YACHT-Redaktion
· 08.12.2023
“Wir fahren morgen doch nicht in die Dyvig-Bucht!“, sagt mein Mann. Es ist Donnerstagabend, und er starrt auf seinen Laptop. „Aha, und wieso jetzt plötzlich nicht?“, frage ich neugierig. „Weil Horst da ist. Mit einer komischen Frau, die immer gackert. Ingeborg oder so.“ Ich kenne gar keinen Horst. Das aber lässt mein Mann nicht gelten. „Ich bin früher mit ihm gesegelt. Ein ganz arroganter Typ. Wusste alles besser. Furchtbar. Und er hat nichts anbrennen lassen. Ich habe mich sogar mal mit ihm wegen einer Frau geprügelt.“
„Ach!“ Davon wusste ich gar nichts. „Ja, da grinst du. Ich habe auch Ehre im Leib. Sie hieß Leilani und kam aus Hawaii. Ein Rasseweib.“ Nun ist mein Interesse geweckt. „Wer hat gewonnen?“, frage ich. Antwort : „Weiß ich gar nicht mehr. Ich glaube, wir haben uns dann wieder vertragen und Bier getrunken. Kann aber auch sein, dass ich gewonnen habe. Oder er.“
„Ach!“ Mir fehlen die Worte. Ihm nicht. „Jedenfalls sah sie super aus. Und sie hat nicht gesprochen. Gar nicht. Die ideale Frau eigentlich.“ Wie bitte? „Leilani war eine Galionsfigur. Sie stand bei einem Nautiquitäten-Händler zum Verkauf. Wunderhübsch. Lange schwarze Haare. Wir wollten sie beide!“
Ich verdrehe die Augen und fasse zusammen: „Das heißt also, wir können wegen Horst und Leilani nicht in die Dyvig segeln.“ Er nickt. „Außerdem ist der eine auch da, weißt du, der mit dem schwarzen Pullover, auf den hab ich auch keine Lust.“ Schwarzer Pullover? Ich habe keinen Schimmer, wen er jetzt wieder meint. Was meinem Mann egal ist. „Der schwafelt einem das Ohr ab.“
So geht es noch eine Weile weiter. Mein Mann hat nämlich ein neues Hobby: Er stalkt Boote. Ob Marine Traffic, AIS oder „Wo ist?“, kein digitaler Dienst ist vor ihm sicher. Er schaut, wo man hinsegeln kann und wohin eben nicht. Je nach Befindlichkeit.
„Dann fahren wir weiter in die Genner-Bucht“, schlage ich vor. Doch: „Ha! Da wollen Klaus und Caro hin.“ „Ja und?“, denke ich. „Willst du dir die ganze Zeit anhören, wie toll ein veganes Leben ist? Klaus hat mir erzählt, dass sie auch Gras essen, wenn sie zwischendurch Hunger haben. Wie so Steinzeitmenschen. Nee, darauf hab ich keine Lust. Hier bleiben können wir allerdings auch nicht, weil Bobo und Albert ab morgen in Sønderborg sind, und die haben mir schon geschrieben, dass sie an unseren Steg gehen.“
„Die sind doch nett“, werfe ich ein. Das findet mein Mann zwar auch, aber: „Die reden nur über ihr neues Teakdeck und über die verschiedenen Teaköle und darüber, warum ein Teakdeck das Nonplusultra ist und überhaupt.“ Ich gebe vorsichtig zu bedenken: „Das findest du doch auch, seitdem wir das Teakdeck haben.“ Er: „Ja, aber ich rede nicht dauernd davon.“ Ich, nun undiplomatischer: „Doch. Du hast Bobo und Albert mal drei Stunden lang was von ‚Nur ein Holzdeck ist gut genug für ein Boot‘ erzählt. Du hast ihnen sogar einen Spezialschwamm geschenkt.“
Es prallt an ihm ab. Und er stiert weiter auf den Plotter. „Oh, Berni und Susi sind unterwegs in Richtung Kappeln. Das ist ja schön.“ Mich freut das auch. Wir kommen ein Stück weiter. „Klasse, dann segeln wir nach Kappeln. Ich freue mich, die beiden wiederzusehen.“ Doch zu früh gefreut. „Warte mal. Nein, das passt vom Wind her nicht. Außerdem liegen da auch Ralle und seine Yoga-Tante, die nur Kräutertee trinkt und vom fortlaufenden Kater erzählt.“
Die Yoga-Tante heißt Melanie und ist sehr nett. Und die Yoga-Übung heißt herabschauender Hund“, korrigiere ich ihn. „Von mir aus. Jedenfalls hab ich keine Lust, mich von denen zutexten zu lassen.“ Da kommt mir eine Lösung: „Wir müssen die alle doch gar nicht treffen, wir können an einen Steg gehen, der sehr weit von den anderen entfernt ist“, schlage ich vor. Doch: „Du bist ja lustig. Dann hocke ich da die ganze Zeit und mir geht die Pumpe, weil ich denke, da kommen sie um die Ecke und wollen unter Deck irgendwas ausräuchern. Wie schon einmal.“
Ja, da hat er recht. Melli und Ralle sind zwar nett, aber arg esoterisch angehaucht. Melli hatte mal das Gefühl, dass unsere „Alte“ von einem maritimen Geist bewohnt wurde, der es nicht gut mit uns meinte. Sie kam dann mit Salbei und irgendwelchen Tropfen und fing an, Feuer unter Deck zu machen, woraufhin mein Mann fast einen Schlaganfall bekommen hat. Die „Alte“ stank wochenlang, als würde eine Kräuterhexe drin wohnen.
Mein Mann guckt weiter auf den Plotter. „Nach Maasholm können wir auch nicht, da liegt Björn fest, weißt du, der mit dem Langkieler. Mit dem hab ich mich auch mal in die Haare gekriegt.“ Aha, mit dem also auch. Ich frage nicht weiter nach. Stattdessen bin ich jetzt mal wieder schuld. „So, aber nun mal Butter bei die Fische. So kommen wir auf keinen grünen Zweig“, sagt mein Mann. „Du musst dich auch mal entscheiden.“
„Was hältst du davon, wenn wir ankern?“, frage ich. Nun schaut er bei Marine Traffic nach, um zu gucken, ob irgendjemand, den er nicht mag, auf dem Weg zum Ankerplatz bei Barsø ist – und bekommt gute Laune. „Die sind alle auf dem Weg in die Häfen“, sagt er freudig. „Ein guter Plan!“
Am nächsten Morgen beim Frühstück wird die Lage gecheckt. Ich habe mein Brötchen noch nicht fertig belegt, da springt er auf. „Es geht los! Bobo und Albert sind schon unterwegs zu uns! Wir dürfen keine Zeit verlieren!“ Ich springe ebenfalls auf und werfe die Frühstückssachen fast in den Niedergang, da schreit er: „Halt! Sie biegen ab. Sie biegen ab!“
„Ja, was denn nun?“ Ich stehe mit der Butter da. Mein Mann ist schier entsetzt : „Die kommen doch nicht nach Sønderborg. Das ist ja das Allerletzte! Die können doch nicht sagen, dass sie herkommen, und dann kommen sie nicht. Man kann doch einfach sagen, heute passt das nicht, wir wollen unsere Ruhe haben, da bin ich doch der Letzte, der das nicht versteht. Wir sind doch zivilisierte Menschen.“
Wir ankern gegenüber von der Dyvig. Da ist es schön. Und da ist sonst nie jemand. Laut Marine Traffic sind die anderen alle auf dem Weg in die Häfen”
Nun ja. Doch jetzt reicht es mir: „Können wir nun los, oder bleiben wir hier, oder segeln wir und wenn ja, wohin?“ Ich gehe nach unten und räume auf. Oben wird weiter gemeckert. Was war das Leben doch schön ohne diese ganzen Systeme. Endlich erklärt er: „Wir ankern gegenüber der Dyvig. Da ist sonst nie jemand. Da ist es schön.“ Nachdem wir rausgefahren sind und Segel gesetzt haben, wird seine Laune besser. Es ist tatsächlich ein schöner Segeltag, und irgendwann mittags kommen wir am Ankerplatz an. „Siehst du“, freut er sich, „kein Mensch da. Wie gut, dass es dieses AIS gibt.“
Ich finde es eigentlich immer schön, Leute zu treffen. Oft werden da lustige Abende draus. Und wenn man niemanden sehen möchte, bleibt man halt an Bord. Da brauchte man keine elektronische Hilfe. Aber bitte. Wir machen die „Alte“ an der Tonne fest und lassen die Badeplattform runter. Dann mixe ich uns zwei Drinks, und wir lassen die Füße im noch halbwegs warmem Wasser baumeln. Da ertönt plötzlich Motorengeräusch. Wir stehen auf und gucken, und da kommt wirklich ein Boot angefahren.
„Ach, schau an, das sind doch Bobo und Albert“, sagt mein Mann. „Woher wissen die denn, dass wir hier sind? Ha! Die haben uns bestimmt gestalkt! Unmöglich, so was! Wir wollten doch unsere Ruhe haben.“ Er winkt Bobo und Albert zu, und die werden nun langsamer. Irgendetwas stimmt nicht. Ernst stehen sie im Cockpit.
Bobo eröffnet das Gespräch und schaut meinen Mann an: „Wir müssen dir mal was sagen, wir wollen ganz ehrlich ein. Die letzten Male mit dir waren ziemlich anstrengend. Du redest einen ja in Grund und Boden. Wie kann man eine Stunde lang über einen Spezialschwamm sprechen! Wir sind eigentlich hierher gefahren, weil wir unsere Ruhe haben wollten. Und nun liegt ihr da an der Tonne. Das haben wir bei Marine Traffic gar nicht gesehen. Habt ihr etwa euer AIS ausgeschaltet?“
„Eure Ruhe?“, fragt mein Mann fassungslos. „Vor mir?“ Ich spüre, dass ihm die Pumpe geht. „Genau“, sagt Albert nun freundlich. „Eine Auszeit hat noch keinem geschadet. Euch ein schönes Wochenende!“ Damit drehen sie ab.
„Euch auch“, sage ich. Mein Mann hingegen steht nur da und glotzt. „Was ist los?“, frage ich fröhlich, „du bist doch der Letzte, der so was nicht versteht. Du bist doch ein zivilisierter Mensch!“ Er ist dann einfach runtergegangen. Echte Freunde suchen.
Steffi von Wolff