GeisterschiffeDarf man eine verlassene Yacht behalten?

Pascal Schürmann

 · 15.02.2023

Geisterschiffe: Darf man eine verlassene Yacht behalten?Foto: U.S. Navy photo by Mass Communication Specialist 3rd Class Jonathan Clay/Released
Im Oktober 2017 geben zwei US-Seglerinnen ihr Schiff, die "Sea Nymph", im Pazifik auf. Die Küstenwache birgt die beiden ab. Ein Jahr später kollidiert um ein Haar ein Volvo Ocean Racer mit dem herumtreibenden Geisterschiff

Immer wieder lassen sich Crews auf See abbergen. Was passiert dann mit den Booten, die zu Geisterschiffen geworden sind? Müssen sie versenkt werden? Dürfen Finder sie für sich beanspruchen?

Es geschieht immer wieder: Crews lassen sich von ihren Yachten abbergen, geben ihre Yachten mitten auf dem Ozean auf. Mal versagt die Ruderanlage, mal kam es zu Unfällen, mal geht der Proviant aus. Oft sind die Boote noch schwimmfähig, sie treiben dann als Geisterschiffe auf dem Meer.

Was folgt daraus? Würde der Eigner zur Verantwortung gezogen, wenn ein anderes Schiff mit seiner Yacht kollidiert? Gehört sie ihm überhaupt noch, oder dürfte ein Finder sie behalten?

7 Fragen und Antworten zu Geisterschiffen:

Verliert ein Eigner, der sein Schiff auf See verlässt, das Eigentum daran?

Nach deutschem Recht nicht. Dafür wäre nach § 959 BGB neben der bloßen Besitzaufgabe auch der deutlich erkennbare Wille, das Eigentum aufzugeben, Voraussetzung. Erst, wenn dies gegeben ist, erlischt das Eigentum, und es handelt sich bei der Yacht fortan um eine herrenlose Sache.

Kann eine aufgegebene Yacht von Dritten übernommen werden, also als Fundsache angeeignet werden?

Nach deutschem Recht ja, wenn sie wie beschrieben eine herrenlose Sache ist. Auf einen sogenannten Verzichtswillen des Eigners kann aber nicht allein aus dem Verlassen des Schiffs geschlossen werden. Eindeutig ist die Situation nur dann, wenn klar erkennbar ist, dass der Eigner sein Eigentum aufgeben will. Hofft er hingegen, das Schiff später noch bergen zu können, darf es sich ein Finder nicht einfach aneignen.

Was passiert, wenn die verlassene Yacht irgendwo strandet, bevor der Eigner sie wiederfinden und bergen kann?

Das ist von Land zu Land sehr unterschiedlich geregelt. In Deutschland spielt es hinsichtlich des Eigentumsanspruchs keine Rolle, ob ein Boot auf See treibt oder an der Küste gestrandet ist.

Kann der Eigner zur Verantwortung gezogen werden, wenn beispielsweise ein anderes Schiff mit der aufgegebenen Yacht kollidiert?

Ja! Als Verursacher des zugrundeliegenden Zustandes haftet er für entstehende Schäden an anderen Schiffen oder auch der Umwelt. Das gilt selbst für den Fall, dass er seinen Willen bekundet, das Eigentum am Schiff aufgeben zu wollen – weil genau dadurch ja die Gefahr für Mensch und Umwelt verursacht wird.

Ist es verboten oder im Gegenteil sogar ratsam, seine Yacht beim Verlassen zu versenken, damit sie nicht zum Geisterschiff wird?

Die Yacht zu versenken schadet in jedem Fall der Umwelt. Es kann aber zumindest vermeiden, später als sogenannter Zustandsstörer haftbar gemacht zu werden – etwa im Fall einer Kollision. Ob es ratsam ist, hängt meist allerdings weniger von den rechtlichen als von den tatsächlichen Umständen ab. Ist es beispielsweise möglich, die Yacht später zu bergen, und hat sie einen hohen Wert, wird man das Haftungsrisiko vielleicht in Kauf nehmen wollen. Auch kann es schwierig werden, dem Kaskoversicherer den Nachweis zu erbringen, dass das Versenken notwendig war. Das kann bei einem Totalverlust schwierig sein – auch weil immer wieder Yachten vorsätzlich in betrügerischer Absicht versenkt werden, um die Versicherungssumme zu kassieren. Davon muss man sich nachweisbar abgrenzen können.

Was tun im Schadensfall?

Was Eigner im Fall einer Havarie zu tun haben, um ihren Versicherungsschutz nicht zu verlieren, lesen Sie in unserem

Spielt es eine Rolle, wo ein Schiff aufgegeben wird?

Ja! Mitten auf dem Ozean gilt beispielsweise kein nationales Recht. Der Grundsatz der Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers ist hingegen von internationaler Bedeutung. Wenn allerdings etwa ein Fischer auf der Osterinsel eine scheinbar aufgegebene Yacht birgt und sich zu deren Eigentümer erklärt, wird ein Rechtsstreit nicht nach deutschem Regelwerk geführt. Dann würden die nationalen Vorschriften vor Ort gelten.


Geisterschiffe gibt es gar nicht? Von wegen!