Michael Good
· 25.05.2023
Pointer Yachts in Holland sorgt mit einem frischen Neun-Meter-Boot für Aufsehen. Das kompakte Crossover-Konzept überzeugt mit starken Segelleistungen und viel Ideenreichtum. Exklusiv im Test
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Die Idee ist vielversprechend und sollte am Markt gute Chancen haben: Man kreiere ein Boot, das gemütlicher Daysailer, komfortables Tourenschiff und regattataugliches Sportboot sein kann. Jedoch ist der gute und stimmige Mittelweg zwischen den Gattungen schwer zu finden. Viele Hersteller haben sich die Zähne ausgebissen bei dem Versuch, neue Produkte und frische Konzepte in diese begehrte Schnittmenge zu platzieren. Je kleiner das Boot, desto schwieriger wird die anspruchsvolle Aufgabe für die Planer und Konstrukteure. Es geht dabei um Kleinigkeiten, um Formen und Maße, um Zentimeter und Millimeter, die dem Komfort an Bord zugutekommen, der Performance unter Segeln hingegen abträglich sind – oder umgekehrt.
Die jüngste Repräsentantin für den Markt der universellen Alleskönnerinnen um neun Meter Rumpflänge ist die Pointer 30 aus der Jachtwerf Heeg in Holland. Werftchef Geert Wijma hat vor bald zehn Jahren mit dem Crossover-Projekt Pointer 25 die neue Marke ins Leben gerufen und wenig später um die trailerbare Pointer 22 ergänzt. Mit der neuen 30er vollzieht das Unternehmen nun den logischen und erwarteten Linienausbau nach oben.
Konstrukteur Peter Bosgraaf in Medemblik hat den Entwurf von Geert Wijma überarbeitet und optimiert. Die Merkmale des Designs sind ein relativ niedriger Freibord, der stimmige und hübsche Deckssprung mit einem deutlich hochgezogenen Steven sowie ein lang gezogener Kajütaufbau. Insgesamt ist die Pointer 30 ein attraktives und gefälliges Boot. Die ausgeprägten Kimmkanten im hinteren Rumpfbereich sowie das recht wuchtig wirkende Heck mit der hochgeklappten Badeplattform tragen ihrerseits zur individuellen Erscheinung bei.
Im Standard wird die Pointer 30 mit einem vergleichsweise kurzen L-Kiel, einem Tiefgang von nur 1,25 Metern sowie zwei Ruderblättern gefertigt. Damit begegnen die Yachtbauer in Friesland in erster Linie dem Wunsch nach Booten für die dort überwiegend seichten Binnengewässer. Und mit dem kurzen Kiel sowie einer Rumpfbreite von nur 2,90 Metern kann die Pointer 30 auch noch gut auf dem Trailer transportiert werden, selbst ohne Sondergenehmigung. Ein längerer Kiel mit 1,75 Meter Tiefgang ist als Option erhältlich. In dem Fall kann der Kunde zwischen einem oder zwei Ruderblättern wählen. Flexible Rumpfanhänge, wie etwa ein Hubkiel oder ein Schwenkkiel, sind nicht vorgesehen.
Die Boote aus der Pointer-Reihe werden von A bis Z in der Werft in Heeg gebaut, als GFK-Sandwichkonstruktionen in Handauflage. Für den Rumpf verwendet das Unternehmen dazu osmoseresistentes Vinylesterharz. Im Bereich des Kielflanschs wird der Rumpf überdies mit Edelstahl-Profilen als Bodenwrangen verstärkt, die eingeklebt und überlaminiert werden. Für zusätzliche Strukturaussteifung sorgt eine sehr umfangreiche, durchgehende Innenschale, in welche auch die Möbelfundamente sowie die Kojenlager integriert sind. Mit einer zweiten großen Innenschale wird die Innenseite des Kajütdachs abgehängt.
Trotz der relativ aufwändigen Bauweise und eines Ballastanteils im Kurzkiel von stattlichen 40 Prozent bleibt die Pointer 30 im Vergleich zur Konkurrenz relativ leicht. Segelfertig wiegt das Boot nur gerade 2,4 Tonnen. Allerdings versteht sich die Gewichtsangabe ohne die Motorisierung. Die Yacht kann wahlweise mit einem elektrischen Pod-Antrieb von Torqeedo oder einem Einbau-Dieselmotor von Yanmar mit 15 PS oder optional 30 PS ausgestattet werden. Die zusätzlichen Gewichte betragen 100 Kilogramm für die Elektro-Variante inklusive Batterie und Steuerung oder rund 150 Kilogramm für den Einbaudiesel mit Tank und allen Komponenten.
Für den YACHT-Exklusivtest auf dem Heegermeer direkt vor der Haustür der Werft sind die Windbedingungen nicht prickelnd, reichen aber für eine Einschätzung der Segeleigenschaften. Und die sind für die Pointer 30 rundum gut – sehr gut sogar. Bei äußerst unkonstanten zwei Beaufort kommt das leichte Boot schnell auf guten Speed, segelt am Wind lebhaft und vor allem drehfreudig. Und auch die Höhe am Wind ist gut. Im Test wendet das Schiff über einen Winkel von 90 Grad und loggt dabei 4,2 Knoten bei nur sieben Knoten Wind. Mit dem rollbaren Code Zero und bei halbem Wind kommt die Holländerin flugs auf über sechs Knoten Fahrt.
Gesteuert wird die Pointer 30 im Standard mit der Pinne. Auf dem Testboot ist eine schwenkbare Steuersäule von Jefa eingebaut. Damit lässt sich das Rad entweder in der Mitte arretieren oder zu einer Seite wegklappen. Dadurch ist der Steuermann flexibel in der Wahl seiner Position in Lee oder in Luv. Und im Hafen bleiben die Durchgänge durch das Boot frei. Das Layout im Cockpit ist genauso einfach wie funktional. Die Großschottalje mit Feinverstellung kann sowohl vom Rudergänger wie auch von der Mannschaft bedient werden. Selbst die hinteren Winschen für Gennaker oder Code Zero sind für alle leicht erreichbar.
Der Käufer kann bestimmen, ob er die Pointer mit Selbstwendefock oder lieber mit einer kurz überlappenden Genua (106 Prozent) mit Holepunkten und Winschen auf dem Kajütdach segeln will. Beide Varianten sind als Option und gegen entsprechende Aufpreise erhältlich. Segler, die gern einhand unterwegs sind, können sich die Schoten der Genua über zusätzliche Umlenkblöcke auch auf die Winschen auf dem Cockpitsüll umlegen. Die Deckbeschläge für diese Optionen sind bereits beim Standardboot vorgesehen.
Ein künstliches Teakdeck steht ebenfalls auf der Liste der Optionen, wahlweise nur im Cockpit oder zusätzlich auch auf dem Laufdeck. Dabei geht die Werft eigene Wege. Die Paneele von Esthec werden nämlich direkt mittels einer Schablone in die Decksform eingelegt. Erst danach wird mit dem Aufbau des Laminats begonnen. Das Resultat dieses aufwändigen und technisch anspruchsvollen Verfahrens sind sehr schöne, durchgängig bündige Oberflächen an Deck, ohne die bei nur aufgelegten Teakdecks üblichen Absätze. Für zusätzliche Trittsicherheit sorgt ein umlaufendes Schanzkleid als Fußreling. Darin sind auch die Buchsen für die Relingsstützen einlaminiert. Der Seezaun ist auf diese Weise robust verankert und bietet viel Sicherheit.
Für das mit einem Streckungsfaktor von knapp 3,2 relativ schlanke Schiff ist ein Innenausbau ohne Varianz vorgesehen. Eher ungewöhnlich für einen Kompaktkreuzer von mehr als neun Meter Rumpflänge sind die beiden großzügig bemessenen Hundekojen achtern, in denen jeweils eine Person ziemlich komfortabel schlafen kann, auch unterwegs und bei Krängung. Man muss jedoch beweglich sein, um problemlos in diese Kojen zu gelangen, weil der Zugang relativ eng ist. Eine bessere Zugänglichkeit bietet die Liegefläche im Vorschiff. Allerdings ist das Platzangebot aufgrund der eher konventionellen Rumpflinien auch vorn eingeschränkt. In Höhe der Schultern beträgt die Breite der Liegefläche gerade mal 1,25 Meter und bei den Füßen 34 Zentimeter. Im Vorschiff schläft also nur eine Person wirklich komfortabel.
Speziell ist das Arrangement im Salon mit zwei recht bequemen Drehsesseln. Diese sind aber nur bei neutraler Schwimmlage wirklich brauchbar. Unterwegs mit Krängung sitzt man besser und mit mehr Halt auf dem Sofa an Steuerbord. Überdies stehen die Sessel trotz massiver Bodenplatten relativ wackelig auf dem GFK-Fundament der Innenschale.
Während die Pointer 30 an Deck und auch im Rumpf mit absolut makellosen Gelcoat-Oberflächen, hochwertigen Beschlägen und einer tadellosen Detailverarbeitung begeistern kann, gibt es bezüglich der Qualität beim Innenausbau noch Nachholbedarf. Bei unserem Testschiff, der Baunummer eins, waren die Ausbaukomponenten noch nicht passgenau zusammengesetzt, und in Teilen wurden unstimmige Spaltmasse mit breiten Sikafugen kaschiert.
Der Grundpreis von 152.340 Euro brutto erscheint im Vergleich zwar gehoben, bleibt aber noch im Rahmen der Konkurrenzfähigkeit. Allerdings sind dabei weder die Segel noch die Motorisierung eingeschlossen. Addiert man die Preise dafür, landet man schnell bei mehr als 180.000 Euro für das segelfertige Gesamtpaket. Das ist viel Geld für ein Boot dieser Größe.
Fazit: Die Pointer 30 leistet viel unter Segeln, macht Spaß und bietet sich für vielerlei Nutzungen an. Mit seinem jüngsten und größten Boot macht die holländische Marke einen guten Schritt nach vorn und schafft es, den Kompromiss auf den Punkt zu treffen.
GFK-Sandwichkonstruktion aufgebaut in Handauflage (Spritzlaminat). Zusammenhängende Bodengruppe aus GFK mit Möbelfundamenten. Gusseisenkiel mit Ballastbombe
Die Segel sind im Lieferumfang nicht inbegriffen. Der Kunde kann zwischen Selbstwendefock und Genua wählen. Der einfache Satz Dacron-Segel (Groß und Fock) kostet 4.850 Euro zusätzlich
* wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!
Jachtwerf Heeg B. V., 8621 Heeg (Holland); www.pointeryachts.com
Nordic Yachting in der Ancora Marina, 23730 Neustadt; www.nordic-yachting.com
Attraktives Crossover-Boot aus Holland mit einem sehr breiten Einsatzspektrum. Die Segeleigenschaften sind überraschend gut. Offener, heller Innenausbau mit speziellem Layout