Andreas Fritsch
· 25.02.2023
Glenn Ashby hat mit dem Landsegler „Horonuku“ eine neue Bestleistung aufgestellt. Der Profisegler erzählt von der Rekordfahrt, dem kurzen Weg dahin und was das Team New Zealand daraus lernen kann
Es war eine Geduldsprobe zum neuen Rekord. Monatelang warteten der Australier Glenn Ashby und das Emirates Team New Zealand darauf, dass es endlich trocken wurde. Denn der australische Salzsee Lake Gairdner war nicht die erhoffte knochentrockene Salzwüste, sondern versank im Regen des nassesten Winters in Australien seit Jahrzehnten. Er bildete eine Matschwüste statt einer idealen, kilometerweiten Spielwiese für den dreibeinigen Renner, den das Team in der Pause bis zum nächsten America’s Cup (AC) nebenbei gebaut hatte, um den schon seit 13 Jahren bestehenden Landsegel-Speedrekord von 202,9 Stundenkilometern zu brechen.
Im Dezember war es dann so weit: Nach langem Warten zog „Horonuku“, Maori für „sanft über das Land gleiten“, seine ersten Bahnen mit einer Salz-Staubfahne statt Gischt am Heck. Laut Reglement muss der Untergrund natürlich sein, es darf keine asphaltierte Piste genutzt werden. Salzseen sind ideal dafür. Und schon nach wenigen Testläufen gelingt dem 14 Meter langen und acht Meter breiten Gefährt der Rekord: Mit sechsfacher Windgeschwindigkeit rast der Australier zur neuen Bestmarke, die er um 20 auf 222,43 Kilometer pro Stunde erhöht.
Die YACHT hatte kurz danach Gelegenheit, mit dem neuen Rekordhalter Glenn Ashby zu sprechen, der schon wieder in den AC-Vorbereitungen des Teams der Neuseeländer steckt.
Glenn Ashby: Das wollte ich eigentlich schon als Sechs- oder Siebenjähriger tun. Ich bin in Australien in Victoria aufgewachsen, sozusagen im Hinterland. Ich lernte segeln auf einem See, aber manchmal fiel der trocken, weil er ein Wasserreservoir für Farmer war. Ende des Sommers war er oft leer. Dann haben meine Freunde und ich die Trolleys der Boote mit den Riggs unserer Jollen ausgerüstet und wir sind an Land gesegelt. Als wir etwa zehn oder elf waren, bauten wir dann größere und schnellere Wagen. Wir waren damals beeindruckt, wie schnell wir damit wurden! So entstand der Traum, später einmal den Rekord zu knacken.
Beim Start ist das Boot wirklich superlahm. Der Wing ist sehr, sehr klein, er ist dafür optimiert, bei über 200 Stundenkilometern zu funktionieren. Bis dahin ist er zu klein, ab etwa 250 ist er dann wieder zu groß. Das Boot wiegt über 2.500 Kilogramm, wir benötigen daher an die 20 Knoten Wind, damit „Horonuku“ sich überhaupt beginnt zu bewegen. Normalerweise brauche ich vier bis fünf Minuten, um über 100 Stundenkilometer zu kommen. Aber erst einmal in Fahrt, ist es wie ein Zug, und der Wing produziert immer mehr Power, ab 120, 130 geht es gut vorwärts. Zwischen 160 und 200 Stundenkilometern erwacht das Gefährt so richtig zum Leben. Ab 200 kann man das Foil schließlich kaum noch trimmen, dann mache ich das durch das Steuern.
Da sind noch die Fußpedale. Das linke ist ein Bremspedal, das brauche ich nur, um anzuhalten. Das rechte Pedal ist sozusagen das Gaspedal. Damit bediene ich die Hydraulikpumpe, die die Anstellwinkel des Flügelprofils bewegt. Über die beiden Paddles am Lenkrad kann ich den Druck wieder ablassen. Das ist wie bei den Landeklappen an einem Flugzeug: Zum Beschleunigen benötigt der Wingmast mehr Profil, und je schneller ich werde, umso flacher stelle ich sie, damit der Widerstand kleiner wird.
Zuerst eigentlich 90 Grad zum Wind, also halbwinds. Das ist die Startposition. Und wenn wir schneller werden, drehe ich langsam etwas vom Wind ab, um Speed aufzubauen. Wenn da nicht mehr viel passiert, falle ich weit ab. In diesem Moment, der etwa 30 Sekunden dauert, ist der Speed am höchsten.
Das ist schon eine Menge, so etwa sieben bis acht Kilometer Raum brauchen wir. Ich fahre an das eine Ende der Strecke, halse bei etwa 115 Kilometer Speed, und das lässt mir danach zirka zwei Kilometer Raum, um Speed aufzubauen. Wir legen dann pro Sekunde 65 Meter zurück, da wird der Runway schnell kurz!
Ich sehe nur einen kleinen Streifen des Horizonts. Man kann die Flaggen sehen, Autos.
Die Wind- und Rollgeräusche werden immer stärker, bei knapp 200 Stundenkilometern wird es schließlich ganz schön laut, und die Vibrationen und die Schläge von der Strecke sind heftig. Du musst dann richtig viel mit der Lenkung und den Paddles arbeiten, damit du auf Kurs bleibst. Zum Glück gibt es keine Bäume oder Hindernisse.
Ich habe mich eigentlich sehr sicher gefühlt. Das Cockpit ist nach Formel-1-Standards entwickelt, eine sehr stabile Carbon-Kapsel, in der ich mit Gurten befestigt bin. Ich glaube, „Horonuku“ ist viel sicherer als alle Segelfahrzeuge, auf denen ich in meinem Leben so gesegelt bin. AC75, SailGP, Motte, alles viel gefährlicher!
Segelboote sind ja viel leichter als unser Fahrzeug, das wiegt fast 2,8 Tonnen. Das macht an Land wegen der geringen Rollreibung aber nicht so viel aus. Doch in den Böen fahren wir auch gut 50 bis 100 Meter nach Lee! Das sieht man in den Videos gar nicht! Wir haben acht bis zehn Grad Rutschwinkel. Deshalb muss ich auch so viel korrigieren mit dem Lenkrad. Die Belastung auf die Struktur zur Seite ist zudem viel höher als die vorwärts. Der Flügel nimmt etwa 1,5 Tonnen Seitenlast auf und nur 250 Kilogramm Vortrieb.
Das ist das Kontergewicht. Es balanciert den Wing aus, besonders wenn dieser durch die Böen nach Lee verformt wird. Vorn ist etwas Blei in der Spitze, um das Profil zu beruhigen.
Wir haben natürlich mit dem Emirates Team New Zealand ein großartiges Team im Rücken gehabt. Die Designer und Ingenieure sind wirklich clevere Jungs. Wir haben schon einige Dinge zerbrochen bei den Testfahrten, da haben wir viel gelernt. Strukturell stehen wir aber ziemlich gut da. Der vorherige Rekordhalter Richard Jenkins hat über die Jahre allein enorm viel geleistet. Er hatte aber auch einen anderen Ansatz, sein „Greenbird“ war viel leichter. Er hatte ebenfalls viele schnelle Versuche, lag immer nur knapp darunter. Ich habe schon großes Glück gehabt, dass ETNZ an dem Projekt interessiert war. Die Jungs hatten echt Spaß – war mal was Neues!
Ich will noch einen Lauf versuchen, und wir sind gerade sozusagen auf Standby. Wir brauchen einen wirklich windigen Tag, das Zeitfenster geht ungefähr bis Ende Februar.
Beim Rekord hatten wir sehr böige Bedingungen, es wehte von 14 bis 27 Knoten, die Richtung drehte stark. Das war sehr schwierig, der Durchschnitt lag bei 22 Knoten. Ich glaube, wenn ich 27 Knoten relativ konstant hätte, wäre das fantastisch, dann könnten wir noch etwas schneller sein. Aber die Oberfläche des Sees, das Salz, muss dafür perfekt sein. Es muss vieles passen.
Ich denke, 250 Kilometer pro Stunde wären machbar, danach ist der Flügel einfach zu groß.
Nicht so extrem wie im Wasser, aber aerodynamisch schon. Der Windwiderstand ist dann bei mehr Speed irgendwann das Problem. Wird der Flügel noch kleiner, damit er weniger Widerstand hat, muss er trotzdem noch das Fahrzeug ohne Hilfe von außen in Fahrt bringen, so wollen es die Regeln für den Rekord. (Man darf nicht anschleppen, d. Red.)
Ja, das können wir, denn wir mussten alle unsere Komfortzone des Bekannten verlassen, es mussten neue Werkzeuge für die Computerberechnungen benutzt und neue Ideen entwickelt werden. Einer der großen Pluspunkte des Projektes war, dass wir uns mit vielen Fachleuten unterhalten haben, die wir vorher gar nicht kannten. Die verfügen über Wissen in Bereichen, in denen wir nicht so zu Hause sind. Wir haben da gute Ingenieure und neue Maschinen kennengelernt, die uns helfen können, Teile und Berechnungen für den America’s Cup zu machen. Die Spin-offs sind größer als gedacht!
Viele Segler mögen sich fragen, wie es eigentlich einem Fahrzeug gelingen kann, die mehrfache Windgeschwindigkeit zu segeln. Die Lösung ist das Zusammenspiel aus wahrem Wind, Fahrtwind und dem daraus resultierenden scheinbaren Wind sowie dem Profil des Segels. Durch die unterschiedlich langen Strecken entlang des Segelprofils wird der Wind auf der einen Seite auf mehr als die wahre Windgeschwindigkeit beschleunigt.
Auf diese Weise entsteht Unterdruck, der das Rigg und Boot in diese Richtung zieht (Venturi-Effekt). Bietet das Fahrzeug im Wasser oder an Land sehr wenig Reibungswiderstand, beschleunigt es so auf etwas über Windgeschwindigkeit. Der Fahrtwind kommt hinzu und die Resultierende aus Fahrtwind und wahrem Wind fällt vorlicher ein und ist in der Summe etwas stärker als letzterer. Das Gefährt beschleunigt weiter, der Fahrtwind wird mehr, der scheinbare Wind ebenfalls.
Ab diesem Effekt kreiert das Segel sozusagen seinen eigenen Wind, weil die Resultierende durch den zunehmenden Fahrtwind weiter steigt. Das gelingt so lange, bis der Widerstand im Wasser oder der Räder an Land und der Windwiderstand des Fahrzeuges größer sind als die Kraft, die zieht. America’s-Cupper kommen so auf etwa zwei- und dreifache, Landfahrzeuge oder Eissegler sogar auf fünf- bis sechsfache Windgeschwindigkeit.