SeenotSegler im Seegatt aus Lebensgefahr gerettet – veraltete Karten schuld?

Max Gasser

 · 23.04.2024

Die Seenotretter schleppen die havarierte Segelyacht aus dem Seegatt
Foto: Die Seenotretter - DGzRS
Die Seenotretter haben vier britische Segler aus dem Seegatt zwischen Norderney und Juist befreit. Eine Yacht war in der Brandung schwer beschädigt worden und erlitt Wassereinbruch. Der Vorfall könnte auf veraltetes Kartenmaterial zurückzuführen sein

Die Seenotretter der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) mussten am Sonnabend zu einer kritischen Havarie ausrücken. Vier Segler aus Großbritannien waren mit ihrer Segelyacht im Seegatt zwischen den ostfriesischen Inseln Norderney und Juist auf Grund gelaufen. Die Brandung im Schluchter-Fahrwasser beschädigte das Boot so stark, dass es zu Wassereinbruch kam.

Unter schwierigen Bedingungen gelang es den beiden Seenotrettungsbooten “Eugen” (Station Norderney) und “Otto Diersch” (Station Norddeich), eine Leinenverbindung herzustellen und die Segler mit ihrer Yacht aus der lebensbedrohlichen Lage zu befreien. Die Crew blieb unversehrt. Das stark beschädigte Segelboot wurde in den Hafen Norderneys geschleppt und umgehend ausgekrant.

Zu früh abgedreht? – Veraltete Seekarten mögliche Ursache für Havarie

In den sozialen Medien wird über den Vorfall diskutiert, mitunter ist die Rede von veralteten Seekarten als Ursache für den Seenotfall. Das ist bisher nicht bestätigt, aufgrund der Gegebenheiten in Seegatten reichen jedoch meist auch aktuelle Karten für eine sichere Navigation nicht aus.

Die Strömungsrinnen gelten als sehr anspruchsvolles Revier für Segler, nicht selten kommt es zu verheerenden Havarien. Denn unter anderem nach Stürmen können sich Untiefen auch in das Fahrwasser verlagern. In den offiziellen Seekarten sind die Gebiete als „stark veränderlich“ angegeben. Die DGzRS warnt insbesondere vor dem Schluchter-Fahrwasser. Dieses solle “nur von sehr erfahrenen einheimischen Seglern, die sich mit den besonderen Seegangsverhältnissen des Norderneyer Seegatts sehr gut auskennen, befahren werden.”

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Die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) hat für das Befahren von Seegatten folgende Tipps herausgegeben:

  1. Ortsunkundige sollten Seegatten nur nach ortskundiger Beratung befahren.
  2. Jedes Seegatt ist anders. Details sind stets den aktuellen nautischen Veröffentlichungen zu entnehmen.
  3. Seegatten sollten entlang der Betonnung jeweils mit dem Tidenstrom befahren werden.
  4. Vor der seewärtigen Passage eines Gatts ist die Rückkehr zu planen.
  5. Ein Seegatt sollte nicht bei Dunkelheit oder schwierigen Sichtverhältnissen befahren werden.
  6. Jedes Seegatt [gemeint sind hier die betonnten Fahrwasser] sollte bei mäßigem, auflandigem Wind von 3 bis 4 Bft und dem zugehörigen Seegang bei einlaufendem Wasser und mehr als halber Tide befahrbar sein (außer es herrscht hohe Dünung/alle weiteren Hinweise beachten!).
  7. Die Konstellation Strom gegen Wind stets meiden! Ab 5 Bft und mehr ist sie – bedingt durch die Windsee – gefährlich.
  8. Bei auflandigem Starkwind (Windstärke 6) sind nicht mehr alle Seegatten der Ostfriesischen, Westfriesischen und Nordfriesischen Inseln befahrbar. Zumindest ist die Einfahrt riskant.
  9. Die Barre sollte nahe Hochwasser (+/- 2 Stunden) befahren werden.
  10. Bei der seewärtigen Ansteuerung sollte immer zunächst die Ansteuerungstonne angefahren werden (Vorteile: ausreichend Seeraum bis zur Barre; lokalisieren der Fahrwassertonnen, Einschätzung des Seegangs und der Strömung – ggf. Umkehr).
  11. Das durch die Fahrwassertonnen bezeichnete Fahrwasser sollte stets eingehalten werden. Nach Starkwindereignissen sollten im Vorwege Informationen zu der Betonnung eingeholt werden.
  12. Ein Segelboot sollte ein Seegatt unter Segel nur dann bzw. nur so lange unter Segel anlaufen, wie aufgrund der Windrichtung ausreichend Raum nach Lee vorhanden ist, um dem betonnten Fahrwasser unter Berücksichtigung der Strömung zu folgen.
  13. Bei Kursen vor dem Wind möglichst nur unter Vorsegel fahren, um das Risiko von Patenthalsen zu vermeiden und (Ergänzung durch Untersucher) die Luvgierigkeit zu reduzieren.
  14. Ein Motor – falls vorhanden – sollte stets startklar sein oder mitlaufen, um mit diesem das Boot auf Kurs zu halten oder aus der Gefahrensituation zu manövrieren.

Legerwall: Weiterer Seenotfall hält DGzRS auf Trapp

Bereits in der vergangenen Woche kam es in der Lübecker Bucht ebenfalls zu Grundberührungen. In starken auflandigen Winden bis 7 Beaufort war bei der Ansteuerung des Niendorfer Hafens die Maschine einer 9,45 Meter langen Segelyacht ausgefallen.

Die zweiköpfige Besatzung konnte das manövrierunfähige Boot nicht mehr von Land fernhalten. Trotz des auf Anweisung der Seenotretter ausgebrachten Ankers driftete es in Richtung Strand und lief wenige Meter vor der Küste auf Grund. Zwischen der Hafeneinfahrt Niendorf und der Seeschlösschenbrücke wurde es zum Spielball der Brandung. Bei ein bis zwei Meter hohen Wellen setzten die Havaristen immer wieder hart auf.

Ein Schlauchboot der zu Hilfe gekommenen Freiwilligen Feuerwehr Niendorf wurde zum entscheidenden Rettungsmittel. Es brachte im flachen Wasser unmittelbar vor der Küste die Schleppleine und einen Seenotretter zum havarierten Ehepaar. Das Seenotrettungsboot schleppte den Havaristen aus der Brandungszone. Allerdings ließ sich das Ruder nicht mehr bedienen und lag stattdessen hart Backbord. Ein Tochterboot sicherte deshalb den Anhang als Heckschlepper. Im Niendorfer Hafen kümmerten sich die Besatzung eines Rettungswagens und die Polizei um die Geretteten.


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