Tatjana Pokorny
· 21.03.2023
Langeweile kommt auf der Königsetappe im Ocean Race nicht auf. Mehr als ein Dutzend Führungswechsel haben die vergangenen beiden Tage geprägt. Am Morgen des 21. März lag Boris Herrmanns Team Malizia vorn
Nach schwachwindigem Wochenende kommen die vier Imocas im Ocean Race in den südlichen Breiten des Pazifischen Ozeans endlich wieder etwas schneller voran. Das galt am Morgen des 21. März vor allem für Team Malizia. Die Crew um Boris Herrmann war am Vorabend in Führung gegangen. Es war der 13. Führungswechsel in nur zwei Tagen. Das hat es so bei einem Ocean Race an der Eisgrenze im Südmeer noch nicht gegeben.
Boris Herrmann kommentierte den spannenden Kampf um das beste Ergebnis auf Kurs Kap Hoorn so: “Wir sind nach 8.000 Seemeilen enger beieinander als 45 Minuten nach dem Start eines Hafenrennens.” Am Dienstagmorgen segelten die Teams etwa beim 49. Breitengrad Süd mit Geschwindigkeiten um 15 bis 20 Knoten nach Osten. Lediglich Team Holcim – PRB war in dritter Position hinter dem Team 11th Hour Racing noch etwas südlicher unterwegs. Team Malizia war zuletzt über 24 Stunden auf eine Durchschnittsgeschwindigkeit von etwas mehr als 18 Knoten gekommen. Noch immer nur 4,9 Seemeilen die gesamte Flotte!
Vor Team Malizia hatte Kevin Escoffiers Team Holcim – PRB wieder eine Weile in Führung gelegen. Warum die nicht gehalten hat, erklärte er so: “Wir sind ziemlich schnell. Ich denke, wenn wir nahe an den anderen Booten sind, ist die Geschwindigkeit in Ordnung. Aber jedes Mal, wenn wir schnell werden und uns von den anderen entfernen, kommen sie mit Wind von hinten wieder zurück.”
Das enge Miteinander beim Gegeneinander hilft den Crews auch beim Studieren und Optimieren der eigenen Konfigurationen. Tam Malizias Navigator Nico Lunven sagte: “Die Flotte ist so dicht beisammen, dass wir die anderen Boote gut beobachten können, um zu sehen, ob wir schneller oder langsamer, höher oder tiefer als die anderen segeln.” Die Schweizerin Justine Mettraux vom Team 11th Hour Racing fasste die Situation so zusammen: “Es ist wie ein kompletter Neustart. Es wird interessant. In den nächsten Tagen wird viel auf dem Spiel stehen.”
Als “verrückt” bezeichnete ihr Skipper Charlie Enright das aktuelle Szenario zu Beginn der vierten Woche auf See. “Trotz der Tatsache, dass diese Boote hier (neben uns) sind, versuchen wir nur, unser Rennen zu fahren und nicht unsere Philosophie zu ändern. Wir haben noch ein ganzes Stück des Rennens vor uns. Besonders für Kap Hoorn wissen wir, dass es dort harte Bedingungen geben wird. Wir wollen das Boot also wirklich in einem Stück bewahren. Dann sehen wir weiter.”
Die langfristige Vorhersage sieht für die Annäherung an Kap Hoorn am kommenden Wochenende eher typische Südpolarmeer-Bedingungen vor, als sie in den vergangenen Tagen herrschten. Die Flotte wird der legendären Landmarke recht nahe kommen, denn die Wettfahrtleitung hat die Eisgrenze aufgrund von ungewöhnlich nördlichen Eissichtungen weit nach Norden hochgezogen. Dennoch wird die Kap-Hoorn-Passage die Flotte zwingen, bis zu 57 Grad nach Süden abzufallen.
Die jüngsten Prognosen sehen für den “Gipfelsturm” der Mammut-Etappe sehr starke Westwinde und einen damit einhergehenden Seegang von über sechs Metern vorher. Kap Hoorn könnte einmal mehr zur harten Bewährungsprobe für Boote und Teams geraten, denen dann schon 10.000 Seemeilen in Rümpfen und Leibern stecken. Ist Kap Hoorn gemeistert, werden die Teams nach links abbiegen und Itajaí in Brasilien ansteuern.
Ganz anders stellt sich das Leben auf See im Team Guyot Environnement – Team Europe dar. Der Berliner Phillip Kasüske ist Teil der Überführungscrew auf dem Kurs von Kapstadt nach Itajaí. Nach der erfolgreichen Reparatur des Rumpfschadens ist die Mannschaft in westlicher Richtung unterwegs in den nächsten Etappenhafen, wo sie zu Etappe vier wieder ins Ocean Race einsteigen will.
An Bord von “Guyot” sind die fünf Akteure manchmal einen ganzen Tag wachfrei. Phillip Kasüske erzählt: “In ein paar Stunden wird Seb (Red.: Navigator Sébastien Simon, der auf der Überführung als Skipper agiert) für einen Tag freihaben. Das bedeutet einen Tag Ferien für ihn. Da muss er nicht auf Wache. Ich habe an meinem freien Tag die meiste Zeit geschlafen. Ich glaube, ich habe 16 Stunden geschlafen. Ich war supermüde, als ich kurz vor Beginn der Überführung hier ankam und direkt ins Wachsystem eingestiegen bin. Jetzt sind meine Batterien wieder voll aufgeladen. Ich freue mich schon auf meine nächsten Ferien in drei Tagen.”
Das Guyot-Team macht das Beste aus seiner Situation. Sébastien Simon, Phillip Kasüske, die Techniker Jimmy Le Baut, Clovis Gautier und An-Bord-Reporter Charles Drapeau treiben ihr Boot schnellstmöglich an, um in Itajaí eine maximal lange Vorbereitung für Etappe vier zu haben, die am 23. April startet. Vor ihnen liegt dann die 5.550 Seemeilen lange Etappe nach Newport in den USA.
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.