Ursula Meer
· 11.10.2022
Ins Päckchen zu müssen ist vielen ein Graus. Doch wer die richtigen Manöver beherrscht und sich passend zu verhalten weiß, kommt – im doppelten Wortsinn – immer gut an. Wir zeigen, wie es geht
„Bei einem Ostseetörn bin ich nicht um 13 Uhr im Hafen, um einen Platz zu bekommen. Ich bin Ganztagssegler, fahre gern bis zum Abend“, erzählt Jörg Inselmann. „Man bekommt dann vielleicht nicht den Wunschplatz. Aber ich habe mit dem Päckchenliegen auch kein Problem“, führt der Freizeitsegler aus, der mit seiner 42-Fuß-Yacht lange Törns unter anderem auf Nord- und Ostsee unternimmt. Mit Helgoland als einem seiner liebsten Ziele hat er diesbezüglich viel Routine.
Im Gegensatz zu ihm behagt vielen Seglern der Gedanke nicht, dicht an dicht mit anderen zu liegen. Denn zum einen bedeutet das, die Privatsphäre ein Stück weit aufzugeben und den Bordalltag anzupassen: Fremde Menschen laufen über das eigene Boot, die Versorgung mit Strom und Wasser ist nicht gewährleistet, Landgänge und Besorgungen werden ein wenig aufwändiger. Zum anderen können die An- und Ablegemanöver etwas anspruchsvoller ausfallen. Das sind allesamt Sorgen, die manch einen lieber früh den nächsten Hafen anlaufen lassen.
Wir haben meist nur gute Erfahrungen gemacht. In der Regel ist die Hilfsbereitschaft untereinander groß!
Dabei kann das Päckchenliegen viele positive Erfahrungen und den einen oder anderen neuen Kniff in der Seemannschaft mit sich bringen. Hollandsegler Frank Winklmeier nennt es „das freundliche Erlebnis: Man kommt sofort ins Gespräch, die helfende Hand ist sofort da, gerade wenn man, wie ich, einhand unterwegs ist.“ In seinem Revier, dem Wattenmeer, bestimmt die Tide den Törn. Viele Boote kommen gleichzeitig in den Hafen und müssen Platz finden; im Sommer sind Päckchen nicht zu umgehen. Entsprechend groß ist die Bereitschaft, andere Boote längsseits zu nehmen.
Andernorts versuchen Segler das gelegentlich zu verhindern, indem sie an ihrer freien Seite keine Fender ausbringen, Beiboote festmachen oder andere Crews verbal abwehren. Doch angesichts immer voller werdender Häfen rechtfertigt allein der Wunsch nach Privatsphäre derart abweisendes Verhalten nicht; es braucht schon gute Gründe, wie Ostseesegler Marcus Lindemann schildert: „Neulich wurden wir in Marstal abgewiesen – aber mit guten Argumenten. Wir hätten mit unserem großen, schweren Schiff nur noch an deutlich kleineren festmachen können.“ Das sei aber die Ausnahme: „Wir haben meist nur gute Erfahrungen gemacht, in der Regel ist die Hilfsbereitschaft groß.“
Kein Grund also, sich schöner Segelstunden zu berauben, nur um einen freien Platz zu ergattern. Fürs Päckchenliegen sind allein ein wenig Vorbereitung und gegenseitige Rücksichtnahme nötig.
Hafenmeister organisieren in manchen Häfen das Anlegen, in anderen sind Päckchenreihen für verschiedene Bootsgrößen vorgegeben. Meist bleibt die Wahl aber dem Skipper überlassen.
Dann heißt es zuallererst, nicht an kleineren, sondern stets an gleich großen, besser noch an etwas größeren Schiffen längsseits zu gehen. Schwerere Boote sind für kleine, innen liegende Yachten eine enorme Belastung. Im Zweifel sollten sie lieber den Platz tauschen und nach außen gehen.
Auch die Freibordhöhe ist zu beachten: Die Scheuerleiste hochbordiger Yachten kann unter Umständen auf den Seezaun niedrigerer Boote drücken.
Wer ins Päckchen möchte, sollte den infrage kommenden Nachbarn zuvor um Erlaubnis bitten und Leinen und Fender vorbereitet haben. Das Anlegen erfolgt ähnlich, wie längsseits am Steg festzumachen. Dabei möglichst behutsam vorgehen. Ob Boote Bug an Bug oder wechselweise Bug an Heck festmachen sollten, hängt teils von den äußeren Bedingungen ab. So dürfen etwa die Masten zweier Nachbarlieger nicht auf einer Höhe nebeneinander stehen, wenn die Boote infolge von Schwell oder viel Wind im Hafen zu rollen beginnen. Ihre Salinge könnten sich verhaken, die Riggs Schaden nehmen. Dann besser Bug an Heck liegen. Oder ein Schiff um einen Meter nach vorn oder achtern verholen.
Vorteil des wechselweisen Liegens: Jeder hat im Cockpit etwas mehr Ruhe. Allerdings wird der Weg über die Vorschiffe der anderen Boote dadurch länger; der Landgang gerät zum Slalomlauf. Darüber hinaus bläst unter Umständen jeder zweiten Crew der Wind in Cockpit und Niedergang, und es klatscht die Welle ans Heck. In den meisten Fällen wird es daher für alle Beteiligten komfortabler sein, wenn sämtliche Buge in dieselbe Richtung zeigen.
Bei der Ansteuerung an ein fremdes Boot sollte man wie beim Längsseitsgehen am Steg darauf achten, wenn möglich gegen den Wind anzufahren. Vor allem, wenn es kräftiger weht. Das verringert die Gefahr, an der Bordwand des anderen Schiffes entlangzuschrammen, erheblich. Ausgebrachte Fender tun ihr Übriges. Die werden, einmal angekommen, angepasst und die Festmacher belegt.
Die Boote sollten dabei parallel zueinander liegen. Gerade moderne Yachten sind am Heck genauso breit wie in der Mitte. „Viele Crews setzen die Vorleine zu dicht und geben auf die Achterleine zu viel Lose. Wenn das auf mehreren Booten gemacht wird, haben wir am Ende kein stabiles Päckchen, sondern einen Kreisbogen, der viel Platz verschwendet“, berichtet Jörg Inselmann aus seiner Erfahrung.
Landleinen verhindern, dass sich die miteinander verbundene Bootsriege vor und zurück bewegt. Damit das funktioniert, müssen die Leinen in einem ausreichend großen Winkel auch von den äußeren Schiffen zum Land hin ausgebracht werden. Ab einer gewissen Anzahl von Päckchenliegern ist das aber häufig nicht mehr möglich. In solch einem Fall erfüllen Leinen zu den Booten in den benachbarten Päckchen denselben Zweck.
Bei stark auflandigem Wind können von den außen liegenden Yachten zusätzlich Anker zur Seite ausgebracht werden, um das Päckchen noch besser zu stabilisieren und die innen liegenden Boote zu entlasten.
Mit Glück und Geschick findet sich meist auch im engsten Hafen noch ein Plätzchen. Gerade wenn Päckchen wachsen, ist dazwischen oft noch eine enge oder auch breitere Gasse frei.
Routinierte Crews können diese Räume nutzen, indem sie zwischen den Reihen anlegen. Ist die Lücke schmal, geht das mit dem Bug zum Steg. Die Crew kommt bequem an Land, ohne über andere Boote klettern zu müssen.
Ist der Raum zwischen den Schiffen etwas größer als die eigene Bootslänge, kann mit einem geschickten Manöver sogar längsseits am Steg festgemacht werden. Damit ist dann zugleich auch eine neue Päckchenreihe für weitere ankommende Boote eröffnet.
So nah wie im Päckchen kommen sich Boote freiwillig sonst selten. Gut abgefendert ist das aber weder beim An- oder Ablegen noch nach dem Festmachen ein Problem. Wenn klar ist, wie herum ein Schiff an einem anderen festmachen möchte, können an der entsprechenden Seite von vorn bis achtern alle vorhandenen Fender ausgebracht werden – an der anderen Seite werden sie zunächst ja nicht gebraucht. Ein Crewmitglied mit einem Ballonfender auf Standby kann zusätzlich helfen, Schrammen zu verhindern, besonders bei viel Wind oder falls Fender verrutschen.
Ist das Boot einmal fest, werden die Fender für den Aufenthalt im Hafen angepasst. Je nach Größe, Anzahl und Gewicht der Boote können im Päckchen bei auflandigem
Wind enorme Kräfte auf den Rumpf eines innen liegenden Schiffs wirken. Dann müssen die Fender die oft bauchige Rumpfform zum geraden Steg ausgleichen. Ballonfender eignen sich gut für Bug und Heck, lange Fender für die Mitte. Ohne Vorschäden platzen sie zwar selbst bei besonders viel Winddruck nicht, können aber arg deformiert werden und damit ihren Zweck nicht mehr voll erfüllen. In solchen Fällen alternativ oder zusätzlich drei einzelne zu einem dicken Fenderpaket zusammenbinden. Das passt sich auch bei Lücken oder Leitern am Steg gut an. Einen ähnlichen Zweck erfüllt ein Fenderbrett. Kissenfender sind ebenfalls eine gute Ergänzung. Sie bleiben auch unter großem Druck noch relativ formstabil und behalten so ihre schützende Wirkung.
Boote an Backbord, Boote an Steuerbord und der Wunsch abzulegen – manchem Segler ist dabei gar nicht wohl. Häufig erübrigt sich die Sorge aber schon allein dadurch, dass die Reisewilligen mehr oder weniger alle um die gleiche Zeit losfahren.
Wichtig sind klare Absprachen mit den Nachbarn. Es kann durchaus sinnvoll sein, schon bei der Ankunft zu klären, wer wann wieder abreisen möchte. Will ein Innenlieger morgens um fünf los, einigen sich erfahrungsgemäß alle gern darauf, dass er schon am Vorabend nach außen geht und die anderen weiterschlafen können. Der Außenlieger kann dann in aller Ruhe genauso ablegen wie von einem Steg.
Wer sich mitten im Päckchen oder als erstes Boot am Steg wiederfindet, sollte erst recht mit den Nachbarn frühzeitig klären, wann er fort möchte, damit sie ihren Tag planen können. In Tidenrevieren bestimmen die Gezeiten und das Ziel den Zeitpunkt der Abfahrt, viel Spielraum bleibt den Abreisenden nicht. „Wenn einer sagt, ich muss morgen um sieben los, sind die Leute, die dafür zuständig sind, so ein Päckchen aufzulösen – das müssen ja nicht immer alle sein –, auch pünktlich an Deck“, berichtet Frank Winklmeier von seinen Törns an der Nordseeküste.
Nicht immer müssen alle Schiffe ablegen, wenn ein Innenlieger heraus möchte. Ist vor oder hinter dem Päckchen ausreichend Platz, kann das Boot ohne großen Aufwand herausfahren. Wie das geht, zeigt beispielhaft die Bildfolge. Handlungsbedarf besteht dann zunächst nur auf den direkt benachbarten Schiffen. Mit Leinenarbeit lassen sich von dort aus bequem auch mehrere Boote bewegen, gegebenenfalls, indem die Leinen über die Winsch dichtgeholt werden oder mehrere Leute mit anpacken.
Wenn nicht gerade Flaute herrscht oder wenig Wind weht, sollte die Ausfahrt immer mit dem Wind erfolgen, nicht gegenan. Nur so ist gewährleistet, dass die verbleibenden Yachten nicht vom Wind weggedrückt werden und unkontrolliert abdriften. Vorsicht ist bei derartigen Manövern jedoch bei großen Booten geboten, weiß Jörg Inselmann: „Sie gehen schnell auf Drift, die hält man nicht mit den Händen an der Leine fest. Die Leine muss immer um die Klampe gelegt werden!“
Bei stark ablandigem Wind oder wenn der Platz nicht ausreicht, kann es daher auch sinnvoll sein, dass die äußeren Schiffe kurz ablegen.
Wenn trotz guter Absprache alle klar sind für das Manöver, nur eine Crew sich auf einem ausgedehnten Landgang befindet oder noch schlummert, muss sich die Abfahrt dennoch nicht verzögern. Ein absolutes No-Go ist es dann, die Leinen anderer Boote einfach loszuwerfen und abzufahren. Und unnötig noch dazu. Es finden sich fast immer hilfsbereite Segler auf Nachbarschiffen oder am Steg, die das Ablegen mit Leinenarbeit unterstützen. Gegebenenfalls kann dazu auch ein Mitglied der eigenen Crew auf dem Nachbarboot oder am Steg abgestellt und später wieder eingesammelt werden.
Selbst das kurze Ab- und wieder Anlegen unter Motor kann mit einem unbemannten Schiff im Längsseitsschlepp gelingen – Umsicht und Erfahrung vorausgesetzt. Hilfreich sind in jedem Fall ein paar helfende Hände am Steg oder auf dem Boot, an dem wieder festgemacht werden soll, sowie klare Anweisungen an alle Beteiligten.
Enge führt schnell zu Reibung. Aber mit ein paar einfachen Regeln lässt sich Ärger vermeiden: