Wassereinbruch auf Segelyachten taucht als Havarieursache in Schadensstatistiken selten auf. Das hat mehrere Gründe: Gelingt der Besatzung die Leckabwehr und erfolgt bei nächster Gelegenheit die Reparatur, so erledigt sich die Angelegenheit quasi von der Öffentlichkeit unbemerkt. Geht hingegen ein Schiff auf Tiefe, sind die Gründe für den Wassereinbruch meist kaum zu rekonstruieren. Oder aber sie sind bekannt, und der Fall wird entsprechend geführt, beispielsweise als Grundberührung oder Kollision. So stieß Ende vergangener Woche eine niederländische Yacht vor Scharhörn mit einer Fahrwassertonne zusammen. Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) konnte das Schiff nur mit starken Pumpen vor dem Sinken bewahren.
Doch auch ohne solch dramatische Auswirkungen gehören Leckagen auf Segelyachten durchaus zum Alltag – kaum ein Segler, der sich nicht schon mal mit ernsthaften Dichtigkeitsproblemen befassen musste. Werden die frühzeitig bemerkt und gelingt es der Crew, sie mit Bordmitteln zu beheben, bleibt ein solches Vorkommnis auch nicht als lebensbedrohlich in Erinnerung. Anders hingegen die echten Notfallszenarien, in denen die Bodenbretter aufschwimmen, ohne dass bekannt ist, woher das Wasser stammt – ein Albtraum für jeden Segler. Und wer nach Berichten über solche Situationen sucht, der wird schnell fündig.
Das alles ist Grund genug, sich zu fragen, wie sich das Schiff bestmöglich vor Wassereinbruch schützen lässt und man sich und seine Crew auf den Ernstfall vorbereiten kann.
Tritt ein Leck auf, sieht sich die Crew in der Regel gleich vor mehrere Probleme gestellt. Das größte ist die hohe Geschwindigkeit, mit der das Wasser sich den Weg ins Schiff bahnt. Meist sind daher schon erhebliche Mengen davon an Bord, wenn die Crew ihre bedrohliche Lage feststellt. Das viele Wasser aber erschwert die Suche, deren Erfolg wiederum darüber entscheidet, ob das Leck noch rechtzeitig bekämpft werden kann.
Während die Crew in diesem Teufelskreis gefangen ist, gilt es, möglichst viel Wasser wieder außenbords zu befördern – und zwar so schnell wie möglich. Herkömmliche Bilgenpumpen geraten da recht bald an ihre Grenzen.
Um sich ein Bild von der eindringenden Menge Wasser machen zu können, stelle man sich einen Borddurchlass für Schläuche mit einem Innendurchmesser von 38 Millimetern vor. Dieses Maß findet sich etwa bei der Plichtentwässerung oder auch am Auslass der Toilette. In einer Tiefe von einem halben Meter strömen durch eine solche Öffnung über 200 Liter Wasser pro Minute ins Schiff. Das ist weit mehr, als die von den Ausrüstern angebotenen 12-Volt-Lenzpumpen mit hoher Förderleistung wieder außenbords schaffen können.
Wer einen Wassereinbruch feststellt, alarmiert umgehend die gesamte Crew. Die sollte mit zugewiesenen Rollen systematisch zusammenarbeiten und das vorher auch schon einmal geübt haben. Als Erstes werden dann alle verfügbaren Pumpen in Gang gesetzt und die Maschine gestartet, sie versorgt die Bordbatterie mit Strom. Je höher der Wasserstand im Schiff steigt, desto wahrscheinlicher wird es, dass sie nicht anspringt, weil die Motorelektrik nass wird. Auch an Deck wird auf die Notsituation reagiert. Die Faustregel lautet: Fahrt aus dem Schiff nehmen! Dadurch wird der Wasserdruck auf den Rumpf minimiert.
Eine Ausnahme von der Regel ist der Fall, wenn offensichtlich eine Kollision mit Treibgut stattgefunden hat und die Yacht sich dabei mit Lage durch die See schob. Dann nämlich kann das Leck mittels einer Wende oder Halse auf dem anderen Bug unter Umständen aus dem Wasser kommen.
Als weitere Sofortmaßnahme alle Seeventile schließen mit Ausnahme derjenigen für die Plichtentwässerung sowie die Kühlwasseransaugung des Motors. Das darf nur in dem Fall verschlossen werden, wenn der Zuleitungsschlauch vom Ventil abgezogen und zum Lenzen in die Bilge geführt wird. Dieses Vorgehen ist allerdings umstritten, da die Fördermenge der Kühlwasserpumpe sehr gering ist, das Risiko für den Motor, dabei zu überhitzen, hingegen sehr groß. Denn je mehr Wasser im Schiff steht, desto mehr schwimmt auch darin herum, und es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass der Kühlwasserschlauch rasch verstopft.
In Salzwasserrevieren kann die Geschmacksprobe als schnell durchzuführende Sofortmaßnahme dabei hilfreich sein, die Situation in den Griff zu bekommen. Ist das Wasser im Schiff nämlich zweifelsfrei süß, kann ein Leck im Rumpf ausgeschlossen werden. Entweder handelt es sich dann um Regenwasser, das durch undichte Stellen im Deck seinen Weg ins Innere gefunden hat, oder die Wassertanks sind ausgelaufen. In der Praxis wird die Geschmacksprobe jedoch selten zu einem eindeutigen Resultat führen, denn selbst Wasser aus dem Trinkwassertank ist nach einer Zeit in der Bilge kaum mehr als solches zu identifizieren.
Die Rettungsleitstelle muss über Position, Gefahrenlage und den Stand der Maßnahmen an Bord informiert werden.
Sowie die Pumpen laufen, muss sorgfältig beobachtet werden, ob und wie sich der Wasserstand im Schiff verändert. Doch je mehr Wasser im Schiff steht, desto schwieriger ist das, weil der Wasserdruck von außen abnimmt und das Wasser daher mit der Zeit langsamer eindringt. Außerdem ist in einem kleinen Raum wie der Bilge leichter zu sehen, ob der Pegel steigt, als im überfluteten Salon. Schließlich ist als Sofortmaßnahme auch die Rettungsleitstelle über Position, Gefahrenlage und den Stand der Maßnahmen an Bord zu benachrichtigen.
Parallel zu den Sofortmaßnahmen beginnt die systematische Lecksuche. Im Vorschiff, mittschiffs und achtern werden zunächst die neuralgischen Stellen überprüft. Das sind neben den Kielbolzen sämtliche Borddurchlässe. Hilfreich ist es, wenn ein in Folie laminierter Plan an Bord ist, in dem die Stellen verzeichnet sind.
Ruderkoker, Stopfbuchse, Saildrive-Manschette, sämtliche Geber für die Bordelektronik oder durch den Rumpf gebolzte Erdungsplatten können Stellen sein, an denen Alterungsprozesse zu Verschleiß geführt haben. Der kann irgendwann zu erheblichen Undichtigkeiten führen. Auch Blitzschlag ist als Ursache für Undichtigkeiten an solchen Stellen möglich.
Sollte der Wassereinbruch hinter einem Seeventil stattgefunden haben, etwa im Schlauchsystem des Sanitärbereichs, ist er nun, da die Ventile geschlossen wurden, nicht ohne Weiteres zu entdecken. Der Motor ist mit Abgas- und Kühlsystem ebenfalls anfällig für Leckagen. Schläuche oder metallische Rohrleitungen, an denen der Zahn der Zeit genagt hat, können unvermittelt brechen und der See Zutritt ins Bootsinnere verschaffen.
Regelmäßig wird davon berichtet, dass zur Lecksuche Teile des Ausbaus demontiert werden mussten. Das kann so weit gehen, dass Innenschalen aufgesägt, Wegerungen entfernt oder Einbauten zerlegt werden müssen. Da im Zweifel Minuten über Erfolg und Misserfolg entscheiden, hat die besten Karten, wer mit schwerem Gerät zur Tat schreiten kann. Axt, Kuhfuß und Bügelsäge sind hilfreiche Werkzeuge.
Ging dem Wassereinbruch eine Kollision mit einem anderen Boot oder einem treibenden Gegenstand oder aber eine Grundberührung voraus, weiß die Crew in der Regel schon, wo in etwa sie nach dem Leck zu suchen hat.
Mitunter treten Lecks aber auch aus Gründen auf, mit denen an Bord niemand rechnet. Etwa, wenn sich im Sturm und Seegang der Anker unbemerkt aus seiner Halterung löst und an der Kette hin und her schlagend den Rumpf malträtiert.
Ist das Leck gefunden, die Crew informieren und den nächstbesten Gegenstand oder auch irgendein Körperteil dagegen drücken. Da der Wasserdruck relativ gering ist, sind dafür keine großen Anstrengungen nötig. Einen Meter unter Wasser beträgt er lediglich 0,1 Bar. Zum Vergleich: Ein Schlauchboot wird mit 0,25 bis 0,3 Bar aufgepumpt.
Ist der Wassereinbruch gestoppt oder zumindest auf ein Minimum reduziert, und sind die Lenzeinrichtungen in Betrieb, kann die Besatzung in der Regel aufatmen. Der Wasserstand im Schiff wird in der Folge beständig sinken, und die größte Herausforderung in dieser Situation, der Wettlauf gegen die Zeit, ist bereits gewonnen.
Danach kann man sich daranmachen, das Leck bis zum nächsten Hafen zuverlässig abzudichten. Am einfachsten geschieht das von innen, nachdem der Rumpf vorher von außen mit einer Kollisionsmatte provisorisch gegen das auf ihn drückende Wasser abgesperrt wurde. Das Prinzip folgt dem klassischen Lecksegel, als Material kann aber auch eine Kunststoffplane dienen, an der durch Ösen, Laschen oder Befestigungsclips Tauwerk befestigt wird, um sie in Position zu bringen.
Zu diesem Ergebnis jedenfalls kamen die Experten des britischen Segelmagazins „Yachting Monthly“, nachdem sie 2010 verschiedene Versuche mit einer 40-Fuß-Serienyacht aus den achtziger Jahren unternahmen, die mit einem künstlichen Leck versehen war. Die Crash-Tester gingen mit dem, was an Bord zu finden war, ans Werk.
Das Kapitel „Untergang“ in dem Buch „Das Crashtest-Boot“ – in dem die Yacht unter anderem strandet, brennt und explodiert – endet mit dem Fazit, dass eine richtig positionierte Dämmschichtfolie, wie sie schon für 20 Euro zu haben ist, ein Leck beinahe vollständig abdichtet. Vorausgesetzt – und das ist wichtig –, das Schiff macht keine Fahrt durchs Wasser.
Die einfache Erklärung dafür ist der Wasserdruck. Die Folie wird von der Besatzung über dem Leck in Position gebracht, der Druck erledige den Rest. Die Handhabung eines Lecksegels allerdings, so ebenfalls eine Erkenntnis der Aktion, sei nicht einfach und sollte daher geübt werden.
Wie das Leck bestmöglich verschlossen wird, hängt von den Umständen, der Ausrüstung und nicht zuletzt von Fantasie und Geschick der Crew ab.
Der nächste Schritt ist, im Bootsinneren die Fläche um das Leck herum freizulegen. Erneut kann es vonnöten sein, Säge oder Axt anzusetzen. Wie und womit die Öffnung bestmöglich verschlossen wird, hängt von den Umständen, der Ausrüstung und nicht zuletzt von Fantasie und Geschick der Crew ab; einen Königsweg gibt es nicht. Und der Crash-Test hat gezeigt, dass auch unter den handelsüblichen Ausrüstungsgegenständen keiner ist, der als Standard-Lösung taugt.
Der Idealfall wäre, mit unter Wasser aushärtendem Epoxid ein hinreichend festes Laminat von innen aufzubringen. Wahrscheinlicher ist es, dass eine großflächige Abdichtung mit einem selbst hergestellten Leckstempel und Keilen gelingt. Auch dabei wird die Crew froh sein, nach Axt und Säge greifen zu können, denn es wird der Ausbau als Material herhalten müssen, falls nicht Vierkanthölzer, Bretter und Keile an Bord mitgeführt sein sollten.
Auch wenn dem Szenario des Wassereinbruchs das Klischee von höherer Gewalt anhaftet: Eigner, Schiffsführung und Besatzung können schon im Vorfeld dazu beitragen, dass es gar nicht erst zum Ernstfall kommt. Oder aber, falls es doch passiert, dass er frühzeitig erkannt und schnell und wirksam bekämpft werden kann. Das beginnt mit einer intensiven Sicherheitseinweisung vor dem Auslaufen. Anschließend sollten die Crewmitglieder wissen, wo sich Borddurchbrüche befinden, wo die Ausrüstung für Notfälle verstaut ist und wie sie bedient wird. Auch der Umgang mit Pumpen und Lecksegel sollte bei dieser Gelegenheit trainiert werden.
Im Ernstfall ist entscheidend, dass jeder an Bord weiß, was er zu tun hat
Neben der Übung im Umgang mit Leckfolie, Werkzeugen und Dichtungsmaterial ist im Ernstfall entscheidend, dass jeder an Bord weiß, was er zu tun hat. Festgelegte Notrollen helfen dabei, sie sollten gemeinsam erarbeitet, schriftlich fixiert und regelmäßig durchgespielt werden. Darüber hinaus lohnt die Teilnahme an einem Sicherheitslehrgang, der auch ein praktisches Leckabwehrtraining umfasst.
Entscheidend ist zudem der Zustand der Yacht. „Wassereinbruch kommt meist auf älteren Schiffen vor. Er hat häufig mit Verschleiß zu tun, meist im Bereich der wasserführenden Armaturen“, sagt Holger Flindt, Leiter der Schadensabteilung bei Deutschlands größtem Yachtversicherungsvermittler Pantaenius. Das bedeutet, dass alles, was einem Seeventil folgt, der regelmäßigen Begutachtung anheimfallen sollte. Schläuche härten mit der Zeit aus und werden rissig oder porös, knicken ab, Schlauchschellen korrodieren oder rütteln sich los.
Doch auch Serienyachten jüngeren Datums seien nicht gefeit. Im Gegenteil: „Leider werden in der Serienproduktion häufig Borddurchlässe und Seeventile aus Messing verbaut“, sagt Flindt. „Messing und Seewasser sind aber Materialien, die nicht zueinander passen.“ Bereits 2012 wurde in der YACHT davor gewarnt: „Einfaches Messing, eine goldgelbliche Legierung aus Kupfer und Zink, entzinkt im Salzwasser mit der Zeit. Entweicht Zink – nach dem gleichen Prinzip, nach dem eine Opferanode aus dem Material abnutzt –, bleibt ein rötlicher, poröser Kupferschwamm übrig, der kaum mechanische Festigkeit besitzt.“ Unter Belastung, etwa beim Öffnen oder Schließen, kommt es dann zum Bruch. „Aber seit es die CE-Richtlinie gibt, gilt nur noch, dass wasserführende Armaturen fünf Jahre halten müssen. Und das tun diese auch“, sagt Flindt.
Zum Zustand des Bootes zählt nicht nur der Wartungszustand; auch die unfachmännische Installation seewasserführender Systeme kann den unerwünschten Wassereintritt begünstigen. Es ist ratsam, alles, was an die Seeventile angeschlossen ist, regelmäßig kritisch zu prüfen. Sind Schwanenhälse, Rückschlagventile, Entlüftungen dort, wo sie nötig oder gar vorgeschrieben sind? Sind die Schlauchlängen in Ordnung und die Schläuche mit versetzten, doppelten Schlauchklemmen befestigt? Sitzt der Wassersammler der Antriebsmaschine tief genug?
Auch wenn es banal klingt, selbst eine saubere Bilge hilft im Notfall. Einmal, weil die Geschmacksproben dann eindeutiger ausfallen, und zum zweiten, weil Pumpen nicht verstopfen. Selbstverständlich muss die Bilge rasch geöffnet werden können. Fest verschraubte Bodenbretter etwa werden im Notfall zum ernsthaften Problem.
Die richtige Ausrüstung kann im Fall einer Leckage ebenfalls entscheidend sein. Neben einer manuellen und bordnetzbetriebenen Bilgenpumpe ist auch ein fest installierter Wassermelder zu empfehlen. Der schlägt frühzeitig Alarm, wenn sich größere Mengen Wasser in der Bilge sammeln.
Eine Möglichkeit, das Lenzsystem zu erweitern, ist die Installation einer förderstarken Impellerpumpe. Die wird bei laufendem Motor von dessen Welle angetrieben. Unter dem Namen Emergency Pump ist ferner eine portable, mechanische Doppelhub-Membranpumpe auf dem Markt, die laut Angaben des Herstellers Edson gut 300 Liter pro Minute fördert.
Empfohlen wird, an sämtlichen Borddurchbrüchen passende Weichholzstopfen zu befestigen, damit sie im Notfall schnell zur Hand sind. Eine scharfe Axt, ein Brecheisen, ein schwerer Hammer und eine gute Säge sollten an Bord einer seegehenden Yacht sein, außerdem weitere Leckstopfen und Keile. Was darüber hinaus zur Sicherheit mitgeführt wird, ist eine persönliche Entscheidung.
In mehreren Tests als gut funktionierend erwiesen haben sich Dichtungsmassen wie Leak Hero und Notfall-Sets mit unter Wasser aushärtendem Epoxid. Gleich, wofür man sich entscheidet, stets sollte sich die Crew damit vertraut machen, was sich für die Leckabwehr an Bord befindet, wo sie verstaut ist und wie sie gehandhabt wird.