Tobias Frauen
· 05.05.2023
Ungewöhnliche Rettungsaktion vor der französischen Küste: Eine Segelyacht rief nach Ruderverlust um Hilfe – es kam der Ostindien-Segler “Götheborg”, das größte hochseetaugliche Holzschiff der Welt
„Dieser Moment war sehr seltsam, und wir fragten uns, ob wir träumten. Wo waren wir?” – so beschreibt David Moeneclaey seine Gedanken, als er den riesigen Dreimaster mit blau-gelbem Dekor erblickte. Der Skipper der Segelyacht “Corto” hatte am 25. April im Ärmelkanal sein Ruder verloren und trieb manövrierunfähig vor der französischen Küste. Das Schiff, das am nächsten zum Ort der Havarie war, war die “Götheborg”, ein 47 Meter langer Nachbau eines Ostindien-Seglers aus dem 18. Jahrhundert. Die havarierte Yacht wurde in den Schlepp genommen, bis am folgenden Morgen die französische Küstenwache übernahm.
Einige Tage später trafen sich Retter und Gerettete wieder und tauschten ihre Erlebnisse aus. “Wir haben immer wieder betont, dass wir an Bord eines kleinen 8-Meter-Segelboots sind, aber die Antwort war jedes Mal die gleiche: ‘Wir sind ein 50-Meter-Dreimast-Segelboot und bieten unsere Hilfe an, Sie nach Paimpol zu schleppen’”, beschreibt Skipper David Moeneclaey den Kontakt mit der “Götheborg”. Er sei irritiert gewesen über den Größenunterschied und habe befürchtet, dass seine Yacht bei einem zu großen und schnellen Schiff beim Schlepp beschädigt werden könnte.
“Die ‘Göteborg’ tauchte dann schnell auf der Bildfläche auf, und wir waren überrascht, da wir nicht erwartet hatten, ein Handelsschiff der East India Company aus dem 18. Jahrhundert zu sehen!”, so der Skipper weiter. Seine Befürchtungen erwiesen sich als grundlos, denn das schwedische Schiff passte seine Geschwindigkeit der Yacht und den Wetterbedingungen an. “Wir fühlten uns von sehr professionellen Seglern begleitet. Jede Stunde rief uns der diensthabende Offizier der ‘Götheborg’ an, um sicherzustellen, dass alles gut lief.” Auch am nächsten Tag wartete der Dreimaster so lange neben der “Corto”, bis die französische Küstenwache vor Ort war.
Skipper David Moeneclaey bedankte sich bei den Rettern: “Sehr geehrter Kommandant und Besatzung der ‘Götheborg’, Ihre Freundlichkeit und Großzügigkeit haben gezeigt, dass Ihr Schiff viel mehr als nur ein Boot ist. Es verkörpert die edelsten Werte des Meeres, und wir fühlen uns geehrt, dass wir die Chance hatten, Ihren Weg zu kreuzen und von Ihrer Hilfe zu profitieren!”
Die “Götheborg” ist die 1:1-Nachbildung eines Ostindien-Seglers aus dem 18. Jahrhundert. Als Vorlage diente das Wrack eines 1745 vor Göteborg gesunkenen Schiffes, das 1984 entdeckt wurde. Sie wurde 2005 fertiggestellt, ist 47 Meter lang, 11 Meter breit und hat eine Tonnage von 788 Tonnen. Beim Bau wurden ausschließlich zeitgenössische Methoden, Werkzeuge und Materialien verwendet, gleichzeitig erfüllt das Schiff die modernen Sicherheitsanforderungen. Laut Angaben der Svenska Ostindiska Companiet, der das Schiff gehört, ist es das größte hochseetaugliche Holzschiff der Welt.
Derzeit ist die “Götheborg” auf einer großen Reise in europäischen Gewässern unterwegs. Vom 19. bis zum 23. Mai macht sie in Hamburg fest, bevor sie sich auf den Rückweg zum Heimathafen Göteborg macht. Ihre erste große Reise führte sie 2005 rund um die Welt.