Gleiten – das ist ein großes Wort im Segelsport. Es bedeutet, dass ein Boot so schnell vorankommt, dass es nicht mehr durch das Wasser pflügt, sondern sich mit seinem Rumpf aus dem eigenen Wellensystem schiebt und darauf gleitet – wie ein Surfbrett zum Beispiel. Ein Boot, das ins Gleiten kommt, produziert weniger Widerstand als eines, das verdrängt. Das heißt: mehr Speed, mehr Dynamik, mehr Fun. Für Segler ist das Gleiten deshalb ein Zustand von Glück, Freude und Adrenalin. Nur wer es schon mal erlebt hat, kennt das grandiose Gefühl, wenn der Bug steigt und plötzlich der Fahrtzustand ganz leicht und stabil wird.
Ob und wann ein Boot gleiten kann, hängt von vielen Faktoren ab. Schwere und träge Hochseeyachten mit hohem Ballastanteil, bescheidener Segelfläche und ausgeprägtem V-Spant sind nicht dafür gebaut, ins Gleiten zu kommen. Selbst bei Starkwind werden sie diesen Zustand kaum je erreichen. Ganz anders sieht es bei leichten Sportbooten, Jollen oder Rennyachten aus. Mit ihrem großzügigen Segelplan und einem flachen Rumpfdesign kommen sie schneller in die „Glitsche“. Durch moderne, leistungsoptimierte Rumpfformen und neue Leichtbautechnologien wird Gleiten für ein immer
breiter werdendes Spektrum von Booten interessant. Selbst Tourenyachten profitieren heute zunehmend davon.
Eine spannende Entwicklung, für welche der Branchenriese Beneteau nun sogar eine neue Gattung mit eigener Bezeichnung auf dem Markt etablieren möchte: der „Planing-Cruiser“, das gleitfähige Fahrtenboot also. Diese Intentionen sollen jetzt mit der neuen First 30 umgesetzt werden. Das neue Modell für Beneteaus sportliche First-Reihe setzt sich zwischen das Sportboot First 24 und den Performance-Cruiser First 36 und kombiniert die Vorzüge beider Schwestern. So zeigt sich das Konzept der First 30 ungewöhnlich kompromissbereit. Mit diesem Boot lässt sich tatsächlich eine ganze Menge anstellen, egal ob man mit der Familie tourensegeln, zum Feierabend relaxed ausfahren oder mit einer aktiven Mannschaft sportlich an Regatten teilnehmen möchte. Die First 30 kann für nahezu alle Bedürfnisse als attraktive Plattform dienen.
Die polyvalente Ausrichtung scheint von Erfolg gekrönt zu sein. Bestellungen für 90 Boote sind schon in der Werft eingegangen, 20 davon allein auf der Messe in Düsseldorf. Und zweifellos hat auch die aggressive Preispolitik dazu beigetragen. Schon zur Projektvorstellung im September 2024 hat Beneteau einen Grundpreis von 100.000 Euro netto angekündigt und sich bis heute an dieses Versprechen halten können.
Seit Jahren arbeitet Beneteau in Frankreich erfolgreich an der Renaissance der sportlichen First-Reihe. Inzwischen umfasst das aktuelle Programm nicht weniger als acht Modelle, von der 4,50 Meter langen Zweimannjolle bis zum über 17 Meter langen Fast-Cruiser. Seit 2018 kooperiert der Branchenführer dazu mit den Sportboot-Experten von Seascape in Slowenien, wo mittlerweile alle Boote der First-Linie unter elf Meter Rumpflänge entwickelt und gebaut werden – so natürlich auch die 30er. Die Werft mit Sitz in der Nähe der Hauptstadt Ljubljana baut sämtliche GFK-Teile als Sandwich-Konstruktionen im aufwendigen Vakuuminfusionsverfahren und für die Rumpfkomponenten mit osmoseresistentem Vinylesterharz.
Die Bodengruppe wird zusammen mit den Möbelfundamenten als ein großes, zusammenhängendes und strukturell tragendes Bauteil laminiert und nachträglich in den fertigen Rumpf eingeklebt. Diese komplexe Bauweise sorgt für ausgesprochen steife Verbindungen bei gleichzeitig maximaler Gewichtsreduktion. Was wiederum für die von Beneteau und Seascape vollmundig versprochene Gleitfähigkeit der First 30 von Relevanz ist.
Würde die Konstruktion aus der Kooperation von Sam Manuard und Lorenzo Argento tatsächlich so schnell ins Gleiten kommen wie ein Sportboot? Mit dieser Neugier im Gepäck ist die YACHT-Redaktion zum Test nach Slowenien gereist.
In der Bucht von Piran setzt sich im Laufe des sonnigen Tages eine schöne Seebrise in Szene, mit bis zu 12 Knoten Wind. Und tatsächlich: Mit dem fast 100 Quadratmeter großen Topp-Gennaker und ab etwa 9,5 Knoten Speed beginnt sich der füllige und unten flache Bug allmählich über das Wasser zu schieben. Die Mannschaft kann mit Gewichtsverlagerung nach achtern helfen, den Vorgang des Angleitens zu beschleunigen.
Bei zweistelligen Werten auf der Logge ist die First 30 dann schon fast in voller Gleitfahrt. Spielerisch und leicht, wie eine kleine Jolle, lässt sich das Boot nach Druck dirigieren, reagiert aber auch unmittelbar und heftig auf die beiden Ruderblätter. Der Steuermann muss aufmerksam lenken, behält aber gleichzeitig auch volle Kontrolle. Immerhin: 10,8 Knoten schafft das Boot als Rekordwert am Testtag, und das bei nur mäßig viel Wind.
Auch nach dem Kreuzkurs bleibt ein insgesamt positiver Gesamteindruck. Vor allem die Wendewinkel sind mit weniger als 80 Grad erstaunlich gut für ein Boot dieser Größe und Ausrichtung. Die First 30 kommt hart am Wind auf einen Speed von 6,2 Knoten. Allerdings nimmt die mit einem Streckungsfaktor von 3,12 vergleichsweise schlanke Konstruktion schnell viel Krängung auf. Dies trotz der seitlich hart abgesetzten Rumpfaufkimmung, des vergleichsweise tiefen Standard-Kiels in T-Form und eines Ballastanteils von 35 Prozent.
Jedoch bleibt die First 30 selbst bei absichtlich forcierter Krängung stabil auf Kurs und macht keine Anstalten, aus dem Ruder zu laufen. Ganz im Gegenteil. Der Steuermann kann das Boot mit einem angenehm leichten Ruderdruck sehr präzise und mit viel Dynamik an der Windkante lenken, auch bei mehr Krängung. Die offenbar sehr gut abgestimmte Pinnensteuerung verstärkt das gute Steuergefühl obendrein.
Abhängig von Einsatz und Anspruch hält die Werft verschiedene Varianten für die Führung der Großschot bereit. Standard ist die Anordnung nach dem German-Cupper-Prinzip über ein Schotdreieck achtern nach vorne zum Mast und beidseitig zurück auf die Winschen auf dem Süll. Diese kann der Steuermann aus seiner Position auch im Alleingang gut bedienen. Alternativ wird eine zentrale Großschotführung über einen Traveller mit Taljenzug und Feinverstellung angeboten, so wie beim Testboot auch. Die Schoten der Genua werden dagegen über die Winschen auf dem Kajütdach gefahren, bleiben dort aber für den Steuermann an der Pinne unerreichbar. Dies beraubt die First 30 einer gewissen Einhandtauglichkeit, etwa für den Einsatz als Daysailer. Ein Autopilot ist zwar als Option erhältlich, kann aber nur bedingt Abhilfe schaffen. Und eine Selbstwendefock ist für die First 30 nicht vorgesehen.
Eine Lösung für Solisten gibt es dennoch. Wer oft allein unterwegs sein will und das Boot mit Traveller und Großschottalje bestellt, könnte sich die Genuaschoten mit ein paar zusätzlichen Umlenkblöcken auch auf die hinteren Winschen führen. Das ist zwar keine ausgewiesene Option vonseiten der Werft, funktioniert im YACHT-Test aber ganz prima.
Der Mast von Z-Spars ist im Standard aus Aluminium gebaut und steht auffällig weit achtern, ziemlich genau in der Mitte der vermessenen Wasserlinie. Das J-Maß bleibt entsprechend lang und die Segelfläche der 106 Prozent überlappenden Genua ist nahezu gleich groß, wie diejenige des Großsegels. Das bedeutet aber auch, dass zwingend ein Achterstag angebaut werden muss, um den Durchhang im Vorstag zu kontrollieren. Es bleibt also in jedem Fall bei einem klassischen Großsegel mit Pin-Head.
Jenseits des Niedergangs wird man von einem sehr funktional wirkenden und schnörkellosen Interieur empfangen. Dennoch überrascht der Innenausbau mit viel gefühlter Wohnlichkeit und einem offenen, einladenden Raumeindruck. Dazu trägt bei, dass der gesamte Salonbereich mit einer durchgehenden Innenschale ausgebaut wird. Zudem sind wie beim Testboot schicke Stoffverkleidungen für die Rumpfinnenseiten erhältlich. Die Fenster am lang gezogenen Aufbau bleiben schmal und kurz. Auch verzichtet die Werft auf eine zusätzliche Luke vor dem Mast, um an der Stelle eine Fläche für ein Solarpaneel zur Stromgewinnung frei zu halten. Unter Deck bleibt es aus diesem Grund auch tagsüber relativ düster, trotz der schön großen Rumpffenster.
Die Koje in der Achterkabine wird auf der Innenseite durch den Niedergang und den Motorenraum eingegrenzt. Achtern kann deshalb nur eine erwachsene Person gut schlafen oder die Kinder. Dafür ist die Koje im Vorschiff umso komfortabler, auch für eine Doppelbelegung. Die Liegefläche ist über zwei Meter lang und im Bereich der Schultern stattliche 1,66 Meter breit. Auch die beiden Sofas im Salon bieten sich als Kojen an. Ihre Rückenpolster lassen sich dazu ganz einfach nach außen wegklappen.
Stauräume an Bord sind Mangelware, zumindest in der Grundausstattung. Wer die First 30 auch als Wohn- und Familienboot nutzen will, bekommt zusätzliche Staufächer aus Stoff, welche im Vorschiff und achtern an den Schotten befestigt werden können. Eine smarte und leichtgewichtige Lösung, die aber gleichermaßen auch an entsprechende Aufpreise gebunden ist. Zudem sind sowohl für das Vorschiff als auch für die Achterkabine leicht gebaute Falttüren mit Magnetverschluss erhältlich, ebenfalls aber nur als kostenpflichtige Optionen.
Die Nasszelle bleibt sowieso abgetrennt und ist für die Bootsgröße überdurchschnittlich geräumig. Leider finden sich aber auch im Bad keine Stauräume. Dafür gibt es ein großes, offenes Fach mit Drainage für das Ölzeug. Und eine Klappe im hinteren Schott erlaubt einen direkten Zugang zur großen Backskiste auf der Steuerbordseite.
In Sachen Tourentauglichkeit kann die First 30 mit ihrer relativ großen Pantry punkten. Auf dem kleinen Boot baut Seascape dasselbe Modul ein wie auf der größeren First 36, lässt jedoch den zentralen Küchenblock weg. Wer an Bord kocht, freut sich deshalb über ausreichend Stauräume, gut nutzbare Arbeitsflächen und ein großes, tiefes Kühlfach. Weil die Konstruktion im hinteren Teil vom Salon auf die Bodengruppe verzichten kann, ist auch an der Küche eine Stehhöhe von immerhin 1,81 Meter gegeben. Im Bereich von Niedergang und Pantry steht man auf der First 30 direkt auf der Rumpfschale.
Mit einem Grundpreis von 100.000 Euro netto wird die First 30 zweifellos zum absoluten Preisbrecher innerhalb ihres Marktsegments.
Stand 2025, wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, lesen Sie hier!
Es erstaunt, dass der Marktführer Beneteau die äußerst offensive Preisstrategie auch nach der Markteinführung noch halten kann, insbesondere unter Berücksichtigung des ordentlichen Inventars in der Basisausführung und der robusten, hochwertigen Bauweise.
In einer Zeit, in der das übersichtliche und kompakte Schiffskonzept, die Sportlichkeit und das Leistungsvermögen wieder stärker in den Fokus rücken, positionieren sich Beneteau und Seascape mit ihrer äußerst vielseitigen First 30 genau richtig. Sie greifen den aktuellen Zeitgeist auf und sprechen damit eine breit gefächerte Käuferschicht an, die wieder verstärkt viel Wert auf Flexibilität und Leistung legt.
Konsequent kompromissbereit
Hochwertige, robuste Bauweise
Attraktive Preisgestaltung
Sportliche Segeleigenschaften
Effiziente Trimmeinrichtungen
Nicht einhandtauglich
Volle Tourentauglichkeit
Gemütlicher Innenausbau
Stauräume nur als Option
Tadellose Grundausstattung
Elektromotor als Option
Wenige Lüftungsmöglichkeiten
GFK-Sandwich, laminiert im Vakuuminfusionsverfahren über einem Schaumkern mit Vinylesterharz. Strukturelle Bodengruppe eingeklebt, Schotten aus GFK- Komposit, Kiel aus Gusseisen.
Standard ist der Zweizylinder-Einbaudiesel von Yanmar (2YM15) mit 15 PS Leistung, Wellenantrieb und 2-Blatt-Faltpropeller. Alternativ ist ein Elektroantrieb von Kräutler mit 5 kW Leistung möglich, ebenfalls mit Wellenantrieb. Der Aufpreis beträgt ca. 9.700 Euro.
Zweisaling-Aluminiummast von Z-Spars mit 1:19-Drahtwanten und Achterstag. Ein Rigg aus Kohlefaser mit den gleichen Abmessungen ist optional erhältlich. Die Preise stehen aber noch nicht fest.
Chantier Beneteau, 85850 Saint-Gilles-Croix-de-Vie (Frankreich); www.beneteau.com
Händlernetz
Leistungsstarker Performance-Cruiser mit einer stark regattalastigen Ausrichtung. Das Boot ist stark wandelbar, je nach Einsatz und Vermessung. Nüchterner, aber dennoch fahrtentauglicher Innenausbau. Rumpflänge 9,94 m; Breite 3,40 m; Gewicht 3,8 t; ab 172.830 Euro. Lesen Sie den Test der J/99 hier.
Die Konstruktion für die sportliche Französin kommt von Finot-Conq und ist deutlich breiter als die Konkurrenzboote. Die Pogo 30 gibt es in Ausführung mit Festkiel und Bleibombe oder mit Schwenkkiel. Rumpflänge 9,14 m; Breite 3,70 m; Gewicht 2,8 t; ab 165.700 Euro. Lesen Sie hier den Test der Pogo 30.
Attraktives Crossover-Boot aus Holland mit einem ungewöhnlich breit gefächerten Einsatzspektrum. Im Test zeigt das Boot gute, dynamische Segeleigenschaften auf allen Kursen. Viele Varianten für den Innenausbau. Rumpflänge 9,20 m; Breite 2,90 m; Gewicht 2,4 t; ab 152.340 Euro. Lesen Sie hier den Test der Pointer 30.
Spannende Alternative mit einem Rumpf aus Sperrholz und einem Deck aus GFK. Es sind mehrere Kielvarianten machbar. Hübscher, geräumiger Ausbau unter Deck. Schön gebaut und hochwertig ausgestattet. Rumpflänge 9,70 m; Breite 3,70 m; Gewicht 4,1 t; ab 219.610 Euro. Den Test der RM 970 lesen Sie hier.
* Angebot von Yachting24 gültig für Versicherungssumme 119.000 Euro (bei Zeitwertdeckung), Selbstbeteiligung: 1.000 Euro, Haftpflicht-Deckungssumme: 8 Millionen Euro.