Klassiker-TörnSegeln bei Sturm – über die Nordsee bis nach Portugal

YACHT-Redaktion

 · 27.03.2023

Mit allen Wassern gewaschen. Der „Peter von Seestermühe“ in unruhiger See. Das Schiff kann schweres Wetter ab
Foto: H. Steinbrinker

Im Herbst über Nordsee, Ärmelkanal und Biskaya zu segeln ist eine Herausforderung. Erst recht an Bord eines Klassikers. Reportage über einen spannenden Kojenchartertörn

Der Kellner strahlt übers ganze Gesicht. „Voici vos entrées!“ Bestens gelaunt serviert uns Jérôme frische Meeresfrüchte zur Vorspeise. Wir sind angekommen: nach sechs Tagen der erste Landgang in Roscoff im Norden der Bretagne. Chablis im Glas und fantastisch zubereiteter Fisch auf dem Teller heben im „Les Arcades“ unsere Stimmung. Selbst Skipper Christoph freut sich. Eigentlich hatte er an Bord essen wollen. Das Meer und sein Schiff reichen ihm, um glücklich zu sein. Jetzt aber genießt er den Wolfsbarsch an Zitronenbutter. Als die Tarte Tatin zum Dessert kredenzt wird, sind wir schon im „Weißt du noch?“-Modus.

Zeit für Erinnerungen. An die Nordsee, an Sturm, Regen und Kälte. An miteinander erlebte Situationen, zusammen bewältigte Aufgaben, gemeinsam Überstandenes. An Momente voller Anspannung, Anstrengung und Aufregung.

Zum Beginn der Reise im kleinen Yachthafen Seestermühe an der Krückaumündung nördlich von Hamburg ist schlechtes Wetter vorhergesagt. Um anderntags tidenunabhängig früh auslaufen zu können, verlegen wir das Schiff noch rasch in den nahen Hafen von Glückstadt. Heinz trifft die Crew erst später in der „Logger-Kombüse“ bei Matjes und Bier. Der Schiffsarzt hatte vom Bodensee die längste Anreise.

Mit einer bunt gemischten Crew segeln

Zum Überführungstörn nach Lissabon ist ein bunter Haufen zusammengekommen. Paul, der IT-ler aus Hamburg, hat die Geschäftsführung für drei Monate einer Kollegin übertragen. Er segelt mit dem „Peter von Seestermühe“ bis in die Karibik. Philip aus Oslo hat als Bootsmann auf dem 1936 in Danzig gebauten Zweimaster angeheuert. Mindestens bis zu den Kanaren. Jochen gönnt sich sechs Wochen Auszeit von seiner Kanzlei in Frankfurt. Dort erwartet Henning bereits in 14 Tagen wieder sein Schreibtisch bei einer Bank. Er heuert in Baiona ab. Auch Frieder aus Wuppertal kann seine Schreinerei nicht länger allein lassen. Pensionär Maarten hingegen hat Zeit. Der Amsterdamer freut sich auf die dreiwöchige Seereise nach Portugal.

Beim Ablegen drängt Christoph zur Eile. Noch vor Aufkommen des Schlechtwetters will er die Elbmündung verlassen und möglichst bald raus aus der Deutschen Bucht. „Wir haben keine Kaffeefahrt vor uns!“, so seine Ansage.

Wiederholer tun sich leichter bei der Arbeit an Deck. Jochen war bereits im Sommer als Kojencharterer auf Törn nach Bergen an Bord. Frieder fährt seit 20 Jahren regelmäßig auf dem von allen nur liebevoll „Peter“ genannten Stahlschiff. Er führt Wache 1 an. Es heißt anpacken. Denn: „Wir sind ja nicht auf Kaffeefahrt!“ Jeder muss sich einbringen, nicht nur an Deck, sondern auch bei der Backschaft. Immer zwei Mann sind verantwortlich, dass auch unter Deck der Laden läuft. „Gute Verpflegung und frisches Essen sind ein hohes Gut“, lautet das Credo des Chefs.

Unter dem Wachplan findet sich –  nicht minder wichtig – die Einteilung der Crew für die BackschaftFoto: H. Klausmann
Unter dem Wachplan findet sich – nicht minder wichtig – die Einteilung der Crew für die Backschaft

Als es heller wird, passieren wir die Atomkraftwerke von Brokdorf und Brunsbüttel. Keine Idylle, sondern Realität. Die Realität an Bord wird auch bald klar. „Wo kommt denn die Fähre da drüben her?“ – „Vom anderen Ufer!“ Norddeutscher Wortwitz. Bordsprache: geradeheraus. Der Skipper macht es vor. Seine Ansagen sind klar, verbindlich, entschieden.

Der Wind steht günstig. Zeit, Segel zu setzen. Die Novizen an Bord zaudern. Alles funktioniert tadellos. Nur: wie? Die achtmal umgelenkte Großschot wird aus der Hand gefahren und vor dem Kartenhaus an Deck belegt. Der Klüver wird mit Stagreitern am Vorstag angeschlagen. Ober- und Unterbackstagen wollen bedient werden. Und das zügig. Das Kommando „Klüver auf!“ ist noch nicht verhallt, da erschallt vom Ruder der Ruf: „Heute noch!“ Motto des Tages: „Wir machen hier Seefahrt!“

Das weitere Teambuilding umfasst die Einweisung in Rettungsmittel, Navigation und Kommunikation sowie Verhalten im Notfall. Wichtig und mit viel Geduld vom Skipper erläutert. Das gibt Sicherheit – ein gutes Gefühl. Das braucht es auch. Gegen Abend frischt es auf. Wir laufen hoch am Wind vor Langeoog, als die Vorbereitungen auf eine stürmische Nacht beginnen. Das Trysegel wird vorbereitet, das Dingi fest verlascht, das kleinere Vorsegel gehisst.

Kräfte für die erste Nacht an Bord sammeln

Im gemütlichen Salon servieren Frieder und Jochen derweil das Abendessen. Frisch zubereitet, selbstverständlich. Es gilt, Kräfte für die erste Nacht auf See zu sammeln. Die gerät kalt und nass. Wir segeln an der Windkante. Dauerregen und immer wieder über den flachen Bug kommende Wellen machen die erste Wache zur Prüfung. Frieder holt nach der Wende bis zum Knie im Wasser stehend die Klüverschot dicht. Knochenarbeit. Sehnsucht nach dem Wachwechsel um Mitternacht. Erschöpft zieht sich Wache 1 in die engen Kojen zurück. Es bleiben nicht einmal vier Stunden zur Erholung. Die kurzen, unberechenbaren Wellen der flachen Nordsee schütteln die Crew gehörig durch. Bei ordentlich Lage verzögern etliche Stürze das An- und Auskleiden zum Wachwechsel um vier Uhr in der Früh. Es wird mühsam.

Auf gutes Essen wird auch bei rauem Wetter nicht verzichtetFoto: H. Steinbrinker
Auf gutes Essen wird auch bei rauem Wetter nicht verzichtet

Frieder hält seine Wache zusammen. Er erzählt von Erlebnissen auf dem „Peter“. 12 Beaufort in der Biskaya hat er schon mit Christoph erlebt. Das verbindet. Und macht uns Neuen Mut. Ingwertee und ein Riegel Schokolade helfen durch die dunkle Nacht. Keine Zeit für Fotos von brodelnder See, stampfendem Schiff und leidenden Kameraden. Jetzt ist Segeln. Segeln am Anschlag.

„Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen. Hier bekomme ich den Kopf frei. Schon als Junge habe ich davon geträumt.“ Während das Boot durch die raue See stampft, erzählt Frieder, wie er sich als Jugendlicher auf englischen Traditionsseglern „den Schliff“ geholt hat. Die Fähigkeit, auch bei widrigsten Bedingungen auf dem Meer zu bestehen. So wie jetzt. Um acht Uhr dann übernimmt Henning mit Wache 2. Die Nordsee tobt weiter.

Wachendes Auge beim Segeln

Als Christoph von Reibnitz 1991 den „Peter“ vom Akademischen Seglerverein Kiel übernahm, hatte das Schiff bereits mehrere Weltumrundungen hinter sich, war aber in miserablem Zustand. Der damals 25-jährige Neueigner verwandelte die Yawl mit einigem Aufwand zurück in ein verlässliches Boot mit traditionellem Stil und bescheidenem Komfort. Beim Segeln ist er parat, wenn er gebraucht wird. Schwierige Manöver unterstützt er, wenn erforderlich. Er hat das Wetter im Blick und stets auch ein Auge auf seine Crew. Als der Doktor wegen Seekrankheit ausfällt, lässt er ihn ruhen.

„Es war, als hätte man mir den Stecker gezogen. Keine Kraft mehr. Stattdessen Müdigkeit. Nicht einmal so sehr Übelkeit“, berichtet Heinz bei der Meldung zum Dienst nach zwei verpassten Wachen. Henning bringt Salzstangen. Das hilft. Den Blick auf den Horizont gerichtet, hört Heinz seinen Wohltäter von eigenen Erfahrungen mit der Seekrankheit berichten. „Gehört wohl irgendwie dazu“, meint auch Frieder. Der alte Fahrensmann wird erst seit einigen Jahren meist zu Beginn seiner Törns vom Elend gepackt. „Ich hatte anfangs auch schwer zu kämpfen. Das gibt sich nach ein paar Tagen. Dann ist für den Rest der Reise das Thema durch“, spendet er Trost. „Übernimm nach dem Wachwechsel das Steuer!“, ist sein Rat. Ein guter Tipp.

Hindernisse auf hoher See

Konzentration ist gefordert, als sich der „Peter“ den ersten Windrädern von East Anglia One vor der südostenglischen Küste nähert. In kabbeliger See kreuzen wir an ihnen entlang. Zweifellos sind solche Windparks wichtig für die Energieversorgung. Allerdings erschweren sie die Navigation zusätzlich. Als wären die etlichen Ölbohrinseln nicht schon genug Hindernisse.

Unser Zweimaster nähert sich der Straße von Dover beziehungsweise dem Pas de Calais. Egal in welcher Sprache mahnt der Name der Meeresenge den Segler zur Ehrfurcht. An ihrer engsten Stelle zwischen Cap Gris-Nez in Gallien und Folkestone in Britannien misst sie gerade einmal 19,1 Seemeilen. Bei Niedrigwasser sind es nur 17 Seemeilen von den Wellenbrechern vor Dover bis zum Kap. Etwa 400 Schiffe passieren täglich dieses Nadelöhr.

Im Kartenhaus planen Christoph und die Wachführer den Kurs durch die nahenden Untiefen. Es gilt, sich von dem Verkehrstrennungsgebiet an Backbord freizuhalten. Steuerbords lauern die Goodwin Sands, eine Kette der Küste vorgelagerter Sandbänke. Alle 15 Sekunden weiße Blitze voraus. Der Kurs liegt an. Bei steifer Brise und halbem Wind genießt Heinz die Ansteuerung aufs Feuerschiff „East Goodwin“. Als Philip übernimmt, weisen die Lateraltonnen von SE Goodwin und S Goodwin mit rotem Blitzfeuer den Weg. An Backbord ziehen die Lichter der Ozeanriesen im „Dover Strait Traffic Separation Scheme“ vorbei. Was für eine Kulisse! Dennoch keine Zeit für Segelromantik. Heinz und Maarten sind zur Backschaft eingeteilt. Eine kurze Mütze Schlaf muss reichen. Die Kreidefelsen von Dover werden nur die Jungs von Wache 2 sehen. Wir sind ja nicht auf Kaffeefahrt!

Wo nur anfangen?“, fragt sich Maarten bei Dienstantritt um sieben Uhr in der Früh. Von Kenntnissen im Haushalt so weit entfernt wie Donald Trump vom guten Benehmen, wird er zu seinem Glück wegen einer Sturzverletzung am Arm vom Dienst befreit. Also bleibt der Doc allein als Backschafter. „Wie alles finden?“ Im Bauch des Schiffs sind Vorräte für Wochen gestaut.

Keine Kompromisse während des Törns

„Auf See wird frisch gekocht und ordentlich gegessen!“ Der Skipper duldet keine Kompromisse. Die Einarbeitung durch den Chef persönlich steht unter dem Motto „Zweimal erklären ist einmal zu viel.“ Christoph ist tolerant. Egal, wer das Frühstück zubereitet, Hauptsache, das Ei von seinen eigenen Hühnern ist hart gekocht. Sehr hart. Kaffee aufbrühen, Wurst und Käse aufschneiden, Tee kochen, das Vollkornbrot in acht Millimeter dünne Scheiben schneiden, Frieders Müsli, Jochens Nutella, Heinz’ Orangensaft, Pauls weich gekochtes Ei, Philips Marmelade und Maartens alten Gouda auf dem großen Holztisch im Salon zu präsentieren gerät bei gefühlt 35 Grad Schräglage im Ärmelkanal zur Kunst. Die gute Stimmung beim gemeinsamen Frühstück entschädigt für den Aufwand.

Es ist gut gegangen. Das kochende Wasser auf dem kardanisch aufgehängten Herd blieb im Topf. Schwamm drüber. Ran an den Abwasch. Die nächste Herausforderung. Frischwasser ist limitiert. So gerät die Reinigung des Geschirrs zum Balanceakt zwischen Hygiene und Sparzwang. Auch das will gelernt sein. Endlich ist alles verräumt. Zeit, an Deck Luft zu holen. An Steuerbord bilden die Seven Sisters, die Kreidefelsen zwischen Eastbourne und Seaford an der englischen Südküste, den Hintergrund für Fotos einer glücklichen Crew. Jochen und Henning genießen im Cockpit die Fahrt unter Vollzeug. Entspannung ist angesagt. Wir sind auf Segelreise.

Absprache zwischen Doktor und Skipper beim Segeln

Entspannung macht allerdings nachlässig. „Doktor, schnell, Paul hat sich den Daumen gequetscht!“ Versorgung mit Bordmitteln, Kühlung, Verband. Paul wird seine Reise fortsetzen können. Anders sieht es bei Maarten aus. Der beim Sturz verletzte Ellenbogen hat sich entzündet. Er schwillt an. Doktor und Skipper müssen reden. Maarten mit über die Biskaya zu nehmen erscheint riskant. Heinz berät, der Skipper entscheidet. Morgen legen wir in Roscoff an. Maarten benötigt intensive Behandlung und wird von Bord gehen.

Jochen springt als Backschafter ein. Er wird bei ruhiger werdender See zum Dinner Lammkeule servieren. Einschränkung vom Skipper: „Essensausgabe nur an Geduschte!“ Seit der Elbmündung gab es keine Gelegenheit zur ausgedehnten Körperpflege. Mit der Zeit wird dies riech- und ruchbar. Henning macht den Anfang. Auf dem Achterdeck ergießt sich salziges Wasser über seinen Kopf. Pütz für Pütz. Vorbild für den Rest der Truppe.

Ein Blick auf den Plotter zeigt uns später die Besonderheiten des Ärmelkanals. Bei fünf Knoten Fahrt durchs Wasser ist unsere Geschwindigkeit über Grund null – lokale Tidenströme. Die Kanalinseln Alderney, Guernsey und Jersey bleiben wie festgenagelt an Backbord. Wir kommen nicht voran. Erst als die Tide kippt, ändert sich unsere Position nachhaltig. Dann schläft der Wind ein. Wir motoren durch sternklare Nacht.

Halt in Roscoff

Roscoff empfängt uns in der Bloscon Marina mit wunderbaren Duschen. Während sich unsere Kleidung in großen Waschmaschinen vom Schweiß der Reise befreit, genießen wir den Duft von frischen Croissants und Café au lait. Warme Sonnenstrahlen laden zur Erkundung des Botanischen Gartens auf der Klippe hoch über dem Yachthafen ein. Von dort oben reicht der Blick bis weit über die Bucht von Morlaix mit ihren Austernbänken. Beim Altstadtbummel sind die Fischerboote im Hafen trockengefallen. Pétanque-Spieler verleihen dem Dorf bretonisches Flair.

Etappenstopp: Roscoff
Foto: H. Klausmann

Ein gutes Wetterfenster ruft zum Aufbruch. Als Wind und Welle beim Kreuzen gegen strammen West aufeinandertreffen, spritzt Gischt ins Cockpit. Noch im Tageslicht erkennen wir in der Ferne die Granitinsel Ouessant. Nur etwa 800 Einwohner trotzen auf dem westlichsten Vorposten Frankreichs dem stürmischen Wetter. Der Phare du Créac’h leitet uns mit seiner gewaltigen Tragweite von 32 Seemeilen sicher um die Westspitze des Eilands. Als Wache 1 in der Nacht nordwestlich der Insel die letzte von unzähligen Wenden fährt, liegen auf dem Weg nach Galicien 340 Seemeilen Biskaya vor uns. Die wird ihrem Ruf gerecht: 7 Beaufort aus Südwest drücken die 30 Tonnen schwere Yacht mal eben auf die Seite. Das Großsegel wird geborgen. Unter Klüver, Fock und Besan stampft der „Peter“ nun mit siebeneinhalb Knoten Fahrt durch schwere See.

Showtime im Vorschiff beim Segeln bei stürmischer See

Im Vorschiff ist Showtime. Nicht einfach, in die obere Koje zu klettern. Selbst das Liegen gerät zum Sport. Permanent wollen die Schiffsbewegungen ausgeglichen sein.

Der Wind dreht gegen Abend. Wir laufen mit ausgebaumtem Klüver und Bullenstander am Groß auf Kurs 215 Grad. Am nächsten Morgen hat Christoph, der immer ausreichend Nationale als Ersatz mitführt, den Salon mit drei Flaggen geschmückt. Es ist der 3. Oktober. Halbwind und ruhige See lassen Feiertagsstimmung aufkommen. Umso mehr, als bei herrlicher Sonne der Spi gesetzt ist.

„Die Biskaya als Freizeitrevier“, geht es Heinz durch den Kopf, während er am Steuer lange das Vorliek des mächtigen Tuchs vor dem Einfallen bewahrt. Den Festtag wertet der Skipper mit 0,1 Liter Rotwein pro Kopf zum Lammbraten auf. Beim abendlichen Skat entfahren ihm die Worte: „Gesteuert hast du heute besser als jetzt ausgeteilt.“ Der Ritterschlag?

Halt in Cedeira

Wir gehen in der Bucht von Cedeira vor Anker. Sie bewahrt uns vor dem Starkwind aus Südwest am Kap Finisterre an der Nordwestspitze Spaniens. An Galiciens Küste ist noch Sommer. Auf das morgendliche Bad im Meer folgt der Landgang. Straßencafés und kleine Bars laden zum Verweilen ein. In der beschaulichen Stadt findet Backschafter Paul alles zur Ergänzung der Vorräte.

Etappenstopp: CedeiraFoto: H. Klausmann
Etappenstopp: Cedeira

Am nächsten Nachmittag heißt es „Anker auf“ unter Segeln. Wir kreuzen bei leichtem, drehendem Wind aus der engen Bucht heraus. Kein einfaches Unterfangen. Es braucht Geduld – aber keinen Motor. Im Vertrauen auf Schiff und Crew übernimmt der Skipper kurz vor den Felsen in Lee das Kommando: „Ruder hart Steuerbord“, „Klüver klar zum Fallen“, „Fahrt aufnehmen“, „Klüver fällt“, „Das Ruder hart Backbord“, „Heiß auf den Klüver“, „Zehn Grad abfallen“. Eine Wende später sind wir auf Kurs offene See. „Was ist das für ein geiles Boot?“, murmelt Christoph auf dem Weg ins Kartenhaus. Recht hat er.

Die mittelalterliche Festung von Baiona thront über der Einfahrt zum Monte Real Yacht Club de Yates. Bei der Ansteuerung nach herrlicher Nachtfahrt auf dem Atlantik erstrahlen bald die schönen Sandstrände am Fuß des Burgbergs. Ausgedehnte Steganlagen teilen die Bucht unter dem Monte Real. Antonio fängt unsere Leinen und macht fest. Der Hafenmeister hat uns einen ruhigen Platz im Außenbereich reserviert.

Etappenstopp: BaionaFoto: H. Klausmann
Etappenstopp: Baiona

Kaum haben wir den Anlegeschluck genommen, zieht es die Backschafter Paul und Jochen zur Proviantierung in die Altstadt. In den engen Gassen pulsiert das Leben. Geflieste Fassaden verleihen dem Ortskern besonderen Charme. Die Auslagen der Konditoreien, Metzgereien und Bäckereien laden zum Schlemmen ein. Fröhliche Gäste füllen die Terrassen der Bars und Cafés. Auch in der Nachsaison ist Baiona beliebt. Unsere Crew feiert die Ankunft mit einem Festmahl im „El Patio“. Anschließend klingt der Abend im ehrwürdigen Clubhaus bei einem Gläschen Alvarinho aus, dem für die Region typischen fruchtigen Weißwein. „Klarschiff“ und Crewwechsel liegen hinter uns, als wir gen Süden aufbrechen.

Ausblick über Viana do Castelo

Feiner Nieselregen begleitet jenseits der Grenze das Einlaufen in den Hafen von Viana do Castelo. Beim Besuch der hübschen Fußgängerzone mit ihren Lokalen, Kiosken und Geschäften zeigt die Hafenstadt ihr schönstes Gesicht. Das Heiligtum der Santa Luzia lohnt den Besuch. Die Standseilbahn zur 1959 eingeweihten Kirche auf dem Hügel hoch über der Altstadt ist außer Betrieb. Der schweißtreibende Aufstieg über nicht enden wollende Treppen wird mit einem atemberaubenden Ausblick auf die Stadt und den Atlantik belohnt.

Etappenstopp: Viana do CasteloFoto: H. Klausmann
Etappenstopp: Viana do Castelo

Zwei Tagesreisen liegen noch vor uns. Zeit für kleinere Reparaturen an Deck. Philip erledigt Wartungsarbeiten. Ein echter Bootsmann. Die lange Atlantikdünung gehört fortan zur Szenerie. „Was für eine Landschaft!“, schwärmt Alex, der Neue an Bord, als der „Peter“ in klarer Vollmondnacht auf raumem Kurs dem Ziel entgegenstrebt. Das Schiff rollt, die nächtliche einsame Weite des Ozeans nimmt gefangen.

So könnte es weitergehen. Doch viel zu schnell erreichen wir die Mündung des Rio Tejo, legen wir an in Cascais. Hier, vor den Toren Lissabons, mischt sich der Charme alter Herrenhäuser mit modernen Touristeneinrichtungen. Die wunderbaren Strände sind auch im Oktober noch überaus gut besucht.

Heinz und Jochen gehen hier von Bord, nach drei Wochen gemeinsamen Segelns, Erlebens und Genießens. Der stete Wechsel der Bedingungen von Wetter, See und Landschaft hat sie angestrengt, mitunter leiden lassen, aber vor allem: fasziniert. Bei Tapas und kühlem Vinho Verde stimmen sie zum Abschied überein: „Das war wahrlich keine Kaffeefahrt!“

Törnroute | Grafik: YACHT
Törnroute | Grafik: YACHT

Die Etappenstopps auf dem Weg gen Süden beim Segeln

Roscoff

Der Ort war schon im 19. Jahrhundert wegen seines milden Meeresklimas ein Zentrum der Thalassotherapie. Sehenswert sind der auf einer Klippe gelegene Botanische Garten, das Maria -Stuart-Haus, in dem die schottische Königin fünf Jahre gelebt haben soll, sowie das Meeresinstitut samt Forschungsaquarium. Reizvoll sind Wattwanderungen in der Baie de Morlaix sowie in Richtung Île de Batz.

Etappenstoff: RoscoffFoto: H. Klausmann
Etappenstoff: Roscoff

Cascais

Prächtige alte Herrenhäuser prägen das Stadtbild ebenso wie die Festung über dem Hafen. Urlauber kommen aber vor allem wegen der herrlichen Sandstrände bis in den Herbst nach Cascais. Sehenswert ist der Parque Marechal Carmona mit altem Baumbestand, vielen Brunnen und eigenwilligen Skulpturen. Imposant ist am Stadtrand das Naturschauspiel am Boca do Inferno: Bei Flut prallen dort die Wellen des Atlantiks auf die Klippen. Die Gischt wird durch senkrechte Felsschlote weit nach oben geschleudert. Die Marina von Cascais ist groß, sie hat 650 Liegeplätze. Zum Besuch von Lissabon ist die Fahrt mit dem Zug entlang der Küste und dem Ufer des Rio Tejo ein Highlight.

Etappenstopp: CascaisFoto: H. Klausmann
Etappenstopp: Cascais

Cedeira

Bereits bei der Einfahrt in die Ría de Cedeira, der nach der Stadt benannten ausgedehnten Bucht, fallen der 1.400 Meter lange Hauptstrand Praia da Madalena sowie eine Reihe kleinerer Strände ins Auge. Einige von ihnen sind ausschließlich zu Fuß oder per Boot erreichbar. Der Ankergrund im östlichen Teil der durch die vorgelagerte Halbinsel in alle Richtungen windgeschützten Bucht ist gut. Nach Anlanden mit dem Dingi erreicht man in einem halbstündigen Fußmarsch den Ortskern. Das kleinstädtische Leben spielt sich rund um die Praza Roxa ab. Hier finden sich Einkaufsmöglichkeiten sowie Bars, Cafés und Restaurants. Zu Ausflügen lädt die eine Autostunde entfernte Hafenstadt La Coruña ein. Der dortige Herkulesturm weist Seeleuten seit der Zeit des römischen Kaisers Trajan (um 110 n. Chr.) den Weg. Im Museo de Belas Artes sind unter anderem Werke des spanischen Malers Francisco de Goya zu sehen.

Etappenstopp: CedeiraFoto: H. Steinbrinker
Etappenstopp: Cedeira

Viana do Castelo

Die von Industrie und Fischerei geprägte Stadt wurde 1258 an der Mündung des Rio Lima gegründet. Unweit von Porto gelegen, ist sie aber auch für Touristen attraktiv. Strände wie die Praia do Cabedelo, die Praia de Afife oder der Arda Beach ziehen Badegäste, Surfer und Kiter an. Lohnend ist ein Aufstieg auf den Monte de Santa Luzia. Hinauf geht es entweder mit dem Auto, per Standseilbahn oder in einem anstrengenden Fußmarsch. Auf dem höchsten Punkt thront die erst 1959 eröffnete Basílica de Santa Luzia. Yachten können an Schwimmstegen in unmittelbarer Nähe der Altstadt anlegen. Sanitäre Anlagen oder andere Infrastruktur gibt es dort jedoch nicht. Wer mehr Komfort und Versorgungsmöglichkeiten sucht, sollte die Marina flussaufwärts unterhalb der Straßenund Eisenbahnbrücke ansteuern.

Etappenstopp: Viana do CasteloFoto: H. Klausmann
Etappenstopp: Viana do Castelo

Baiona

Historische Bedeutung erlangte die galicische Hafenstadt 1493, als die Karavelle „Pinta“ nach Teilnahme an der ersten Amerikareise des Christoph Kolumbus hier anlandete. Hoch über der Stadt zeugt die mittelalterliche Festung auf dem Monte Real von der Wehrhaftigkeit Baionas in früherer Zeit. Sie beherbergt heute das „Parador de Baiona“, ein Nobelhotel. Die Marina liegt geschützt zu Füßen der Festung. Von dort ist man zu Fuß schnell in der pittoresken Altstadt. Tagsüber herrscht in den engen Gassen geschäftiger Trubel. Abends ziehen viele Tapasbars und Restaurants mit ihren auch im Oktober noch geöffneten Terrassen Touristen und Einheimische gleichermaßen an.

Etappenstopp: BaionaFoto: H. Klausmann
Etappenstopp: Baiona

Heinz Klausmann


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