InterviewMit der Luffe ins Eis Grönlands

Fabian Boerger

 · 06.01.2025

Im August 2024 erreichten Jonathan Spaeth und seine Crew mit ihrer Luffe 40 den Prinz-Christian-Sund. Dort trafen sie das erste Mal auf Eis.
Foto: Jonathan Spaeth
Schon zum zweiten Mal zog es Jonathan Spaeth nach Grönland – dieses Mal mit sportlichem Untersatz.

Oftmals ist das Schöne dem Unwirtlichen so nah. Am Tage ruft die imposante Erscheinung eines Eisbergs Gefühle der Ehrfurcht hervor. In der Nacht lässt der Anblick die Nachtwache aus Sorge vor einer Kollision erstarren. Dieser Kontrast hat eine eigene Magie inne, eine, die auch Jonathan Spaeth, 33, fasziniert.

2014/15 segelte er das erste Mal mit einer Albin Ballad nach Grönland. Nun zog es ihn erneut dorthin, wo Eisberge, Wale und ungezähmte Natur das Bild prägen. Und erneut war der Weg beschwerlich. Doch das eisige Naturspektakel belohnte manch Strapaze der Überfahrt.

Herr Spaeth, in neun Wochen sind Sie mit wechselnder Crew einmal bis nach Nuuk und zurück gesegelt. Warum ausgerechnet Grönland?

Weil es das schönste Land der Welt ist.

Gleichzeitig ist die Überfahrt mühsam. Stürme und meterhohe Wellen sind keine Seltenheit. Ist das für Segler nicht abschreckend?

Nein, finde ich nicht. Klar, es ist nicht immer angenehm. Aber es macht auch 90 Prozent der Zeit großen Spaß. Die letzten zehn Jahre habe ich meiner Frau in den Ohren gelegen, dass ich wieder nach Grönland will. Es hat etwas, das verzaubert. Es sich selbst zu beweisen und den Elementen zu trotzen. Das ist etwas, das man im normalen Büroalltag nicht findet.

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Mitte Juli 2024 sind Sie in Brunsbüttel gestartet. Wie haben Sie sich auf Ihrer Reise gen Norden vorgearbeitet?

Wir sind zunächst bis nach Helgoland und von dort weiter in Richtung Nordschottland gesegelt. Die Bedingungen waren anfangs supermild. Die Hälfte der Zeit waren wir mit Gennaker oder Code Zero unterwegs. Und wir haben relativ viel den Motor genutzt, einfach um unter sechs Knoten Wind unsere fünf Knoten Fahrt zu halten. Sonst wäre es mit unserem Zeitplan schwierig geworden.

Nach vier Tagen sind wir auf den Orkneyinseln angekommen. Schottland haben wir komplett übersprungen und so ein wenig Zeit gespart. Dann haben wir unsere Vorräte aufgefüllt, kleine Reparaturen gemacht und sind nach zwei Tagen des Nachts wieder aufgebrochen. Das war traumhaft: Der Vollmond strahlte über uns und das ganze Meer war hell.

Das heißt, Sie haben ab den Orkneys schon vom polaren Sommer profitiert?

Ja, nördlich von Schottland beginnt es, dass es nachts nicht mehr ganz dunkel wird.

Eineinhalb Tage haben wir dann zu den Färöer-Inseln gebraucht. Dort wiederholte sich das Prozedere: bunkern, reparieren, vorbereiten – und weiter in Richtung Island. Allerdings machten uns hier die Tiefdruckgebiete erstmals einen Strich durch die Rechnung.

Inwiefern?

Statt wie geplant im Süden zu segeln, sind wir die Nordküste entlang. Diese Route war zwar länger, bot uns allerdings deutlich mehr Häfen. So sind wir in Húsavík angelandet, und dann nach Dalvík und Akureyri, wo der erste Crew-Wechsel war.

Wie kann man sich das Segeln in Islands Norden vorstellen?

Die Nordküste ist ein tolles Cruising-Revier. Es gibt viele kleine Fischerhäfen und die Menschen sind supernett. Man liegt mitunter als einziger Segler in den Häfen; vieles ist noch nicht touristisch erschlossen.

Wir sind bis nach Skagaströnd die Küste entlang. Danach ging es ums Westkap, und die letzten Ausläufer eines Tiefs schoben uns zügig Richtung Grönland. Fünf Tage brauchten wir für die Überfahrt. Das Wetter war wechselhaft und wir mussten gefühlt alle drei Stunden die Segel wechseln. Bis zur letzten Nacht war es ruhig.


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Was war passiert?

Wir näherten uns der grönländischen Küste. Es war stockfinster und neblig, die reine Katastrophe. Wir haben die ganze Nacht durchgesteuert, dick eingepackt in sieben Schichten, viel Merino, viel Vlies – und mit der Hoffnung, nicht auf Eis zu treffen. Laut Bericht sollte unsere Route frei sein. Dennoch waren wir alarmiert.

Warum war Eis ein Problem?

Naja, wir hatten die Sorge, einen Eisblock zu treffen. Wenn der nur einen Quadratmeter groß ist, schaut er keine 20 Zentimeter aus dem Wasser, wiegt aber gleich eine Tonne. Und wir waren mit bis zu neun Knoten Fahrt unterwegs.

Wann haben Sie das erste Mal Eis gesehen?

Gegen drei Uhr nachts sind wir in den Prinz-Christian-Sund eingelaufen. Dort lagen sie, die Eisberge, zu unserer Rechten und Linken entlang des Ufers.

Drei Tage sind wir dort geblieben, bevor wir den Sund gen Westen verließen und uns entlang der Küste in Richtung Norden gehangelt haben. Nuuk war das Ziel, das wir am 20. August erreichen mussten. An dem Tag sollte die Crew erneut wechseln und die Flüge gingen über den Flughafen der grönländischen Hauptstadt. Allerdings wurde auf dem Weg deutlich, dass der Zeitplan zu eng gesteckt war.

Wir hatten durchgängig mit Gegenwind zu kämpfen. Zwar konnten wir die Wellen auf offener See durch die Fjorde umgehen, allerdings hat sich zwischen den Bergen der Wind bis auf 45 Knoten hochgepeitscht. Am Ende kamen wir ein, zwei Tage zu spät und die Flüge mussten umgebucht werden.

Nuuk war der Scheitelpunkt der Reise. Von dort ging es wieder zum Prinz-Christian-Sund zurück und dann gen Island.

Ja, genau. Die Strecke von Grönland nach Island war insgesamt die längste Überfahrt.

Und die schwierigste?

Zunächst ging alles gut. Laut Wetterbericht sollte uns erst am fünften Tag der Überfahrt ein Tiefdruckgebiet treffen. Bis dahin waren die Bedingungen sehr angenehm. Wir kamen gut voran und nach 70 Seemeilen fern der Küste hatten wir auch kein Eis mehr zu befürchten. Am vierten Tag nahm dann der Wind langsam zu. Da fingen wir an, der Wettervorhersage zu misstrauen.

Warum das?

Das Wetter passte nicht mehr zu den Prognosen, obwohl wir mehrere Modelle miteinander verglichen. So trafen uns am fünften Tag Böen mit 50 Knoten, obwohl nur 30 angesagt waren. Statt drei Stunden war der Sturm nach neun Stunden noch immer in vollem Gange. Zugleich begann die Nacht; Wellen und Wind wurden immer stärker. Das Problem war, dass das Boot bei der Fahrt ins Wellental immer weiter beschleunigte. Wir kriegten es nicht gebremst. Wir funkten schließlich die Küstenwache an, und auch die sagten uns, dass das Wetter so bleiben würde. Dann wussten wir: Da müssen wir jetzt durch.

Am Ende waren es 14 Stunden mit bis zu 50 Knoten Wind. Schutz suchen ging nicht. Es gab keinen naheliegenden Alternativhafen zu Reykjavík. Außerdem war der Wind auflandig, eine klassische Legerwallsituation. Während des Sturms hatten wir das einzige Mal das Gefühl, die Situation sei außer Kontrolle.

Rückblickend hätte ich vielleicht versucht, Trossen über das Heck auszubringen, um das Boot zu verlangsamen. Aber in dem Moment war ich aufs Überleben fokussiert, sodass ich mein Einmaleins nicht mehr abspulen konnte.

Schließlich haben Sie es nach Reykjavík geschafft?

Ja, am sechsten Tag. Uns und dem Boot ist nichts passiert. Wir haben Wasser reinbekommen und die Elektrik war beschädigt, aber nichts Kapitales.

Ihre „Glant“, eine Luffe 40, ist eine sportliche Fahrtenyacht. Für Langfahrt in nördlichen Breiten eine ungewöhnliche Wahl. Warum dieses Boot?

Ich bin davon überzeugt, dass man mit dem arbeiten muss, was man hat. Klar, wenn ich mir das ideale Boot aussuchen könnte, wäre es vermutlich eine Blauwasseryacht aus Aluminium. Die Realität ist aber, dass wir in der Regel zehn Jahre auf der Ostsee und nur ein Jahr auf Langfahrt segeln. Ich denke aber auch, viel wichtiger als das richtige Boot ist, es einfach zu machen. Man kann am Ende mit jedem Boot überallhin segeln. Man muss es nur dem Revier entsprechend ausstatten und sich gut auf das jeweilige Vorhaben vorbereiten.

Hat sich die Luffe aus Ihrer Sicht bewährt?

Nach dem Törn mit der Albin Ballad habe ich gesagt : Nicht noch einmal mit einer Ballad. Das würde ich nach dieser Reise auch zur Luffe sagen. Aber möglich ist es allemal. Die Bedingungen dort oben sind wechselhaft. Mit der Luffe muss man die Schwachwind-Phasen sorgsam abpassen. Und wenn es stürmt, dann wird es schließlich auf jedem Boot brenzlig.


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Wie ging es weiter, nachdem Sie in Reykjavík ankamen?

Wir haben erst einmal die Wunden geleckt. Zwei Tage hat es gedauert, das Boot zu putzen und aufzuräumen. Und viel wichtiger, wir mussten regenerieren. Wir waren völlig durch.

Danach wollten wir auf die Westmännerinseln und das nächste Wetterfenster abwarten. Wir hatten nicht mal 25 Seemeilen hinter uns, da habe ich die Reißleine gezogen. Die Elektrik murrte noch immer, außerdem wehte es mit 40 Knoten und ich war noch nicht so weit. Also sind wir zurück.

Das heißt, der Sturm hat Spuren hinterlassen?

Ja, auf jeden Fall. Zumal wir noch immer Zeitdruck hatten.

Zwei Tage später haben Sie den Sprung gemacht und waren wenig später auf dem Weg zu den Färöer-Inseln, wo schon das nächste Sturmtief wartete.

Na ja, es gab südlich von Island unterschiedliche Windkorridore – mit sehr wenig oder sehr viel Wind. Zunächst sind wir lang in Landabdeckung gesegelt. Als wir dann zu den Färöer-Inseln abbogen, frischte der Wind auf und erwischte uns mit 50 Knoten und kräftiger Welle. Wir dachten: Jetzt zerlegt es uns schon wieder.

Was war dieses Mal anders?

Wir waren besser vorbereitet. Zeitweise segelten wir nur unter Sturmfock. Außerdem erreich-ten wir nach ein paar Stunden den Schwachwindgürtel. Allerdings waren die Wellen noch immer bis acht Meter hoch. Das war unangenehm – und dauerte noch zwei Tage an.

Am 12. September waren Sie auf den Färöer-Inseln.

Ja, und wir waren alle durch. Ein Crewmitglied ging dort von Bord, und auch mein Vater und ich waren am Ende. Wir sind die verschiedenen Szenarien durchgegangen, wie es weitergehen würde. Schließlich haben wir einen professionellen Skipper engagiert. Innerhalb von drei Tagen war der an Bord und hat das Boot übernommen und wir sind nach Deutschland zurückgeflogen.

Wie war das für Sie, die Reise nicht zu Ende zu segeln?

Es war den Umständen entsprechend die richtige Entscheidung. Wir mussten uns nicht quälen, sondern konnten abgeben. Außerdem hatten wir das Zeitlimit erreicht. In den verbleibenden sieben Tagen hätten wir es niemals geschafft, nach Hause zu segeln. Es wäre eine zu große Belastung gewesen.

Würden Sie nächstes Mal mehr Zeit einplanen?

Auf jeden Fall. Wir sind zu sehr dem Zeitplan hinterhergehetzt. Ich glaube, es wäre besser gewesen, wenn man auch in Ostgrönland hätte sagen können: Hier bleiben wir.

Ist das eine Erkenntnis für künftige Langfahrten?

Das hatte ich mir schon beim letzten Mal vorgenommen – und ich habe es offenbar noch immer nicht konsequent genug umgesetzt. Aber ich habe mich schon verbessert.

Sie sind jetzt 33 Jahre alt. Was kommt als Nächstes?

Vielleicht mit den Kindern über den Atlantik segeln? Ich könnte mir aber auch ein exotisches Ziel wie Patagonien gut vorstellen oder die Nordwestpassage. Alles Dinge, von denen ich schon lange träume. Aber das hat sicherlich noch zehn Jahre Zeit.


Die Luffe 40

Schnell, sportlich und ein dänischer Klassiker

Luffe 40Foto: Johannes Schiebel

Die Luffe 40 ist eine elegante und schnelle Fahr­ten­yacht, die in Kolding, Dänemark, gebaut wurde. Besonders bei leichtem Wind zeigt das Boot seine Schnelligkeit und erreicht am Wind bemerkenswerte 38 Grad. Bei raumerem Wind kann die Yacht schnell neun Knoten und mehr erreichen, wobei ein Code Zero oder Gennaker für zusätzlichen Fahrspaß und entsprechend Speed sorgt.

Auf Regattabahnen ist die Luffe 40 konkurrenzfähig, insbesondere für eine erfahrene Crew, die diverse Trimmmöglichkeiten wie Backstagen nutzen kann. Das Handling wird dadurch erleichtert, dass Strecker und Fallen über das Kajütdach ins Cockpit geleitet sind. Laut YACHT-Test im Jahr 1992 bietet die Luffe 40 sowohl sportlichen Seglern als auch Familien bei Törns viel Freude.

Der Rumpf und das Deck sind in Sandwichbauweise und Handauflegeverfahren gebaut, verklebt und verbolzt – ebenso wie die Schotten. Unter Deck bietet die Yacht Platz zum Schlafen für sechs Personen: Eine große Doppelkoje befindet sich unter dem Cockpit, eine weitere im Vorschiff und zwei Einzelkojen im Salon. Aufgrund des schmalen Rumpfes ist der Raum begrenzt und es empfiehlt sich, mit nur vier Personen zu segeln.

Technische Daten:

  • Baujahr 1990
  • Konstrukteur Oluf Jörgensen
  • Länge 11,99 m
  • Breite 3,35 m
  • Tiefgang 2,05 m
  • Höhe 20 m
  • Verdrängung 4,9 t
  • Ballast 2,2 t
  • Großsegel 46 m²
  • Reff-Fock 29,8 m²
  • Gennaker 81 m²
  • Maschine (Yanmar) 20 PS

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