SeemannschaftSturm im Hafen: Die Yacht richtig sichern

Lars Bolle

 · 16.03.2023

Seemannschaft: Sturm im Hafen: Die Yacht richtig sichernFoto: YACHT/J. Rieker
Ärgerlich. Ein simpler Zeising hätte den teuren Schaden leicht verhindern können

Stürme im Frühjahr und Herbst sind keine Seltenheit, und auch mitten im Sommer kann plötzlich Starkwind auftreten. Dann gilt es, sein Schiff vor dem Sturm und möglichen Schäden zu schützen. Die wichtigsten Handgriffe im Überblick

Eigentlich sollte eine Yacht immer so verlassen werden, als stünde ein Orkan bevor. Denn erst zu reagieren, wenn bereits Starkwind oder mehr im Anmarsch ist, kann viel zu spät sein. Das ist leichter gesagt, als sich vor Augen zu führen, was tatsächlich zu einer guten Vorbereitung gehört. Vorausgesetzt, die ist wegen eines langen Anfahrtsweges oder anderer Termine überhaupt möglich: Wer kann schon ahnen, dass zwischen zwei sonnigen Wochenenden ein verheerendes Sturmtief durchzieht? Ein Rundgang durch so ziemlich jeden Hafen zeigt dann auch: Allzu viele Eigner lassen sich offenbar von der vermeintlichen Sicherheit am Steg eines gut geschützten Hafens täuschen. Alte, verschlissene Festmacher, an Bord belegte Leinen, flatternde Segelkleider gehören zum alltäglichen Bild.

Der verheerende Orkan in Kiel 1989 und viele weitere Schwerwetterereignisse haben jedoch gezeigt, dass eine zu laxe Einstellung nicht nur die eigene, sondern auch fremde Yachten gefährden kann. Um einen beliebten Vergleich aus dem Gartenbereich zu bemühen: Was nützt es, den eigenen Rasen mit der Nagelschere zu schneiden, wenn beim Nachbarn das Unkraut wuchert?

An diese schnellen Handgriffe sollten Sie immer denken, auch wenn Sie das Schiff nur für wenige Tage verlassen:

Ausrüstung: Der Windwiderstand einer Fläche erhöht sich im Quadrat zur Windgeschwindigkeit. Da täuscht die leichte Brise im Hafen. Schon kleine Flächen, wie Rettungskragen oder Relingskleid, können sich zu enormen Widerständen summieren. Am besten wegstauen
Foto: YACHT/B. Scheurer

Die Yacht für einen möglichen Sturm präparieren

Ungesicherte Ausrüstung kann bei heftigen Bewegungen der Yacht selbst Schaden nehmen oder das eigene und fremde Boote beschädigen. Deshalb alles verstauen und sichern, was nicht niet- und nagelfest ist

Ladekabel: Die Bordbatterien rechtzeitig vollladen, damit die Maschine bei Bedarf sicher anspringt. Danach aber das Kabel abziehen und verstauen, es wäre bei Aktionen auf dem Steg im Sturm nur im Weg
Foto: YACHT/B. Scheurer

So festgemacht, liegen Sie sicherer

Wer bereits einen Sturm erwartet, sollte seinen Liegeplatz danach auswählen. Die Binsenweisheit gilt genauso im Hafenbecken. Wenn genug Platz zur Verfügung steht, bietet sich ein Stegwechsel an. Ein unkalkulierbares Risiko bleiben immer auch die Boote der Stegnachbarn, wenn sie nicht korrekt festgemacht sind. Deshalb ist es wichtig, nicht nur selbst das Schiff sorgfältig zu sichern, sondern auch einmal beim Nachbarlieger nach dem Rechten zu sehen und ihn auf eventuelle Nachlässigkeiten hinzuweisen. Ist dieser nicht an Bord oder erreichbar, den Hafenmeister informieren. Nur er ist außer dem Eigner berechtigt, etwas an der Yacht zu machen – auf keinen Fall selbst Hand anlegen, solange einer der beiden anderen das erledigen kann. Im Schadensfall kann es sonst zu erheblichen Forderungen kommen, da ja niemand mehr nachweisen kann, wer letztlich Schuld war, wenn sich etwa eine Yacht losgerissen hat.

Einzig wenn unmittelbar Gefahr droht und keine andere Hilfe möglich ist, was in einem plötzlich aufziehenden Orkan der Fall sein kann, dürfen Fremde Sicherungsmaßnahmen an anderen Yachten vornehmen.

Angefangen beim eigenen Boot: Je nach Steg, Windrichtung und Länge der Yacht muss verschieden festgemacht werden, um die bei Starkwind wirkenden Kräfte optimal zu verteilen (z.B. durch Kreuzen der Festmacher). Wir zeigen vier Skizzen in der Fotostrecke.

Am Fingersteg: Wenn die Yacht länger als der Steg ist, sind eine oder mehrere Vorsprings (rot) wichtig, um sie vorn vom Steg abzuhalten. Bei Sturm können zusätzliche Leinen zum Nachbarn und an Land (gelb) ausgebracht werden, um den Druck längsseits zu mildern
Foto: YACHT

Kleine Kosten, große Wirkung

Die glücklicherweise noch glimpflichen Folgen eines Herbststurms im September 2017 zeigt dieses Video. Glimpflich bedeutet hier: "nur" losgerissene Dingis und aufgelaufene Kleinboote. Kielyachten reißen sich bei gewöhnlichen Stürmen zum Glück nur selten los. Wenn doch, gehen die Schäden jedoch schnell in die Millionen.

Vor dem Sturm Festmacher prüfen

Enorme Kräfte wirken bei Sturm auf Tauwerk und Beschläge. Materialversagen ist neben falscher Vertäuung ein häufiger Grund für Orkanschäden. Vor dem Sturm müssen daher stets alle Festmacher auf Mängel und Ermüdung gecheckt werden. Die kommenden Belastungen auf das Tauwerk lassen sich meist schon mit Hausmitteln besser verteilen und scharfkantige Scheuerstellen im Vorwege ausbessern. Die wichtigste Rolle bei der Vorbereitung für Starkwind spielen dabei die Festmacher, sie sollen die Yacht an Ort und Stelle halten.

Deshalb auf keinen Fall alte Leinen oder gar Schoten verwenden; die ständige UV- und Witterungsbelastung hinterlässt Spuren. Schoten sind zudem nicht geeignet, weil sie naturgemäß sehr wenig Reck haben und Lastspitzen nicht abfedern. Sie werden im Segelalltag auch meist stark beansprucht, was die Bruchlast deutlich herabsetzen kann. Mit verschlissenen oder unterdimensionierten Leinen zu hantieren wäre etwa so, wie wissentlich mit einer defekten Maschine auszulaufen: Es muss nichts passieren, die Gefahr ist jedoch deutlich erhöht.

Leinen doppeln: Ist der Beschlag an Land nicht vertrauen­erweckend, wie etwa eine alte Holzklampe, lieber zusätzliche Leinen ausbringen und alternativ belegen, hier um die tragende Kon­struktion des Stegs. Die Zweitleinen etwas loser belegen als die eigentlichen Festmacher
Foto: YACHT/B. Scheurer

Grundsätzlich sollte der Hafenmeister nach seinen Sturmerfahrungen gefragt werden– vielleicht hat er ja noch ganz andere Tipps. Wie etwa in der Karibik, wo es in manchen Häfen extra Sandbecken gibt, in denen Yachten aufrecht stehend eingebuddelt werden. Die benötigen auch keine Festmacher.


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