Tel. 0031/515 233 000; www.kmy.nl

(Preise Stand Q3/2016)

* wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!


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