RechtWann darf eine Yacht am Auslaufen gehindert werden?

YACHT-Redaktion

 · 07.12.2023

Recht: Wann darf eine Yacht am Auslaufen gehindert werden?Foto: dpa/pa
Ein am Weststrand der Insel Norderney gestrandetes Segelschiff
Jüngst hat der Fall eines aufgelaufenen „Geisterschiffes“ vor Norderney für Aufsehen gesorgt. Hätte dieses Boot den Hafen überhaupt verlassen dürfen? Und wer könnte es dem Skipper verbieten?

Beim sonntäglichen Spaziergang durch heimische Häfen oder beim abendlichen Flanieren im Segelurlaub, jeder hat sie schon einmal gesehen. Die Rede ist von Schiffen, die eher wie aufgegebene Piratenschiffe aussehen als nach einem gut gepflegten Sportgerät. Und beim ein oder anderen Objekt wundert man sich, dass es noch nicht auf Tiefe gegangen ist. Wann darf, kann und sollte ein Schiff am Auslaufen gehindert oder gar “aus dem Verkehr” gezogen werden?

Antworten gibt der auf Yachtrecht spezialisierte Anwalt Benyamin Tanis.

Wie kann überhaupt eingegriffen werden?

Bevor wir die Frage nach dem Wann beantworten können, müssen wir uns zunächst dem “Wie” widmen. „SAFETY FIRST“ ist als Aufschrift auf nahezu jedem Handelsschiff zu lesen und gilt auch in der privaten Seefahrt. Aber jeder Eigner wird gewiss eine ganz eigene Antwort auf die Frage nach der Seetüchtigkeit seines Schiffes haben, von ästhetischen Vorlieben mal ganz zu schweigen. Und einen TÜV für Boote gibt es (zum Glück) “noch” nicht. “Ist nicht die CE-Konformität so etwas in der Richtung?”, wird jetzt der ein oder die andere fragen. Nein, das ist sie nicht! Die CE-Konformitätsvorschriften sind keine Betriebserlaubnis für Sportboote und müssen von Privatleuten in der Regel nicht beachtet werden.

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In Ermangelung spezieller Vorschriften kann der Staat also nur zur sogenannten allgemeinen Gefahrenabwehr eingreifen. Dazu gibt es in jedem Bundesland eine allgemeine Gefahrenabwehrvorschrift im Landesrecht, die die Behörden ermächtigt einzugreifen, wenn die öffentliche Sicherheit oder der Einzelne bedroht ist. Und jeder Jurist wird jetzt die im Studium erlernte Verhältnismäßigkeitsprüfung herunterbeten: “Jeder Eingriff muss einem legitimen Zweck dienen, geeignet sein, diesen Zweck zu erreichen, erforderlich und angemessen sein.” Vereinfacht gesagt: Immer, wenn von einem Schiff Gefahr für den Eigner oder die öffentliche Sicherheit (Umwelt oder andere Personen) ausgeht, dann hat der Staat die Aufgabe zu handeln.

In der Regel sind es Passanten, Hafenmeister oder Liegeplatznachbarn, welche die Ordnungsbehörden auf den Plan rufen. In Deutschland liegt die Zuständigkeit bei den Hafenbehörden der Gemeinden oder dem Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt. Die angerufene Behörde hat dann die schwierige Aufgabe zu entscheiden, ob eine Festhalteverfügung (das Verbot auszulaufen und ggf. sogar ein Gebot zum Auswassern) geboten, geeignet und angemessen ist. Entscheidet sich die Behörde zum Handeln, so tut sie das mittels eines Verwaltungsaktes. Und gegen den kann der Betroffene Widerspruch erheben.

Wann geht “Gefahr” von einem Schiff aus?

Auch hierfür gibt es keine starren Vorschriften. Sicher kann man auch von Gefahr sprechen, wenn ein Schiff nicht nach guter Seemannschaft ausgerüstet ist oder geführt wird, aber das kann man selten von außen und auf den ersten Blick erkennen. Sofern ein Schiff zu sinken droht oder bereits in Seenot geraten ist, lässt sich wohl von Gefahr sprechen. Bloße Fragen des “guten Geschmacks” hingegen helfen in der Regel nicht weiter. Wann also “Gefahr” von einem Schiff ausgeht, ist oft nicht so leicht zu beurteilen.

Welche anderen Situationen berechtigen die Behörden zu handeln?

Nicht nur bei drohender Gefahr kann der Staat ein Schiff am Auslaufen hindern. Auch Zoll-, Steuer- oder sonstige Schulden des Eigners oder Besitzers können zur Beschlagnahme des Bootes führen. Deutlich häufiger jedoch sind tatsächlich Scheidungsstreitigkeiten der Auslöser für das hoheitliche Einschreiten am Steg.

Wie ist das in anderen Ländern?

Im Grunde genommen gilt das oben Gesagte für den gesamten EU-Raum, natürlich mit der ein oder anderen Besonderheit. So ist oft nicht wirklich auf den ersten Blick ersichtlich, ob der Handelnde tatsächlich berechtigt ist, ein Schiff am Auslaufen zu hindern. Im Süden Europas tragen nicht nur die staatlichen Ordnungshüter eine Uniform, sondern im Zweifel auch die Angestellten der örtlichen Marina. Da kann man schon mal ins Grübeln kommen, ob das Wort des Hafenmeisters tatsächlich “Gesetz” ist. Hier hilft oft ein vernünftiges Wort und immer die Polizei vor Ort weiter.

Was also tun, wenn der Staat sich einmischt?

Achten Sie darauf, dass die Entscheidung schriftlich ergeht. In Deutschland sollte das kein Problem sein, in anderen Ländern bestehen Sie darauf. Denn gegen den schriftlichen Bescheid können Sie dann das entsprechende Rechtsmittel einlegen. Hierbei ist zu beachten, dass ein Rechtsmittel normalerweise keine aufschiebende Wirkung entfaltet und die behördliche Entscheidung zunächst zu beachten ist. Über Ihren Widerspruch gegen das Behördenhandeln wird dann binnen Frist von vier bis acht Wochen entschieden. Wird der Verfügung nicht abgeholfen, so bleibt nur der Klageweg. Vor allem sollten Sie aber prüfen und sich selbst fragen, ob es nicht vielleicht tatsächlich einen Grund für die unliebsame Entscheidung gibt und ob dieser nicht vielleicht ganz einfach behoben werden kann. Sicherheitsmängel sollten stets unverzüglich abgestellt werden, dann klappt’s auch mit dem Liegeplatznachbarn.


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