Angst an BordZu dieser Bewältigungsstrategie rät die Therapeutin

Steffi von Wolff

 · 21.03.2025

Angst an Bord: Zu dieser Bewältigungsstrategie rät die TherapeutinFoto: YACHT/N. Krauss
Horrorszenario. Zu viel Angst kann bei der aktiven Hilfe schädlich sein.
Verhaltenstherapeutin Gaby Theile konnte schon einigen Seglern mit Angst helfen. Im Gespräch verrät die Psychologin, wie man diesem Gefühl sinnvoll begegnen kann.

Welche typischen Reaktionsweisen löst Angst aus?

Es gibt drei davon: Flucht, Kampf oder Erstarren, was dem Totstellreflex einiger Tiere ähnelt. Auf Angst als sinnvolles Warnsignal erfolgt somit eine evolutionär in uns angelegte Überlebensreaktion des Körpers, nämlich den Organismus in die Lage maximaler körperlicher Leistungsfähigkeit für Flucht oder Kampf zu versetzen.

Kurz und knapp erklärt: Wie entsteht eigentlich Angst?

Angst ist ein komplexes Geschehen, bei dem vielfältige Einflussfaktoren innerhalb von Millisekunden vom Gehirn analysiert und verarbeitet werden. Dabei besteht ein enger Zusammenhang zwischen innerer Anspannung und Angsterleben: Je höher unser Stresspegel, desto höher ist die Angstbereitschaft, also desto schneller erleben wir die Angst.

Was hilft gegen Angst?

Es gibt viele Situationen, die Angst auslösen, und Angst lässt sich nicht hundertprozentig ausschalten: Das können nur Medikamente kurzfristig. Aber: Es wäre gar nicht sinnvoll, keine Angstfähigkeit mehr zu haben – im Gegenteil, es wäre sogar gefährlich, weil Warnfunktionen verloren gingen.

Zur Situation an Bord: Wie sollte sich der verantwort­liche Skipper seiner Crew gegenüber verhalten?

Der Skipper sollte für mich persönlich – nach meinen individuellen Kriterien – vertrauenswürdig, zuverlässig sowie gut ausgebildet sein, was eine gute Materialqualität von Boot und Segeln einschließt. Er sollte die Schwächen und Stärken der Crewmitglieder kennen und vorab Gespräche führen, beispielsweise über eventuelle kritische Situationen und den Umgang damit. Eine gute, gemeinsame Planung bietet die besten Voraussetzungen für eine gelungene gemeinsame Performance ohne Angst. Und genau darum geht es beim Segeln!


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Die Angst kommt – welche Reaktion ist sinnvoll?

Erstellen Sie eine Liste mit angstauslösenden Situationen – was ist am schlimmsten, am zweitschlimmsten und so fort. Dabei kann es nützlich sein, etwa mithilfe eines Ampelsystems herauszufinden, was meine persönlichen ersten Anzeichen von aufkommender Angst sind. So schreibt man in einer Spaltentechnik bei Grün alle Gedanken, Verhaltensweisen, Gefühle und Körperreaktionen auf, die anzeigen, dass es mir rundum gut geht. Bei Gelb achte ich sensibel auf die ersten Angstanzeichen, die mich von Grün zu Gelb bringen, mir also anzeigen, dass ich mich nicht mehr ganz wohl fühle. Hier kann ich mir dann wie ein Feuerwehrmann, der „Trockenübungen“ macht, gezielt überlegen, was ich tun könnte, um in einer konkreten, Angst auslösenden Situation wieder in den grünen Bereich zurückzukommen, es also gar nicht soweit kommen lasse, dass ich mich im roten Stressbereich befinde.

Gibt es Therapieangebote zum Thema Angst?

Natürlich. Zunächst muss man die natürliche und damit gesunde Angst von einer Angststörung unterscheiden. Wenn man das abgeklärt hat, sollte einem bewusst sein, dass das Behandlungsziel nie die völlige Angstfreiheit sein wird oder sein kann, sondern lediglich, dass der Angstpatient wieder das Steuer übernimmt und den Kurs bestimmt! Bildlich gesprochen segelt die Angst lebenslang weiterhin mit: Man bekommt sie nie von Bord, aber man kann erreichen, dass sie sich gelangweilt in eine Ecke auf dem Boot zurückzieht und vielleicht sogar einschläft, während die Crew in der gleichen Situation fröhlich ihren Kurs segelt.

Gaby Theile

Die psychologische Psychotherapeutin für klinische Verhaltenstherapie ist selber aktive Seglerin mit weit über 10.000 Seemeilen im Kielwasser.Foto: Leon SchulzDie psychologische Psychotherapeutin für klinische Verhaltenstherapie ist selber aktive Seglerin mit weit über 10.000 Seemeilen im Kielwasser.

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