Mike Peuker
· 26.04.2023
Einen Törn optimal planen – Seemannschafts-Experte Mike Peuker sagt, wie es geht. Neben guter Seemannschaft zählt auch das Wetter
Der Wecker klingelt kurz nach Mitternacht. Wegen angekündigten Starkwinds werfen wir schon eine halbe Stunde später die Leinen in Maasholm los. Mit einem überstürzten Aufbruch hat das nichts zu tun. Das Boot haben wir tags zuvor sorgfältig vorbereitet, alles in Sachen Wetter und Routing schon vorm Zubettgehen akribisch erledigt.
Jetzt liegen 93,7 Grad an. In schwarzer Nacht gleiten wir aufs Richtfeuer Schleimünde-Lotseninsel zu. 0,7 Meilen später sind die Feuer von Schleimünde West in Deckung. Ein Kontrollblick zum Kompass bestätigt die Richtigkeit des neuen Kurses, 107,5 Grad! Weitere 0,8 Meilen stehen wir exakt querab des kleinen Hafens von Schleimünde. Kurz darauf ist die Schlei achteraus. Auf der Kante zwischen rotem und grünem Sektorenfeuer segeln wir weiter mit Kurs 20 Grad. Genau wie geplant, ist später der Ausgang der Flensburger Förde passiert, bevor sich dort mit zunehmendem Wind eine unangenehme Welle aufbaut. Zudem lassen wir ein temporäres Schießgebiet der Marine, das in den Bekanntmachungen für Seefahrer für den Tag angekündigt ist, rechtzeitig hinter uns.
Alle zu segelnden Kurse, Leuchtfeuerlinien und so weiter sind in einer Kladde chronologisch aufgelistet. Nachts mit Brille und Rotlicht Karten lesen müssen, sollte man in engen und flachen Fahrwassern vermeiden.
Nun fragt sich vermutlich der ein oder andere: „Wer bitte bereitet einen Törn derart minutiös vor?“ Hand aufs Herz, die meisten werfen einen kurzen Blick aufs Wetter, schalten den Plotter an, und dann heißt es „Leinen los!“, insbesondere im Heimatrevier. Mit guter Seemannschaft hat das wenig zu tun. Vor allem trägt es nicht zur Sicherheit bei, im Gegenteil. Daher nachfolgend Tipps zur Törnvorbereitung in puncto Wetter.
Wie wird das Wetter, wo gibt es umfassende Beratung, welches Routing sollen wir wählen und warum? Womit navigieren? Genügt statt der Papierkarte nicht auch der Plotter? All das sind notwendige Fragen, aber sind es wirklich die wichtigsten? Meine Antwort: Nein, sind es nicht!
Gute Seemannschaft bei der Törnvorbereitung bedeutet zuallererst, die unterschiedlichen Erwartungen und Fähigkeiten aller Crewmitglieder auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu bringen. Was heißt das konkret? Als Skipper ist man für das Wohlbefinden aller Mitsegelnden verantwortlich. Damit niemand mit gemischten Gefühlen an den Start geht, werden alle törnrelevanten Fragen im Vorfeld gemeinsam diskutiert und entschieden.
Aufs Wetter bezogen heißt das: Welche Bedingungen kann man tolerieren, wie lang darf der Törn werden, segelt man gegebenenfalls auch in die Nacht? Das und einiges mehr muss sich dabei an den Belangen der Neulinge an Bord und nicht an den Wünschen der Salzbuckel orientieren. Jeder wird rasch feststellen, dass es viel erfüllender ist, mit einer entspannten und gut gelaunten Crew 20 Meilen zu segeln, als mit einer angespannten, ängstlichen 120 Meilen absolvieren zu müssen.
Erst, wenn diese Fragen geklärt sind, geht es an die eigentliche Vorbereitung. Dabei sollte vor allem die bevorstehende Wettersituation detailliert angeschaut werden. Denn 20 Meilen gegenan zu bolzen kann durchaus anstrengender sein, als 50 Meilen mit raumen Winden dahinzurauschen.
Um möglichst umfassend informiert zu sein, nutzen wir unterschiedliche Quellen. Einen ersten groben Überblick liefert der Seewetterbericht des DWD. Er versorgt uns mit Angaben über Wind, Wellenhöhen und Sichtweiten in den verschiedenen Gebieten von Nord- und Ostsee. Herausgegeben wird er alle sechs Stunden zwischen 00:15 Uhr und 18:15 Uhr. Neben dem Seewetterbericht gibt es diverse andere Infos auf der DWD-Seite, unter anderem Stationsmeldungen mit aktuellem Wetter.
Wer es kleinteiliger mag, nutzt zusätzlich die Dienste verschiedener anderer, kommerzieller Anbieter wie Windfinder, Windy, Windguru oder auch die von ausländischen staatlichen Meteoinstituten. Neben Infos ähnlich denen des DWD profitiert man dann von animierten Karten, auf denen die Entwicklung verschiedenster Wetterparameter anschaulich dargestellt wird.
Möchte man es noch genauer haben, kann man sich von Firmen wie Wetterwelt eine eigene Wettervorhersage erstellen lassen. Derlei Service muss natürlich bezahlt werden, dafür telefoniert man im Gegenzug mit einem professionellen Meteorologen.
Die Möglichkeiten sind quasi grenzenlos. Meine Devise ist, mir möglichst viele unterschiedliche Wettermodelle anzusehen und daraus ein eigenes „Durchschnittsmodell“ zu erstellen. Mit etwas Erfahrung kann man dann beurteilen, was auf einen zukommt.
Oft zu wenig Beachtung findet ein Blick auf die Oberflächenströmungen der zu befahrenden Seegebiete. Sie können einen beispielsweise im Großen und Kleinen Belt oder im Øresund ganz schön ausbremsen. Geht man etwa bei der eigenen Yacht von einer Durchschnittsgeschwindigkeit von vier Knoten aus, können zwei Knoten Strom je nach Richtung für gewaltige Unterschiede sorgen: In die eine geht es dreimal schneller als in die andere. Das sollte man bei der Törnplanung berücksichtigen.
Bei derlei Strömungen wird schnell klar, dass selbst in einem nahezu tidenfreien Revier wie der Ostsee nicht unerhebliche Wasserstandsänderungen auftreten können. So kommt es immer wieder vor, dass ein Schiff einen Hafen schlicht nicht verlassen kann, weil es aufsitzt. Insbesondere mehrere Tage mit starkem Westwind sollten einen hellhörig werden lassen.
Das Wasser des Atlantiks drückt dann in die Nordsee und lässt nördlich Seeland und Fünen einen Wasserstau entstehen. Mit anderen Worten, von Norden kann nicht so viel Wasser nachkommen, wie im Süden Richtung Baltikum weggedrückt wird. In der westlichen Ostsee wird es dann schon mal sehr flach. Da kann es sich lohnen, das Boot rechtzeitig an einen tieferen Liegeplatz zu verholen, damit die Abfahrt nicht gefährdet ist. Aktuelle Wasserstände gibt es zum Beispiel bei Pegel Online, einem Service der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes.