VorfahrtGericht verschärft Wegerechts-Regeln für Segler

Jan Zier

 · 22.03.2023

Vorfahrt: Gericht verschärft Wegerechts-Regeln für SeglerFoto: P. Hympendahl
Nur wer gerade wirklich fischt, ist den Seglern gegenüber privilegiert

Begegnet ein Segler einem Fischerboot, das kein Stundenglas gesetzt hat, muss er trotzdem ausweichen, wenn es andere Anzeichen dafür gibt, dass auf dem Schiff gerade gefischt wird. Das hat das Landgericht im niedersächsischen Verden jetzt entschieden (Aktenzeichen 1 O52/ 22)

Im konkreten Fall kollidierte eine Segelyacht im Sommer 2021 mit einem Fischkutter, der zweieinhalb Meilen vor der Küste in der Ostsee auf Höhe von Schleimünde fischte. Der Fischer hatte nach eigenen Angaben auf einer Gesamtlänge von rund einem Kilometer 17 Netze ausgelegt, jedes davon 60 Meter lang, und diese mit Fahnen markiert. Der Segler rammte das Fischerboot an Steuerbord, dabei entstand ein Sachschaden von über 17.000 Euro.

Kein Stundenglas gesetzt

Über den genauen Unfallhergang streiten sich die beiden Parteien. Sicher ist aber, dass der Fischer seinen in den Kollisionsverhütungsregeln vorgeschriebenen Kegel, das sogenannte Stundenglas, während des Fischens nicht gesetzt hatte. Klar ist auch, dass ein Fischer nur dann privilegiert ist – also einem Segler nicht ausweichen muss –, wenn er wirklich fischt. Ansonsten zählt er als normales Motorboot und müsste einem Segelschiff, das also keinen Motor mitlaufen hat, dann auch ausweichen.

Das Gericht entschied zugunsten des beklagten Seglers mit der Begründung: „Der Kläger hat nicht zur Überzeugung des Gerichts den Beweis dafür erbracht, dass er als fischendes Fahrzeug anzusehen ist.“

Urteil wirft Fragen auf

Doch zugleich stellte das Gericht nebenbei fest, dass es bei der Frage, ob ein Fischer seiner Aufgabe nachkommt oder als Motorboot unterwegs ist, grundsätzlich „nicht allein auf das Setzen des Stundenglases“ ankommt. Vielmehr lassen auch „andere Beweiszeichen“ wie „eine langsame Fahrt“ oder „Tätigkeiten an Bord, die auf das Fischen hinweisen“, klar darauf schließen.

Ein Tagessichtzeichen ist also nach Ansicht des Gerichts für Fischer keine zwingende Voraussetzung, um Vorfahrt zu haben, wenn ein Segler des Weges kommt.

Das Urteil genügt der Lebenswirklichkeit auf dem Wasser nicht”

Rechtsanwalt Jochen-P. Kunze, der den Segler vertreten hat und auf Yachthandelsrecht spezialisiert ist, spricht trotz des Erfolges vor Gericht von einem „Fehlurteil“: „Die Ansicht des Gerichtes genügt der Lebenswirklichkeit auf dem Wasser nicht“, sagt Kunze: „Auf See ist nur unter optimalen Bedingungen überhaupt etwas erkennbar, das einen Hinweis auf eine fischende Tätigkeit gibt.“ Es verbleibe deshalb meist eine Unsicherheit.

Die Frage des Wegerechts dürfe aber nicht vom Zufall oder den Sichtverhältnissen abhängen. Der Unfall zeige, dass selbst bei Tag die Sicht auf das, was an Bord eines anderen Bootes passiert, durch den Bug, das Segel oder das Steuerhaus „vollständig versperrt“ sein kann. Genau deswegen habe sich der Gesetzgeber für eindeutige Sichtzeichen entschieden, so Kunze, denn sie schaffen Klarheit: „Diesen Sicherungszweck als obsolet zu sehen halte ich für eine gefährliche Missinterpretation“, kommentiert er das Urteil des Gerichts.

Vorsicht vor Fischern

Kommt ein Fischer in Sicht, ist also stets besondere Vorsicht geboten. Mitunter sind sie allein an Bord, zuweilen streikt die Technik, oder der Schiffsführer ist zu beschäftigt, um ordentlich gut Ausguck zu halten.


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