Der Sprachwissenschaftler Dr. Rolf-Bernhard Essig erklärt in der YACHT die bekanntesten Begriffe aus der Seefahrer-Sprache
In diesem Artikel werden erklärt:
Aus dem Lateinischen kam das Wort „clarus“ zu uns. Es konnte „hell“, „klar“, „laut“ und „weithin schallend“, „leuchtend“, „deutlich“, „berühmt“, „glänzend“ heißen. Im maritimen Bereich nahm es einen weiteren Sinn an, nämlich „fertig“ und „in Ordnung“. Daher entstanden dann im 19. Jahrhundert auch Befehle wie „Klar zum Gefecht!“ oder „Klar zum Auslaufen!“ Wenn das Schiff aber unklar ist, stimmt an Bord etwas nicht, was die Takelage, das Deck, die Mannschaft oder sogar die Geschütze betreffen kann. Dann muss der Schiffsführer möglichst rasch alles klarmachen lassen, also alles in Ordnung bringen. Das nennt man auch „klar Schiff machen“. Der Ausdruck hat sich längst allgemein verbreitet, wobei man ihn an Land meist nur aufs Aufräumen und Säubern bezieht. Im Englischen gibt es die Unterscheidung zwischen zwei Stufen des Klar-Schiff-Machens. Einerseits sagt man „to be in ship-shape“, was „in bester Ordnung“ bedeutet – eben so ordentlich wie ein Schiff, das auf große Fahrt geht. Andererseits sagt man „jury-rigged“, was heißt, „nur für den Tag“ (jour), „für eine kurze Zeit getakelt und geordnet“.
Manchmal steht man wie der Ochs vorm neuen Scheunentor und macht große Augen bei der Erklärung von nautischen Fachausdrücken. Beim Bullauge ist das naturgemäß so, denn der Ausdruck kommt tatsächlich von den Kiekern der Rindviecher. Wer Kunstgeschichte studiert hat, kennt den Begriff „Ochsenauge“ vielleicht von Rundfenstern in barocken Gebäuden, immer wieder mal sogar mit einer lidartigen Bedachung versehen. Auch Behälter von Reliquien nannte man im Französischen so, und zwar schon im 12. Jahrhundert. Obwohl das Wort „Ochsenauge“ bei uns also üblich war, übernahmen es deutsche Seeleute für die runden, oft nach außen gestülpten Schiffsfenster nicht direkt. Erst vor etwa 200 Jahren kam es aus dem Englischen zu uns. Aus „bull’s eye“ wurde ein niederdeutsches „bulloog“ und schließlich das hochdeutsche „Bullauge“.
Wer abdriftet, der kommt vom Kurs ab oder vom Thema. Etwas zieht ihn, treibt ihn weg. Das ist eine Meeresströmung, kann aber auch eine Eisströmung sein, wie Fridtjof Nansen (1861–1930) wusste, der mit ihrer Hilfe zum Nordpol kommen wollte. In beiden Fällen steckt ein alter Landausdruck dahinter, der noch in Friedrich Schillers (1759–1805) „Jungfrau von Orleans“ vorkommt: „Lebt wohl denn, ihr geliebten Triften.“ Die Triften, das bezeichnet hier schlicht Viehweiden. Die Meeresdrift wie die Triften sind direkt verwandt mit „treiben“. Mal ist’s das Vieh, das getrieben wird, mal die See, die der Wind in eine Richtung treibt und Schiffe dadurch abtreiben lässt. Der seemännische Spezialausdruck kam ab dem späten 18. Jahrhundert langsam in allgemeinen Gebrauch, wo er auch nur noch pauschal „im Meer treiben“ bezeichnen konnte.
Das Hänseln widerfuhr jedem jungen Mann, der im Mittelalter dem Kaufmanns- und Städtebund der Hanse beitreten wollte. Ihr Name geht zurück auf die Bezeichnung einer Gilde, die nach dem alten gotischen Wort „hansa“ für „Menge“ und „Schar“ gebildet worden war. Im Hohen Mittelalter bezog man den Ausdruck immer mehr auf eine Schar Kaufleute, dann auf die „deutsche Hanse“ speziell. Vor einer Aufnahme wurden jungen Männern mehr oder weniger symbolische Schläge verabreicht, dazu mit einem rauen Holzmesser alle Reste des vorhansischen Lebens abgeschabt. Dann tunkte man sie in allerlei, teils unappetitliche Flüssigkeiten oder schüttete dieselben über sie, zwang sie, sich durch die Speichen eines Rades zu winden, und dergleichen mehr. Das erinnert an ähnliche Rituale bei der Linien- oder Äquatortaufe. In beiden Fällen prüft man Widerstandskraft, Verlässlichkeit und Humor der Neulinge. Hänseln hieß ursprünglich tatsächlich bloß, „jemanden hansisch machen“. Erst durch die unangenehmen Aufnahmerituale erweiterte sich die Bedeutung langsam, aber sicher hin zu unserer heutigen Vielfalt von „necken“ über „zum Besten haben“ bis hin zu „quälen“.
An Bord englischer Schiffe in der Karibik sparten die Seeleute ihre Rum-Rationen oft, um später große Mengen auf einmal zu trinken. Die Folgen waren zuweilen tödlich. Am 4. August 1740 aber ordnete Admiral Vernon an, „... das halbe Pint Rum täglich mit einer Quart [1,136 l] Wasser zu vermischen“. Gleichzeitig befahl er ein Ausgaberitual, das für die britische Marine in kürzester Zeit verbindlich wurde: „… dass die entsprechende tägliche Zuteilung von einem halben Pint pro Mann … jeden Tag mit einem Anteil von einem Quart Wasser auf jedes halbe Pint Rum vermischt wird, und zwar gemischt in einem Trinkwasser-Fass … und wenn es in dieser Weise vermischt ist, soll es ihnen in zwei Zuteilungen täglich ausgegeben werden, die eine zwischen 10 und 12 am Morgen, die andere zwischen 4 und 6 nachmittags“. Weil der Admiral nach seinem notorisch getragenen Mantel aus Grogram-Stoff „Old Grogram“ und dann verkürzt „Old Grog“ genannt wurde, erhielt erst einmal das Rum-Wasser-Mischgetränk die Bezeichnung „Grog“, was später auf viele weitere Spirituosen an Bord englischer Schiffe angewendet werden konnte. Von dort aus kam der Grog dann über Seeleute auch ins Deutsche. Weil sie dem Gemisch Zitronensaft zusetzten, wurden britische Seeleute von den Amerikanern „Limeys“ genannt.
Die „Victory“ schmückte im Jahre 1805, als es zur Schlacht von Trafalgar kam, ein besonderes Stück Stoff – die Admiralsflagge Horatio Nelsons. Sie bezeichnete das Schiff als Sitz des Stabs. Und wegen dieser Flagge bezeichnete man alle Führungsschiffe von Flottenverbänden bis in neue Zeiten als Flaggschiffe. Die gab es in jeder Marine, und die leitenden Admiräle, die man auch Flaggoffiziere nannte, suchten sich meist die schönsten, schnellsten und kampfstärksten Schiffe einer Flotte aus. Das war der Grund, warum der Ausdruck redensartlich wurde und sich erst als Bezeichnung für die teuersten Fahrzeuge von Autoherstellern einbürgerte. Seit Längerem können aber sogar Spitzenprodukte der unterschiedlichsten Art bis hin zu Fernsehsendungen als Flaggschiff einer Firma oder eines Senders bezeichnet werden. Ein Admiral – das Wort stammt übrigens aus dem Arabischen und geht zurück auf „Emir“ – ist da längst nicht mehr an Bord.
Vollmatrosinnen lächeln gequält, wenn der Skipper lacht, weil das zweideutige Ding erwähnt wird. Im Englischen heißt es schlicht „goose neck“, also „Gänsehals“, im Deutschen findet sich um 1900 die Bezeichnung Scharnierzapfen. Für die Bezeichnung Lümmelbeschlag ist nun der Stift des besagten Scharniers, eben der Lümmel, verantwortlich, der den mastseitig angebrachten Beschlag mit dem Lümmellager am Baum verbindet. Wie er zu seinem Namen kam? Nun, das Wort „Lümmel“ definiert Sprachwissenschaftler Adelung 1796 trefflich so: „Nur in den niedrigsten Sprecharten, ein starker aber dabey fauler Mensch im verächtlichsten Verstande, ein fauler Schlingel, und in weiterer Bedeutung ein grober, ungesitteter, ungeschickter Mensch.“ Es stammt vom Wort „lummen“ für „schlaff, faul sein“ ab. Das Anhängsel am Mann nun gebärdet sich keinesfalls immer unsittlich, sondern die meiste Zeit schlaff, sodass man es ebenfalls „Lümmel“ nannte, ein Kondom dementsprechend „Lümmeltüte“. Von daher stammte dann die Bezeichnung „Lümmel“ für Stifte aller Art und eben auch den hier in Frage stehenden.
Wer hätte gedacht, dass Schiffshinterteil und Gartenhecke miteinander zu tun haben, aber so ist es. Beides geht auf vorgermanische Ausdrücke zurück, die mit Flechten zu tun haben, mit dem Einhegen, dem Hag und dem Dorngebüsch, das ein Grundstück umfriedet. Auf Schiffen schützte man sehr früh schon den Platz des Steuermanns mit Flechtwerk, einem Schutzgitter, einem Haltezaun. Da der Steuermann und seine „Hecke“ in aller Regel hinten zu finden waren, übertrug sich der Begriff in der Kurzform „Heck“ auf das hintere Ende des Schiffes insgesamt. Erst nur im Plattdeutschen gebräuchlich, fand der seemännische Spezialausdruck mit den beliebten Seegeschichten des 18. Jahrhunderts erst in die Literatur, dann in die Alltagssprache.
Ohne Lotsen geht oft nichts. Die Experten für ihre heimischen Gewässer heißen so, weil die Menschheit faul ist. Eigentlich nannte man einen von ihnen vor Mitte des 17. Jahrhunderts noch „Lootsmann“. Das war ein hochdeutscher Ausdruck, der aus der mittelniederdeutschen Seemannssprache übernommen worden war, wo er sehr ähnlich „lôtsman“ hieß. Es liegt nahe, gleich ans für Küstengewässer extrem wichtige Lot oder das Loten zu denken, aber in diesem Fall steckt ein altenglisches Wort dahinter, nämlich der „lâdmann“. Das war ein Führer, einer, der den Weg kannte, und der Weg hieß „lâd“. Der zweite Teil des Wortes „Lootsmann“ verschwand – wohl aus Bequemlichkeit – nach 1650 recht schnell. Übrig blieb für den eigentlichen Wegmann nur noch „Lotse“.
In der griechischen Mythologie ist Okeanos ein Gott und zugleich eine Art Urstrom, den man sich bis in die Zeiten Herodots als gewaltiges, stets in sich selbst mündendes und alles umfließendes gewaltiges Grenzgewässer der bewohnten Welt und ihrer Meere vorstellte. Gebildete kannten den Namen „Okeanos“ natürlich, verwendeten ihn aber lange Zeit nicht als Bezeichnung für die See.
Im 17. Jahrhundert erst fanden Gelehrte es schick, die Weltmeere mit dem Namen des mächtigen griechischen Gottes zu benennen, freilich in der latinisierten Form „Oceanus“. Eigentlich wäre das mit „k“ auszusprechen gewesen, doch in Deutschland sprach man in den meisten lateinischen Worten das „c“ wie ein „z“ und ersetzte den Buchstaben manchmal damit, sodass man auch Ozean schrieb. Das einfache Volk hierzulande bequemte sich erst im 19. Jahrhundert dazu, das fremde Meerwort selbstverständlich in der Alltagssprache zu verwenden.
Fender sollte man nie vergessen, ehe man in Schleusen einfährt oder an harten Kaimauern anlegt. Sie sorgen dafür, dass Stöße abgepuffert oder eben: abgefendert werden und so die Schiffswand geschützt bleibt. Vor dem 19. Jahrhundert bevorzugte man für elastische Körper an Tampen aus Tauwerk, Kork oder Ähnlichem, welche die Außenwand vor unliebsamen Beschädigungen durch Druck und Stoß bewahrten, das Wort „Anleger“. Früher hieß „anlegen“ nämlich so viel wie „längsseits gehen“, und weil dabei Schutz nötig war, dann auch „Wreifholz“ oder „Schiffsberge“. Erst vor etwa zweihundert Jahren kam aus dem Englischen der Fender, eine Abkürzung für „defender“, also für „Verteidiger“. Und es stimmt ja auch: Der Fender verteidigt die Außenhaut gegen besonders fatale Angriffe.
Was für ein wichtiger Haken an der Sache Segelboot: der Anker. Dazu ein schönes Symbol der Hoffnung und der Rettung! Obwohl das Wort so deutsch klingt, ist der Anker noch sehr nah am altgriechischen Wort für die gleiche Sache: „agkyra“ – gesprochen „anküra“. Es dauerte ein paar hundert Jahre, bis nördlicher gelegene Länder Ding und Wort übernahmen. Hier hatte man zuvor Ankersteine an Leinen eingesetzt, die „senkil“ oder „senkilsteine“ hießen. Die Römer dienten uns als Entwicklungshelfer beim Technologietransfer, als sie mit ihren Schiffen über die Nordsee oder die Flüsse fuhren. Bei ihnen hieß die Schiffsfixierung „ancora“, und weil sie so praktisch war mit Stock, Schaft und Armen, übernahm man sie und die Bezeichnung in vielen europäischen Ländern. Schon im Althochdeutschen sagte man „Anker“ dazu. Ihn zu lichten hat übrigens nichts damit zu tun, dass man ihn ans Tageslicht bringt, sondern mit dem ursprünglich plattdeutschen Wort „lichten“, das „hochheben“ oder „lüften“ bedeutet.
Der Kurs entstammt dem lateinischen Wort „cursus“ für das Laufen und das Rennen. Es bezeichnete auch den Weg, den Wettlauf, den Umlauf, die Route und die Fahrt. Ins Deutsche gelangte es in verschiedene Bereiche, so gibt es Börsenkurs, Autorennkurs und Tanzkurs. In der Bedeutung „Fahrt bestimmter Richtung“ wanderte „cursus“ erst ins Französische ein und dort in die Seefahrt, wo es auch „Beutefahrt“ heißen konnte und zum Wort „Korsar“ führte. Die Holländer und Deutschen übernahmen es spätestens im 15. Jahrhundert als Bezeichnung für „Schiffsroute“ und „Bewegungsrichtung eines Schiffes“.
Der alte Wunsch „Mast- und Schotbruch“ verwundert. Der Mast kann wohl brechen, aber die Leine, um das Segel an den Wind anzupassen, sollte doch eher reißen. Ursprünglich bezeichnete freilich das Wort „brechen“ nicht nur das Entzweigehen von harten Dingen, sondern tatsächlich auch das Reißen von Seilen, Stoff et cetera. Die Schot selbst wiederum geht wohl wie das Schott auf eine Vorform von „schießen“ im Germanischen zurück. Daraus entstand im Sinne von „Hervorgeschossenes“ auch der „Schoß“, wobei der auch das Spitze und Winklige bezeichnete. Die Verbindung zur Schot ergab sich über ihre Befestigung am Winkel, an der Ecke des Segels. Und über den Winkel ist die Schot auch mit dem Schoß im Körperlichen verbunden, der als die vor allem beim Sitzen sich ergebende winklige Nische zwischen Oberschenkel und Unterleib verstanden wurde.
Die beiden maritimen Ausdrücke sind nur scheinbar miteinander verwandt. Das Bugsieren hat schon eine ganz schöne Fahrt hinter sich. Denn die Holländer, von denen die Deutschen „boegseeren“ oder „boegsjaren“ übernahmen, hatten das Wort selbst aus dem Portugiesischen importiert. Dort hieß „puxar“ so viel wie „ziehen“ und „zerren“. Deutsche Seeleute, die vor ungefähr 400 Jahren das Wort bei uns einbürgerten, kannten diese verwickelte Ursprungsgeschichte natürlich nicht, aber sie kannten den Bug als Bezeichnung für das Vorderteil des Schiffs, der sich aus der Bezeichnung für das Schulterstück und Schulterblatt des Rindes oder Pferdes herausgebildet hatte. Ein Schiff verstand man ja als eine Art Meerross, sodass man, was von links und rechts vorn zusammenstrebte, als Schulterstücke verstehen konnte, als Bug eben. Der ähnliche Klang von „boegseeren“ und „Bug“ verführte dann dazu, aus dem niederländischen „o“ einfach ein „u“ zu machen. Ach ja, ursprünglich hieß „bugsieren“ ausschließlich „ein Schiff in Schlepptau nehmen“. Heute kann man so ziemlich alles und sogar jemanden bugsieren.
Neben dem Angler- oder Jägerlatein ist das Seemannsgarn wohl die bekannteste Lügenmärchenbezeichnung. In allen drei Fällen geht es um Erfindungen und Übertreibungen von Leuten, die etwas tun, bei dem die meisten Normalbürger nicht dabei sind, denen man später davon erzählt. Beim Seemannsgarn standen die Spinnstuben Pate, wo von Mädchen und Frauen sowohl Fäden als auch Geschichten gesponnen wurden. Das waren oft fantastische Erzählungen und Schauergeschichten, die man sich vortrug, damit die Arbeit nicht langweilig wurde. Der Erzählfaden kommt von hier – und dass jemand spinnt, also verrückt ist. Die Geschichten klangen eben manchmal gar zu seltsam. An Bord nun gab es viel zu flicken und zu spleißen, wobei man sich ebenfalls gern die Zeit mit Erzählen verkürzte. Da Seegeschichten sowieso für die meisten Landratten eine exotische und unglaubliche Note hatten, Seeleute darüber hinaus gern mit ihren Schilderungen in Erstaunen versetzten, bezeichnete man diese Döntjes als „Seemannsgarn“, also beim Spleißen, Flicken, Nähen gesponnene Lügengeschichten.
Im 19. Jahrhundert erst wanderte der Begriff „Atoll“ aus dem Englischen zu uns ein. Wichtig für seine frühere Verbreitung war ein Seefahrer aus Frankreich: François Pyrard de Laval (1578–1621). Der geriet nach einem Schiffbruch auf den Malediven mit Kameraden in eine fünf Jahre währende Gefangenschaft. Der Franzose lernte Dhivehi, die dort gebräuchliche Sprache. Dass die Bewohner ihre Art von Insel „atolhu“ oder „atulo“ nannten, erwähnt der gefangene Seemann in seinem 1607 geschriebenen Buch „Voyage de François Pyrard de Laval“. Dort definiert er das Atoll so: „Koralleninsel, die einen mehr oder weniger geschlossenen Ring um eine innere Lagune bildet.“ Der vielgelesene englische Geistliche und Reiseliteraturautor Samuel Purchas (ca. 1577–1626) übernahm 1613 wohl den Namen für diese „Vielheit kleiner Inseln“, wobei er „Atollon“ schrieb.
Vincent Gaddis (1913–1997), Ex-Reporter und Ex-PR-Mann, veröffentlichte 1964 als Pulp-Magazin, also Groschenroman, den Titel „Das tödliche Bermudadreieck“. Ausgehend von einigen (wenigen) ungeklärten Fällen, schrieb er frei erfindend über verschwundene Flugzeuge, Tanker, Segelschiffe, Rätsel, Geheimnisse, Unheimliches. Er hätte auch andere Meeresgegenden nehmen können, aber „Bermudadreieck“ klang gut. Von dem Werk ließ sich Charles Berlitz (1914–2003), Enkel des Sprachschulgründers, Ex-Mitarbeiter der Berlitz School und Ex-Geheimdienstler, anregen. Zehn Jahre später erschien sein Buch „Das Bermudadreieck“. Das Thema war dasselbe, die Mischung ähnlich: ein paar Fakten, dazu viele Hypothesen, als Tatsachen verkleidet, Widersprüche, Fehler und Erfindungen. Eine Flut von weiteren Büchern, Artikeln, Aufsätzen und Filmen anderer Autoren folgte. Kaum jemand störte sich an dem modernen Lügenmärchen – und nicht einmal daran, dass das Bermudadreieck vollkommen willkürliche Grenzen hatte. Allerlei Schiffsunglücke ereigneten sich auch außerhalb des Gebietes zwischen den Bermudas, Puerto Rico und Florida. Das Bermudadreieck vergrößerte sich im Lauf der Jahrzehnte nach Bedarf und um ein Vielfaches, um genügend Fälle zu finden.
Im Arabischen hieß „Awariya“ vor 1.000 Jahren „durch Wasser beschädigte Ware“. Durch Seeleute im Mittelmeerraum gelangte der Ausdruck ins Italienische, wo man ihn um 1300 schon antrifft. Das Französische wie das Niederländische wirkten als Transitsprachen für das Wort. Man schrieb es übrigens mal mit f, mal mit v, gern auch mit y, also „Haverye“. Wie es zum Bedeutungswandel kam? Nun ja, erst bezog man den Begriff auf Transportkosten und Gebühren sowie auf Schäden der Ware durch den Seetransport. Das passierte natürlich besonders bei einem Schiffbruch, sodass es auch dafür verwendet werden konnte. Von hier aus breitete sich das Wort auf große Landfahrzeuge, Maschinen und Einrichtungen aus. Das liegt vielleicht an der Tendenz der Medien, dramatisch zu formulieren – ein Schiffsunglück war ja fast immer schrecklich und hatte sehr oft gewaltige Folgen. So eignete sich die Havarie dazu, Schäden aller Art zu dramatisieren, bis hin zum Unfall im Atomkraftwerk.
Das Phänomen der sich regelmäßig ändernden Wasserstände fasziniert die Menschen seit je. Sie erkannten einen Rhythmus, also dass das Auftreten etwas mit Zeit zu tun hat. Die Zeit heißt im Niederdeutschen, das am Meer ja gesprochen wird, „tîd“, die Flutzeit allein ursprünglich „getîde“. Aus diesen Wörtern bildeten sich die Begriffe „Tide“ und „Tidenhub“, also der Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser. Der Begriff „Gezeiten“ entwickelte sich erst im 16. Jahrhundert, eben weil die Tiden mit der Zeit zusammenhängen, sie einteilen. Im Wechsel folgen Ebbe und Flut aufeinander. „Fluot“ hieß im Althochdeutschen noch „überströmendes Wasser“. Erst im 15. Jahrhundert entwickelte es sich zum Gegenwort für die Ebbe, die mit den Wörtern „ab“ und wohl auch „aber“ verbunden ist, und das Wort bezeichnete offenbar zuerst den Widerstrom zur Flut, eine Art Aberflut. Im Hochdeutschen wurde sie deshalb bis ins 16. Jahrhundert „Abflut“ und „Ablauf“ genannt. Erst danach bildete sich daraus das Kurzwort „Ebbe“.
YACHT-Autor Dr. Rolf-Bernhard Essig ist Literaturkritiker, Moderator und Dozent u. a. an der Universität Bamberg. Sein Werk „Butter bei die Fische“ erklärt amüsant und profund den Eingang von Seemanns- und Seglersprache in das Alltagsvokabular. In „Der Rausch des Meeres“ hat sich Essig mit dem Zusammenhang zwischen Alkohol und Seefahrt beschäftigt.