YACHT-Redaktion
· 28.03.2024
Die YACHT stellte die “Tümmler” 1929 unter dem Titel “20-m²-Jollenkreuzer für Professor Albert Einstein” vor:
Von drei Inhabern der Berliner Handelsgesellschaft erhielt der Schiffbau-Ingenieur Adolf Harms den ehrenvollen Auftrag, ein Boot zu entwerfen, welches dem berühmten Gelehrten Albert Einstein als Geschenk zu dessen fünfzigsten Geburtstag zugedacht war. Man einigte sich auf einen Jollenkreuzer mit Hilfsmotor und möglichst kleiner Segelfläche bei außerdem geforderter leichter Bedienbarkeit ohne jede Anstrengung.
Aus diesen Voraussetzungen entstand der nebenstehend dargestellte Entwurf (siehe Bildergalerie, Anm. d. Red.), der auf der Werft von Berkholz & Gärsch unter Aufsicht des Konstrukteurs entstand und im Sommer zur vollsten Zufriedenheit an Albert Einstein abgeliefert wurde. Verlangt wurde, daß der Motor, der mit Anlasser und Lichtmaschine versehen sein sollte, im Boot so wenig als möglich in die Erscheinung treten sollte. Aus diesem Grunde wurde vom Konstrukteur ein etwas größerer Freibord vorgeschlagen, der es gestattete, den Fußboden in der Plicht so hoch zu legen, daß der Motor vollkommen darunter liegenkonnte; gleichzeitig konnte dadurch der Kajütaufbau verhältnismäßig niedrig gehalten werden.
Entgegen der ursprünglichen Einrichtung wurde der Jollenkreuzer mit einem Toilettenraum versehen, dessen Anordnung aus dem Deckblatt hervorgeht. Dafür mußte allerdings ein zu Anfang vorgesehenes Buffet wegfallen; es wurde durch ein kleineres Gläserbord und ein Bord für 3 Shagpfeifen ersetzt. Zu der Einrichtung, die im wesentlichen aus den Zeichnungen hervorgeht, sei bemerkt, daß die beiden Schränke unter dem Seitendeck an Backbord und Steuerbord für die Unterbringung von Tassen, Tellern usw. für 4 Personen ausgebaut wurden. Alles erforderliche Geschirr, Aufwaschschüsseln, Bürsten, Lederlappen usw. wurde mitgeliefert, damit das Boot auch wirklich vollständig gebrauchsfertig war. Der Raum unter dem Achterdeck ist verschließbar und dient als Stauraum für Fender, Eimer, Reservebenzinkanne und dergleichen mehr.
In der Kajüte ist an Backbord eine Anrichte eingebaut, in welcher ein Spirituskocher mit Zinkblechwanne so angeordnet ist, daß er nach Verschieben der oberen Platte der Anrichte zum Vorschein kommt und gebrauchsfähig ist und im Nichtgebrauchsfalle gar nicht zu sehen ist. Der Motor, ein 2-Zylinder-Zweitakt-5/6-PS-F.Z., wurde so einmontiert, daß er vollkommen feuersicher ist, was dadurch erreicht wurde, daß er ringsum abgeschottet wurde. Die Schottwände wurden mit Asbest und Blech verkleidet, so daß der Benzintank, der an Backbord daneben angeordnet wurde, vollkommen davon getrennt ist.
Die Lichtmaschine und der Anlaßmotor befinden sich mit in dem Motorenraum. Der Motor ist sehr leicht nach Entfernen der Bodenbretter, die von unten auch feuersicher sind, zugänglich. Der Hebel für die umsteuerbare Schraube, die in Segelstellung gestellt werden kann, ist abnehmbar, so daß er beim Segeln vollkommen verschwindet, der erforderliche Schlitz wird durch eine Messingplatte geschlossen. Die Bodenbretter sind so ausgeführt, daß der Motor bei Regenwetter nicht naß werden kann. Der Motor hat sich bei der Überführung von Osten nach dem Westen sehr gut bewährt, er lief wie eine Nähmaschine.
Die Kajüte enthält zwei bequeme Schlafplätze mit blauen Bezügen, die in der Farbe zum Mahagoni der Inneneinrichtung sehr gut passen. Das Kajütdach besteht aus zwei Lagen Holz, mit dazwischen gelegter wasserdichter Leinewand. Die untere Lage ist Ahorn, das im Verein mit den dreifach verleimten Mahagoni-Decksbalken eine gute Farbenzusammenstellung ergibt. Die obere Lage ist Mahagoni-Natur. An Backbord ist ein geräumiger Kleiderschrank vorhanden, neben dem sich im Aufbau ein kleiner Schrank befindet, der zur Aufnahme von abnehmbaren elektrischen Positionslampen dient. Das Boot hat sich bei jedem Wind von etwa 0 bis 10 m/Sek. unter Vollzeug gut bewährt und läuft trotz seines, für die Segel großen Gewichtes auch bei Flaute ausgezeichnet.
Es war ein besonderer Wunsch von Professor Albert Einstein, daß Hochtakelung genommen wurde. Um das Legen des Mastes zu erleichtern, sind einmal die Mastbacken so hoch angebracht, daß der Baum an diesen drehbar befestigt werden. konnte und außerdem wurde hierdurch erreicht, daß das in den Mastbacken befindliche untere Ende des Mastes etwa 1,15 m lang werden und am untersten Ende ein dem Gewicht des Mastes entsprechendes Bleigewicht angebracht werden konnte. So wurde erzielt, daß der Mast sehr leicht gelegt werden kann.
Einstein soll das Leben am Wasser genossen haben und schrieb im Herbst 1929 in einem Brief an den Konstrukteur zufrieden: “Das Boot hat meine höchste Anerkennung und auch die aller, die mit ihm gefahren sind. Es vereinigt große Stabilität mit verhältnismäßig großer Beweglichkeit und Bequemlichkeit für die Bedienung.“
Doch nach der nationalsozialistischen Machtergreifung änderte sich alles. Einstein, der jüdischer Abstammung war, befand sich 1933 in Amerika und gab seinen deutschen Pass wenig später zurück. Sein Besitz, einschließlich des Jollenkreuzers, wurde zweifach beschlagnahmt, einmal vom preußischen Staat und dann von der Gestapo. Einstein versuchte noch ohne Erfolg, sein Schiff zu retten. Da die Polizeibehörden jedoch keine Verwendungsmöglichkeit finden konnten, wurde der Jollenkreuzer im Februar 1934 per Annonce in der “Potsdamer Tageszeitung” wieder verkauft.
Während Einsteins Freunde, die Bankiers Henry Goldman, Otto Jeidels und Siegfried Bieber, laut Einsteins Cousine und zweiter Ehefrau Elsa Einstein noch 15.000 Mark aufbringen mussten, erwarb der Zahnarzt Dr. Wilhelm Fiebig das Boot gebraucht für 1.300 Reichsmark.
Was danach passierte, ist nicht bekannt. Die Geschichte des Jollenkreuzers “Tümmler” endet hier. Als Einstein Jahre später aus Amerika nach dem Verbleib des Bootes fragte, führten die Nachforschungen zu keinem Ergebnis. Während Einstein dem Segeln in den USA die Treue hielt, bleibt das Schicksal des Bootes bis heute ungeklärt.