InterviewFast 10.000 Steine für eine 36-Fuß-Yacht

Max Gasser

 · 21.03.2023

Umgebung, Erschaffer und Modell auf einen Blick vermitteln einen guten Eindruck von der Größe des Modells
Foto: Privat

Auf der diesjährigen boot in Düsseldorf hat ein kleines Modell neben all den großen Yachten riesige Aufmerksamkeit auf sich gezogen: eine X-362 aus Lego. Zwei Studenten haben sie konzipiert und aufgebaut, es ist die dritte Lego-Modellyacht des Duos

Winny Hohensee und Karl Kühmstedt kommen beide aus Stralsund, studieren aber mittlerweile an verschiedenen Orten verschiedene Fächer. Gemeinsam konstruieren die leidenschaftlichen Segler seit den Corona-Lockdowns Yacht-Modelle aus Lego. Wir haben nachgefragt, wie es zu diesem besonderen Hobby kam, wie viel Stunden Arbeit in jedem Modell stecken und ob sie auch fremde Yachten für Kunden verwirklichen wollen.


YACHT: Warum baut ihr Lego-Modelle von Yachten? Boote sind rund, Lego ist eckig.

Karl Kühmstedt: Ich hatte erstmals 2018 versucht, unser eigenes Boot, eine X-362, aus Lego zu bauen – vergeblich. Die runde Bootsform war zu komplex, um mit den Bausteinen dargestellt zu werden. Als die Corona-Lockdowns begannen und alle Sportstätten geschlossen wurden, das war bei mir zwischen Abitur und Studium, brauchte ich ein neues Hobby. Ich habe aber zunächst nicht mit der „X“ weitergemacht, sondern mit einem anderen Projekt, das noch besonderer sein sollte.

Winny Hohensee: Karl hatte die Idee, eine J-Class aus Lego zu entwerfen. Ich war sofort dabei. Natürlich sind Lego-Steine eckig und Boote rund, aber so abstrakt zu bauen war eben die Herausforderung, und wir wollten uns einen Kindheitstraum erfüllen.

Direkt im Anschluss habt ihr ein zweites Projekt gestartet und die Rennyacht „Comanche“ konstruiert. Euer neuestes Modell ist nun doch die X-362 im Maßstab 1:10. Wie lange hat dieses Mega-Projekt gedauert?

Winny: Grund dafür, es noch mal zu probieren, war natürlich, dass wir selbst auf einer X-362 segeln. Davon ein Modell zu bauen ist nicht nur sehr cool, sondern auch einfach praktisch. Wir konnten so perfekt Fotos machen und Maße nehmen. Anhand der Bilder haben wir eine 2D-Zeichnung der Kontur angefertigt. Auf der Basis dieser Zeichnung konnten wir das Modell mit Hilfe von CAD-Programmen für Lego konstruieren. Dies ist bisher noch komplett manuelle Arbeit, wobei aus rund dann eckig wird. Allein im Design-Prozess stecken bereits über 280 Stunden Arbeit. Dann haben wir die Teile bestellt; das Aufbauen hat „nur“ noch 61 Stunden gedauert.

Karl: Wir haben uns dafür die Weihnachtstage 2022 komplett freigenommen und von 7 bis 22 Uhr nur gebaut, was deutlich schneller und unproblematischer als gedacht verlief. Dazu kommen aber das Rigg mit den Segeln, die Transportbox und eine ausführliche Bedienungsanleitung, wodurch das Projekt am Ende erst so richtig zeitintensiv wurde.

Wie viele Steine habt ihr verbaut?

Winny: So viele, dass es bei Lego nicht möglich war, sie in einem Vorgang zu bestellen. Exakt 9.114 Steine wurden geliefert, verbaut haben wir 9.058.

Wie viel musstet ihr bezahlen, Lego ist ja nicht gerade günstig.

Karl: Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Teile zu bestellen. Man kann sie direkt bei Lego kaufen, das ist vermutlich die teuerste Variante. Es gibt aber auch alternative Hersteller für „Klemmbausteine“, diese sind häufig günstiger, besonders wenn man bei unterschiedlichen Anbietern gleichzeitig einkauft. Für uns wäre das aber zeitlich und logistisch zu eng geworden, weshalb wir uns auf die originalen Lego-Steine einigten. Die Gesamtkosten belaufen sich auf einen vierstelligen Betrag.

Ihr bietet an, solche Modelle auch für Werften oder Eigner anzufertigen. Ist das ein Geschäftsmodell?

Winny: Wir verdienen damit kein Geld. Wenn wir Gewinn machen wollten, müsste das Modell insgesamt fast 10.000 Euro kosten, weil in diesem eben auch die ganze Entwicklungsarbeit steckt. Wenn ein Modell allerdings fertig entworfen ist, dann können wir die Pläne ohne weiteren Aufwand so oft Selbstbauer verkaufen und weitergeben, wie wir wollen. Einen Auftrag für gleich mehrere Modelle von einem Typ würden die Gesamtkosten pro Stück natürlich erheblich sinken.

Karl: Die X-362 ist das erste Modell, das überhaupt gebaut wurde, alle weiteren von uns entworfenen Boote existieren aufgrund der Steinkosten ausschließlich digital. Da es nur ein Hobby ist, haben wir auch nicht das Ziel, damit großes Geld zu verdienen.

Ist es nicht frustrierend, so viel Zeit zu investieren und die Modelle dann nie aufgebaut zu sehen?

Karl: Klar ist es etwas ganz anderes, wenn das Boot aufgebaut vor einem im Zimmer steht, als wenn man es nur auf dem Bildschirm hin und her drehen kann. Ohne einen Interessenten ist das aber für uns am Ende eine Geldfrage, für ein Modell, das primär im Schrank stehen wird, können wir nicht einfach so ein paar Tausend Euro ausgeben.

Die X-362 habt ihr als bisher einziges Modell verkauft. Wer war der erste Kunde?

Winny: Das war die Kieler Woche, welche die X-362 an ihrem Stand auf der boot Düsseldorf ausgestellt hatte. Natürlich wird die „X“ auch bei der kommenden Kieler Woche zu sehen sein. Derzeit steht sie dort im Büro.

Die X-362 wurde im Original über 150-mal gebaut, warum baut ihr bei der Zielgruppengröße nicht gleich eine Modell-Serie?

Winny: Wir haben mehrere Anfragen von Segelbegeisterten, welche die gleiche X segeln. Es bleibt aber dabei, dass wir nur auf Anfrage umsetzen. Bei einer vorproduzierten Serie wäre das finanzielle Risiko zu hoch. Außerdem ist es uns wichtig, auch auf Detailwünsche eingehen zu können, wie zum Beispiel Farbänderungen oder Decksaufbauten.

Und wenn ihr nur die Pläne verkaufen würdet?

Karl: Das machen wir bereits. Die Anleitungen sind jedoch immer recht kompliziert, weil es schwer ist, für ein solch umfangreiches und komplexes Modell eine klassische Anleitung anzufertigen, die vergleichbar wäre mit dem, was man für Vorschulkinder von Lego kennt. Unser Plan ist, dass wir auf Anfrage die 3D-Modelle konstruieren und diese auch aufbauen oder das auf Wunsch dem Kunden überlassen. Wo welcher Stein platziert werden muss, das können wir direkt am 3D sehen. Weiterer Vorteil dieser Baumethode sind das Ein- und Ausblenden von Bausteinen sowie die Möglichkeit, das digitale Modell um jede Achse zu drehen.

Könnte man bei euch auch eine Lego-Miniatur der eigenen Yacht anfragen?

Winny: Ja klar. Um eine Yacht nachbauen zu können, brauchen wir dann zumindest Bilder vom Original. Richtige Pläne wären ideal und würden die Design-Zeit erheblich verkürzen. Theoretisch ist der Bau des Modells in jedem Maßstab möglich. Es ergibt allerdings Sinn, diesen so zu wählen, dass das Modell ungefähr einen Meter lang wird. Baut man sehr viel kleiner, würde es zu abstrakt aussehen, und zu groß macht, vom Preis ganz abgesehen, aus Platz- und Transportgründen wenig Sinn.

Habt ihr bereits weitere Modelle in Planung?

Karl: Klar, wir sind derzeit an einer Motor-Superyacht dran. Der Rumpf ist bereits fertig, und wir designen gerade den Decksaufbau. Segelboote als Modelle sind aufgrund der Form aber deutlich aufwändiger im Design-Prozess.


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