Kristina Müller
· 19.01.2024
Am Ende war der Plan zu ambitioniert. Einhandsegler Philipp Hympendahl musste sein Projekt „Nonstop-Weltumsegelung“ vorzeitig beenden. Im Herbst 2023 wollte er als einziger Deutscher bei der Global Solo Challenge starten. Zu diesem Zweck hatte er eine betagte Comfortina 38 gekauft, die im Rahmen eines umfangreichen Refits fit für die taffe Tour werden sollte. Im letzten März jedoch hängte er das Vorhaben zerknirscht an den Nagel. Am Boot hatten sich gravierende Vorschäden offenbart. Die bis zum Regattastart zu beheben war unrealistisch.
Doch Philipp Hympendahl, Sohn des 2016 verstorbenen Weltumseglers Klaus Hympendahl, ist keiner, der den Kopf lange in den Sand steckt. Er verkaufte die Comfortina und segelte mit seinem alten Boot im Sommer spontan mit der Midsummersail ans nördliche Ende der Ostsee und zurück. Im Herbst dann machte er sich auf den Weg über Ärmelkanal und Biskaya gen Süden.
Wir fragten ihn, wohin ihn seine neue Reise führt, was sie mit seinem Traum von einer Nonstop-Weltumsegelung zu tun hat und was ihn am Einhandsegeln fasziniert.
Ich wollte die Saison auf jeden Fall verlängern, wusste aber auch, dass ich erst spät loskommen würde. Zuvor hatte die Midsummersail meinen Sommer bestimmt. Danach musste ich mein Boot noch für die neue Reise refitten.
Ich plane eine Atlantikrunde: in die Karibik und dann möglichst schnell wieder zurücksegeln. Es ist ein Test für mich und mein Boot. Mit der unmittelbaren Teilnahme an der Global Solo Challenge hätte ich ja tatsächlich ein paar Vorbereitungsstufen übersprungen – das hole ich nun quasi nach.
Nach dem Ende meiner Kampagne bin ich in ein ziemliches Loch gefallen. Ich war so im Tunnel und hatte dieses große Ziel. Dann den Stecker zu ziehen und vor dem Nichts zu stehen – das war hart. Von der Midsummersail hatte ich schon gehört, kannte aber weder das Revier noch das Rennen. Glücklicherweise hatte ich es nicht geschafft, mein altes Boot, die „African Queen“, zu verkaufen. Mit ihr konnte ich teilnehmen. Ich dachte: lieber mit kleinem Boot segeln als gar nicht. Es war eine Art Befreiungsschlag. Die 900 Seemeilen waren dann auch mein bisher längster Einhandtörn.
Ich habe bei der Midsummersail richtig Blut geleckt! Ich bin zwar kein überaus erfahrener Regattasegler, aber dafür bin ich ein zäher Typ und bringe die Ausdauer mit, die es für ein Langstreckenrennen braucht. Ich bin früher auch Langstrecken-Radrennen gefahren. Bei der Midsummersail habe ich tagelang in einer Flaute eingeparkt – viele haben mich überholt. Aber daraus habe ich gelernt, so ist Segeln.
Ich habe zum Beispiel festgestellt, dass ich tatsächlich ein Wettkampftyp bin. Und dass es vom Kopf her etwas ganz anderes ist, ob du in einer Regatta segelst oder allein da draußen bist. Regattasegeln ist ein bisschen wie Segeln in einer Familie oder einer Community. Du fühlst dich aufgehobener, bist mit deinen Entscheidungen nicht ganz so allein. Das hat mich letztlich auch bestärkt, bei einer Solo-Nonstop-Regatta um die Welt mitmachen zu wollen. Das ist ein großes Ziel – wenn auch definitiv nicht immer ein spaßiges Vorhaben. Aber wenn etwas mal auf meiner Bucketlist steht, dann will ich das auch wirklich machen.
Mein Ziel ist es, alles zu tun, damit es vielleicht doch noch möglich wird. Das Traumboot dafür habe ich längst im Kopf. Erst einmal segle ich nun diese Atlantikrunde, um meinen Youtube-Kanal bekannter zu machen und mehr Unterstützung für das Projekt zu gewinnen. Ich habe zwar ein tolles Netzwerk aufgebaut und möchte mich noch einmal für die Unterstützung der vielen ehrenamtlichen Helfer bedanken! Aber am Ende hatten wir viel Pech. Zudem haben die finanziellen Mittel einfach nicht gereicht. Auf der anderen Seite muss man auch abwarten, wie sich die Global Solo Challenge, die gerade zum ersten Mal stattfindet, entwickelt und ob sie überhaupt in vier Jahren wieder stattfindet.
Ich habe nicht allzu viel Regattaerfahrung. Aber ich bin ein zäher Typ, der die Ausdauer für Langstrecken mitbringt”
A Coruña lag ohnehin auf meiner Route nach Süden, da war es kein Riesending, da vorbeizufahren. Ich hätte gerne noch weitere Skipper starten sehen, aber ich hing zu lange im Hafen von Brest im Sturm fest.
Ich bin Fotograf, übernehme unterwegs Fotojobs und arbeite für Bildagenturen. Langsam kommt auch etwas über Youtube und Patreon rein. Ich versuche, das alles so aufzubauen, dass ich vom Segeln leben kann. Da setze ich gerade alles auf eine Karte. Dafür muss man aber hart arbeiten und vor allem auch zusehen, dass man nicht im gleichen Hamsterrad landet wie im bürgerlichen Leben an Land. Mein Hauptantrieb ist der Spaß am Segeln, an diesem einfachen Leben, in dem du tolle Leute triffst.
Ich habe Demut vor der Natur! Sie ist immer stärker als der Mensch. Ich sehe mich nicht als Supermann, der mutiger ist als andere. Ich habe nur beschlossen, mich nicht von meinen Bedenken oder Ängsten dominieren zu lassen. Du wächst als Segler nur aufgrund von Erfahrung. Mit meinem Vater bin ich einmal in einen Sturm mit 50 Knoten Wind gekommen. Wir sind riesige Wellen hinabgesurft und dachten, das war’s jetzt! Ich habe also immer viel Respekt im Vorfeld meiner Törns.
Nein, darin war ich schon immer schlecht. Ein Freund schickt mir gerne Routings, aber meiner Erfahrung nach stimmen die in den seltensten Fällen. Dafür bin ich gut darin, zu improvisieren und das Beste aus einer Situation zu machen.
Auf der Rücküberführung von der Midsummersail bin ich in ein Unwetter mit kurzer Ostseewelle gekommen, die schnell bricht. Mein Boot wurde hin und her geworfen. Autopilot und Windfahne waren kaputt, ich war übermüdet. Ich habe beigedreht, aber es war so laut, dass ich nicht schlafen konnte und ich mich gefragt habe, was ich mache, wenn ich mich gar nicht erholen kann? Ich habe mich trotzdem hingelegt, es geschafft, mich zu beruhigen, und ein paar Stunden tief und fest gepennt. Am nächsten Tag war alles wieder gut. Ich konnte nach Rauma in Finnland segeln und dort Reparaturen vornehmen.
Mein Vater hat mal gesagt, dass Häfen den Menschen nicht guttun. Man wird dort nur ängstlicher, wieder loszusegeln, und hängt viel rum. Mir geht es ums Segeln, sonst könnte ich zu Hause bleiben. Allein segeln finde ich super. Du bist wirklich eins mit deiner Umgebung und wirst nicht von anderen herausgerissen. Sobald du allerdings im Hafen bist, fühlst du dich einsamer als auf dem Wasser. Da ist es mit Freunden oder Familie netter.
Früher habe ich mich damit verrückt gemacht, dass ich es vielleicht nicht schaffen würde zu schlafen. Mittlerweile fange ich einfach früh damit an, in einen Rhythmus aus Aktivsein und Erholen zu kommen. Also schon am Tag nach dem Auslaufen einen Timer stellen und immer wieder ruhen! Vereinfacht gesagt heißt Einhandsegeln ja nicht viel anderes, als zu schlafen, zu essen und zu segeln. Priorität hat dabei immer, dass man sich gut fühlt.
Das Wichtigste ist das Mindset : Man sollte die Gegenwart nicht zu ernst nehmen. Es wird immer üble Situationen geben. Ich habe das Bild verinnerlicht, dass am Ende alles gut wird und ich bei Sonnenschein in den Hafen einlaufe. Wenn man ängstlich wird, sollte man überlegen, was man Gutes für sich tun kann: Habe ich Hunger oder Lust auf einen Tee? Wenn Kochen auf meinem kleinen Boot zu gefährlich wird, ist Tütenessen Gold wert. Makkaroni mit Käse zum Beispiel mache ich mir bei Seegang gerne warm. Wichtig auch: nicht immer auf die Brecher gucken. Mein persönlicher ultimativer Tipp ist: runtergehen, hinlegen und Moitessier lesen.
Der Düsseldorfer Fotograf Philipp Hympendahl, 55, segelt mit seinem 9,20 Meter langen Halbtonner „African Queen“ seit Jahren vom IJsselmeer aus bevorzugt Einhandtörns auf Nord- und Ostsee. Unter anderem umrundete er Dänemark im Winter und segelte eine Nordseerunde. Sein großes Ziel aber war und ist die Teilnahme an einer Nonstop-Regatta um die Welt.