Stationäre TiefsSchwere Unwetter in Kroatien und Italien – Klimawandel?

Andreas Fritsch

 · 17.05.2023

Stationäre Tiefs: Schwere Unwetter in Kroatien und Italien – Klimawandel?Foto: Windy.com
Liegt wie angeklebt seit Tagen über Italien: ein ausgeprägtes Tief

Ungewöhnlich hartnäckige stationäre Tiefs sorgen in der Adria, dem Ionischen und Tyrrhenischen Meer für Extremwetter. Segler müssen sich an neue Zugmuster gewöhnen

Sintflutartige, sehr lang anhaltende Regenfälle sorgen seit Tagen in Italien und Kroatien für Überschwemmungen, teils mit Toten und Verletzten. Ursache dafür ist ein wie angenagelt liegender Tiefdruckwirbel über Italien, der sich zuerst über dem Stiefelabsatz befand, nun zentral liegt und kaum nach Osten abzieht. Stattdessen füllt er sich scheinbar auf und vertieft sich dann anschließend wieder. Fast 14 Tage bestimmt er jetzt schon das Wetter in der Region. Auch Kollegen der YACHT-Redaktion hingen bei einem Törn im Ionischen Meer in diesem ungewöhnlichen Wetterszenario fest: Von Korfu startend, wollten sie zum Peloponnes heruntersegeln und weiter nach Athen. Doch hartnäckiger, starker Südwind, teils mit Böen von 50 Knoten und Dauerregen, blockierte den Weg zum Kap Maleas am Peloponnes. Tagelang hingen die Wolken derart tief an den Inselrücken, dass man sich an einen Hebriden-Törn erinnert fühlt. Dazwischen zwei Tage Luftholen mit Sonne, aber auch Flaute, danach ging es wieder los. Ähnlich ergeht es zurzeit Crews an der kroatischen Küste.

Schönstes Hebriden-Wetter, hier letzte Woche vor der Insel Ithaka im Ionischen MeerFoto: Andreas Fritsch/YACHT
Schönstes Hebriden-Wetter, hier letzte Woche vor der Insel Ithaka im Ionischen Meer

Der Mai ist zwar natürlich kein gänzlich verlässlicher Monat im westlichen Mittelmeer, aber in dieser Zeit sind derart lang anhaltende Schlechtwetterphasen doch eher selten. Auf der Suche nach Erklärungen stolperte ich über einen ersten Hinweis in einer Neuauflage des Griechenland-Revierführers des Briten Rod Heikell, einer Legende in dem Business. Seit 45 Jahren segelt der Brite in Griechenland, meist von Lefkas startend. Zum Wetter im Revier merkt er an, dass sich nach seiner und auch den Beobachtungen einiger Locals das Wetter ändere. Die Vorsaison werde zunehmend unstabiler, die Nachsaison mit Wetterextremen wie Medicanes extremer.

Eine Folge des Klimawandels?

Ich bin seit 25 Jahren im Revier unterwegs und erlebe es ähnlich. In den letzten fünf Jahren geriet ich in der Ägäis schon zweimal in Medicanes, deren Stärke und Dauer erschreckend waren. Zum ersten Mal erlebte ich dort, dass die Behörden alle Ägäis-Häfen sperrten. Die Hafenmeister gingen herum und informierten uns Skipper, dass das Auslaufen kategorisch verboten sei. Das hatte ich in 25 Jahren Griechenland-Segeln noch nicht erlebt. Wind und Niederschläge waren dann später tatsächlich von geradezu biblischem Ausmaß. Und nun dieses wie angenagelt liegende Frühjahrstief über Italien, das unermüdlich feuchte, stürmische Luftmassen heranschaufelt.

Auf der Suche nach weiteren Erklärungen rufe ich den YACHT-Wetterexperten Dr. Michael Sachweh an. Der sitzt auf gepackten Koffern für die Tornado-Saison in den USA, hat nur kurz Zeit für ein Gespräch.

„Wir beobachten diese sehr langsam oder praktisch gar nicht ziehenden Tiefs seit einiger Zeit. Es scheint sich dabei wohl um eine Folge des Klimawandels zu handeln. Der Jetstream in der Höhe ist sehr schwach, und die Bewegung der Systeme, die er mitzieht, ist dadurch träger geworden“, erklärt er. Zogen früher solche Systeme meist in zwei bis drei Tagen durch, verharren sie nun teils eine Woche fast an einem Ort, füllen oder vertiefen sich wieder.

Unwetter in Italien und Kroatien: Fluch und Segen

Für die Segler bedeutet das schlechte Wetter mit vielen Wolken und Regen auch eine lang anhaltende, stabile Windlage, mit etwas Pech genau aus der Richtung, in die es gehen soll – in unserem Fall Süd. Für die Menschen an Land bedeuten die Wassermassen im Gepäck der Tiefs ganz andere Risiken: Besonders in den bergigen Regionen löst das Wasser oft Überschwemmungen und Erdrutsche aus. Aus Italien und Kroatien wurden bis zu 250 Liter Regen pro Quadratmeter in 24 Stunden gemeldet.

Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Die Niederschläge sind tatsächlich ein Segen für die Natur. Gerade die Region im Norden Italiens litt unter einer extremen Trockenheit, nun füllen sich Seen und Flüsse, etwa in der Po-Ebene, wieder. Die drohende Dürre mit massiven Ernteausfällen, die für dieses Jahr dort befürchtet wurde, scheint möglicherweise abgewendet. Und so sitzen wir als Segler mit gemischten Gefühlen an Bord unserer Yacht, die mangels Heizung nach drei Tagen im Regen unangenehm zu „feuchteln“ beginnt, wie der Süddeutsche sagt und damit klamme Klamotten beschreibt. Da hilft nur eins: im Ölzeug in die nächste nette Taverne stiefeln und das schlechte Wetter einfach ignorieren. „Siga, siga“, wie der Grieche sagt – immer schön mit der Ruhe.


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