Einer der schönsten Momente auf dem Boot ist der, wenn nach dem absolvierten Ablegemanöver die Segel gesetzt werden und die Maschine ausgeschaltet werden kann. Plötzlich tritt Ruhe ein, die Yacht legt sich auf die Seite und beginnt, angetrieben vom Wind, Fahrt aufzunehmen. Darauf freuen sich Segler schon die ganze Woche. Aber wie bekommt man das Großsegel komplett entspannt und ohne jegliche Probleme nach oben und wieder herunter?
Diese elementare Aufgabe an Bord wirkt auf den ersten Blick fast schon banal, dennoch gibt es einige Kniffe, mit denen sich das Manöver vereinfachen lässt. Beim Setzen hilft eine gute Vorbereitung. Denn geht das Segel schnell hoch, ist nicht so viel Platz für das Manöver nötig, außerdem wird das Tuch geschont, je kürzer es flattert. Nicht ohne Grund wird dabei auch von Killen gesprochen.
Früher mussten die Segel nicht selten bereits im Hafen gesetzt oder nach dem Törn erst dort geborgen werden. Als es noch keine verlässlichen, starken Antriebe gab, blieb den Crews nichts weiter übrig, als unter Segeln ab- und anzulegen. Dafür standen jedoch meist größere Vorhäfen als heutzutage inklusive Takeldalben zur Verfügung. An diese wurden die Boote verholt, und die Segel konnten im Wind stehend gesetzt oder geborgen werden.
Heute, mit modernen Yachten und starken Antrieben, werden solcherart Manöverhilfen nicht mehr benötigt. Sie sind folglich in den meisten Häfen zusätzlichen Liegeplätzen gewichen. Damit ist vielerorts das Segeln im Hafen nicht mehr möglich und oft sogar verboten. Die Tücher müssen also meist vor den Häfen gesetzt beziehungsweise geborgen werden.
Dennoch beginnen diese Manöver auch heute noch am Liegeplatz – mit der Vorbereitung nämlich. Alle Segel, also meist Groß und Genua, sollten angeschlagen und vorbereitet sein. So, dass sie zwar nicht vom Wind unkontrolliert gelöst werden können, aber dennoch schnell zu bedienen sind. Also niemals etwa mit geschlossenen Lazybags und ohne angeschlagenes Großfall den Hafen verlassen! Denn wenn plötzlich vor den Molenköpfen die Maschine versagt, wird man froh sein, das Segel hochreißen und sich freisegeln zu können. Da es mittlerweile kaum noch schützende Vorhäfen gibt, ist es ratsam, sich ein möglichst ruhiges Gebiet vor dem Hafen für die Manöver zu suchen. Das ist einfach bei ablandigem Wind, aber fast unmöglich, wenn es direkt auflandig weht.
Doch schon bei Quer-Richtungen reicht eine kleine Huk oder auch die Abdeckung einer Mole, um weniger Wind und vor allem weniger Wellengang abzubekommen. Das Bocken der Yacht in höherer See kann für eine Person, die zum Segelmanöver das schützende Cockpit verlassen muss, sehr gefährlich werden. Ein Setzen und Bergen der Tücher sollte stets so schnell wie möglich, aber nicht überhastet geschehen. Mitten im Manöver ist die Yacht manövrierbehindert, und diese Phase sollte nicht unnötig lange dauern. Außerdem vergrößert sich bei zu langen Prozeduren das Manövriergebiet, wodurch die Kollisionsgefahr steigt.
Bei den meisten Yachten gilt als Faustregel für die Reihenfolge der Segel: beim Setzen erst das Groß, beim Bergen erst die Genua. Oder anders: das Großsegel zuerst und zuletzt. Das hat mehrere Gründe: Ist die Yacht mit einer Rollgenua ausgestattet, was für fast 90 Prozent aller neu ausgelieferten Yachten gilt, ist deren Handhabung deutlich einfacher als die des Großsegels. Wenn also etwas beim Setzen des Groß hakt oder klemmt, muss man sich nur um dieses Segel kümmern und hat nicht noch ein zweites im Wind knattern.
Letzteres kann sogar gefährlich werden, wenn etwa eine Person an oder vor den Mast muss, um am Groß zu hantieren. Dann ist es nicht gut, gleichzeitig vom Schothorn der schlagenden Genua verprügelt zu werden. Auch deshalb gehören übrigens keine Metallschäkel als Verbindung zur Schot ans Segel. Wenn überhaupt geschäkelt wird, etwa bei Schoten mit festen Augen wie bei verjüngtem Dyneema-Tauwerk, dann Softschäkel verwenden. Die bestehen selbst aus Tauwerk und sind weich.
Wurde zuerst das Großsegel gesetzt, kann mit diesem schon auf Kurs gegangen werden, ohne die Genua sofort auszurollen. Mit dem gesetzten Groß erst einmal loszusegeln verkleinert zudem den benötigten Manöver-Seeraum. Man kann sich zudem nur mit dem Groß erst einmal aus dem zuvor aufgesuchten geschützten Gebiet hinausbegeben. Wird freies Wasser erreicht, lässt sich viel besser abschätzen, welche Besegelung für die herrschenden Bedingungen die richtige ist, ob also etwa die Genua gar nicht voll ausgerollt wird oder ob vor deren Ausrollen das Groß erst einmal ein Reff bekommt.
Beim Setzen des Großsegels sollte die Yacht nicht genau im Wind stehen, der Baum sich etwas außerhalb der Mittschiffslinie befinden, das entschärft die Gefahr für die Köpfe der Crew. Außerdem kann sich in Tuchmulden Regenwasser angesammelt haben, welches so nicht direkt auf die Crew oder in den Niedergang tropft.
Auch beim Bergen gilt wieder, so wenig Fahrt wie nötig im Schiff zu haben, um wie zuvor beschrieben den Winddruck an Bord nicht zusätzlich zu erhöhen. Im Regattabereich wird zum Setzen und Bergen auch gern rückwärts gefahren, um den scheinbaren Wind an Deck zu verringern und so die oft sensibleren Tücher zu schonen. Das ist jedoch nur mit einem geübten Steuermann sowie einer Crew zu empfehlen. Die Person am Ruder muss sich voll auf diesen Job konzentrieren und kann nicht beim Segelmanöver helfen, anders als oftmals bei Vorausfahrt.
Eine Alternative zum gezeigten Ablauf beim Bergen wird gern von Einhandseglern genutzt. Diese setzt Lazyjacks sowie nicht zu stark gepfeilte Salinge und gut laufende Mastrutscher voraus. Die Yacht bleibt dabei zunächst ungefähr auf einem Halbwindkurs, den der Autopilot hält. Die Genua ist gesetzt. Die Schot wird gefiert, bis das Segel killt, der Baum steht dabei nahezu querab. Jetzt wird das Fall gefiert, das Segel fällt in die Lazyjacks. Selbst wenn am Mast geholfen werden muss, ist das möglich, denn der Autopilot steuert ja. Das kann er meistens aber nur auf Kurs und in Fahrt gut, nicht so sehr im Wind. Ist das Groß geborgen, die Maschine starten und zuletzt die Genua bergen.
Spätestens beim Bergen und beim Auftuchen lässt sich Stress vermeiden, einige Arbeitsschritte abkürzen und mit der richtigen Technik besonders viel Zeit sparen. Entscheidend sind die Handgriffe am Vorliek, wenn das Tuch am Mast runterkommt. Die Buchten zwischen den Rutschern müssen abwechselnd nach Backbord und Steuerbord gelegt werden. Sie bilden das Fundament für das darauffolgende Auftuchen.
Das geht dann einfach – vom Achterliek beginnend und bis zum Mast fortschreitend – von der Hand. Der große Vorteil: Ist das Großsegel schon vor der Hafeneinfahrt richtig aufgetucht, muss es am Liegeplatz nicht mehr angefasst werden.
Dann fehlt nur noch die Persenning, denn UV-Strahlung ist der größte Feind des Materials, mehr noch als das Killen.
Großsegel in Rollreff-Ausführung haben sich noch nicht so durchgesetzt wie Rollgenuas. Das liegt einerseits am deutlich höheren Preis einer solchen Anlage gegenüber einem herkömmlichen Groß, aber auch am bisherigen schlechten Ruf der Rollsegel. Die mussten, vor allen bei günstigem Material, im Achterliek hohl geschnitten werden, da normale Segellatten zur Kontrolle des Achterlieks nicht möglich waren. Mit besseren Materialien und senkrechten Latten können heute aber auch Rollgroßsegel achtern ausgestellt werden und stehen in puncto Effizienz herkömmlichen Fahrtensegeln kaum noch nach.
Das entscheidende Argument für diese Art Großsegel ist jedoch die deutlich einfachere Bedienung gegenüber einem Standardtuch, weshalb das Rollgroß vermehrt auf Charteryachten zum Einsatz kommt. Es muss niemand zum Setzen oder Bergen das Cockpit verlassen, es muss nicht vor- oder nachbereitet werden: Ist das Tuch in den Mast gedreht, ist es gleichzeitig verstaut; Lazyjacks oder Lazybags werden nicht benötigt. Und es muss kein Großfall mit seinen langen Wegen bedient werden.
Zum Ein- oder Ausrollen sollte die Yacht ungefähr im Wind stehen mit dem Baum etwas außermittig, um die Verletzungsgefahr zu verringern. Dabei am besten zu der Seite, welche das Wickeln begünstigt. Rollt die Anlage etwa gegen den Uhrzeigersinn, sollte der Baum etwas backbord stehen. Dann muss das Tuch beim Wickeln nicht noch um die Spaltkante im Mast gewürgt werden. Das schont Material und Kräfte.
Wenn der Autopilot nach der Windrichtung steuert, kann er den Bug zuverlässig in Luv halten. So gelingt das Manöver noch einfacher, ob zu zweit oder auch einhand. Der Steuermann kann sich ganz auf die Arbeit am Fall konzentrieren.
Zum Bergen muss der Bug nicht zwingend genau im Wind sein, es hilft bei mehr Wind aber enorm. Dann laufen die Rutscher oder Wagen noch leichter in der Mastnut, und das Großsegel kommt fast von allein runter.
Eher steiferes Laminat oder gar durchgelattete Segel lassen sich einfacher in ordentliche Falten legen. Das auf der rechten Seite beschriebene Prinzip des Auftuchens klappt aber mit allen Segelmaterialien.
Das Großsegel lässt sich auch gut bergen, ohne in den Wind zu fahren. Die dicht geschotete Genua kann dabei helfen. Ihr Abwind nimmt den Druck aus dem Großsegel. So lässt es sich auf Amwind-Kurs bergen.
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