SeenotWarum die Rettung des in der Karibik gekenterten Deutschen beinahe gescheitert wäre

YACHT Online

 · 10.01.2025

André Engelhardt aus Hooksiel
Foto: A. Engelhardt; #sailingthedeer
Am Montag war Profiskipper Andre Engelhardt aus Hooksiel zusammen mit drei Mitseglern in der Karibik gerettet worden, nachdem ihr Schiff gesunken war. Die YACHT hatte berichtet. Jetzt schildert der 32-Jährige, was passiert ist und warum die Abbergung aus der Rettungsinsel gleich zweimal fast nicht geglückt wäre.

Bericht: Theo Kruse

Marita und Dietmar Engelhardt aus Hooksiel sind überglücklich: Ihr Sohn André kehrte am Donnerstag nach der äußerst glücklichen Rettung aus der Karibischen See nach Europa zurück. Am Flughafen Schiphol bei Amsterdam schlossen sie den Abenteurer in die Arme. Sie hatten inzwischen von der gelungenen Rettung der vier Schiffbrüchigen gehört und konnten nach bangen Stunden etwas gelassener die Rückkehr ihres Weltenbummlers abwarten. Dabei hatte André Engelhardt eine ganze Heerschar von Schutzengeln gehabt, wie sich rückblickend zeigt.

Nur mit ein paar Sachen am Leib gerettet worden

"Wir sind in Shorts und T-Shirts in Curacao angekommen", sagte der Profiskipper. Sein gesamtes Reisegepäck und das seiner drei Mitsegler aus Alaska, England und Schweden sei mit der "Second Wind" auf Tiefe gegangen. Ob eine Bergung des gesunkenen Katamarans überhaupt durchführbar ist, konnte er bei seiner Abreise aus Curacao nicht mehr ermitteln.

"Vom Wassereinbruch bis zum Verlassen unseres Bootes sind vielleicht zehn Minuten vergangen", schildert der Hooksieler Segler, Mitglied der Segelkameradschaft Horumersiel, nach der Rückkehr aus der Karibik das Geschehen. Das Fluchtluk des Steuerbordrumpfes sei herausgebrochen. In die etwa 40 mal 40 Zentimeter große Öffnung seien Unmengen Wasser hereingeströmt und der Katamaran - eine mehrere Jahre alte und in Charter laufende Lagoon 42 - habe sich auf die Seite geneigt.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Kat sollte zur Überholung in eine Werft überführt werden

"Wir haben versucht, das Loch abzudichten, ein Schott davor zu halten, aber der Wasserdruck war zu groß", so der verantwortliche Skipper, der das Charterschiff im Auftrag des Eigners von den British Virgin Islands (BVI) zu den San Blas Inseln vor der Küste Panamas überführen sollte.

Gut die Hälfte des etwa 1.000 Seemeilen langen Törns durch die Karibische See waren geschafft, als sich bei sieben bis acht Windstärken und dreieinhalb Meter Welle das Fluchtluk des Steuerbord-Schwimmers verabschiedete. "Das soll nach meinen Informationen bei den Katamaranen dieses Typs schon öfters passiert sein", so der gelernte Schiffsmechaniker des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes Wilhelmshaven.

Die Crew rettete sich nach der Kenterung des Bootes zunächst auf den kieloben treibenden Katamaran. "Die Rettungsinsel war am Heck des Bootes fixiert. Wir mussten sie in mehreren Tauchgängen losschneiden", schildert der Skipper die Situation.

Notruf wäre um ein Haar als Fake-Anruf abgetan worden

Zum Glück konnte die Besatzung einen Garmin-Notrufsender mit in die Rettungsinsel nehmen. Über Satellit schickte Engelhardt den Notruf in den Äther. Die Meldung lief unter anderem beim Vormann des Horumersieler Seenotbootes "Wolfgang Paul Lorenz" auf. Der hielt den Anruf zunächst für eine Fake-Nachricht, da ihm der ihm unbekannte Name des US-amerikanischen Eigners der “Second Wind” angezeigt wurde. Er gab dann aber doch die Notmeldung weiter an seine Kollegen in der Seenotzentrale Bremen der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger.

Die wiederum verifizierten den Notruf und verständigten die niederländische "Kustwacht Caribikgebied" auf Curacao in den Niederländischen Antillen. Dort veranlassten die Niederländer die Suche nach dem Rettungsfloß per Flugzeug.

Unglücksort hätte nicht weiter entfernt von Land sein dürfen

Bevor die glückliche Rettung final eingeleitet werden konnte, musste zudem noch ein Hubschrauber der "Kustwacht" aufsteigen, um die Schiffbrüchigen aus der Rettungsinsel zu hieven. Das war gerade noch so eben möglich, befand sich der Ort der Havarie doch am Rande des möglichen Einsatzbereiches des Helikopters, rund 150 Seemeilen von Curacao und Aruba entfernt.

"Shorts und ein Messer waren das einzige, was wir mitnehmen konnten", sagt André Engelhardt. Während der fünfstündigen Wartezeit hätten er und seine Mitstreiter kräftig Wasser aus der Rettungsinsel geschöpft.

"Angst hatten wir nicht, denn unser Notruf wurde bereits nach 30 Minuten quittiert. Von da ab wussten wir, dass Hilfe kommen würde”, gibt er sich ganz cool. Aus Curacao seien sie dann nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen abgereist. "Wir waren ja sozusagen illegale Einwanderer und mussten uns erst vorläufige Personalpapiere beschaffen", sagt der Hooksieler, froh über seine Rettung.

Andere spektakuläre Seenotfälle:

André Engelhardt ist als Schiffsmechaniker beim Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Wilhelmshaven tätig und unternimmt in seiner Freizeit weltweit Segeltörns und Yachtüberführungen. Er ist Mitglied der Segelkameradschaft Horumersiel. Erst kurz vor Weihnachten hatte er einen Törn in die Antarktis beendet.

Havarie wegen eines defektes Fluchtluks kein Einzelfall

Der Untergang der “Second Wind” könnte sich einreihen in eine Reihe ähnlicher Unglücke. Schon früher haben Katamarane Wassereinbruch erlitten oder sie sind gar gesunken, weil sich das Glas des Fluchtluks aus dem Rahmen gelöst hatte. Der Hersteller der Luken und auch die Werften, die sie verbaut hatten, warnten schon seit mehreren Jahren vor der Gefahr und riefen Eigner zu Reparatur auf. Viele Kat-Besitzer könnten nach Recherchen der YACHT diesem Aufruf bis heute nicht nachgekommen sein.

Ob auf der “Second Wind” ein betreffendes Luk verbaut war und ob der Eigner seinerzeit dem Aufruf nachgekommen ist, das Luk überprüfen und gegebenenfalls nachbessern zu lassen, ist nicht bekannt.

Geräte, die Leben retten:

Meistgelesen in der Rubrik Special