YACHT-Redaktion
· 25.08.2023
Es ist der Alptraum eines jeden Charter-Kunden: Drei Tage vor Chartertermin meldet sich der Flottenbetreiber, dem die Yacht gehört, und teilt mit, dass die Charteragentur die bereits gezahlten Gelder des Kunden nicht weitergeleitet und das Schiff storniert hat. Der Kunde sitzt ohne Schiff da, mit bezahlten Flügen und tausenden Euros Verlust.
So erging es einem britischen Charter-Kunden, wie er der YACHT-Redaktion schildert: “Am 24 Juni, drei Tage vor der Charter rief mich der griechische Flottenbetreiber an und sagte, Myrentboat habe ihnen mitgeteilt, wir hätten die Reise gecancelt. Sie hätten keine der Anzahlungen bekommen und würden uns das Boot bei Anreise nur übergeben, wenn wir die Chartersumme ein weiteres Mal zahlen würden. Dabei hatte ich die vollen 3624 Euro bezahlt. Alle Versuche mit Myrentboat telefonisch direkt in Kontakt zu treten scheiterten. Aber am nächsten Tag bekam ich eine Mail von der Agentur, dass mein Geld umgehend erstattet würde.”
Das geschah bis heute nicht. Noch schlimmer: Ende Juli ist die Website der Agentur dann plötzlich offline und nicht mehr zu erreichen. Daraufhin zeigt der Kunde die Firma wegen Betruges bei der Polizei an.
Auf Anfrage der YACHT äußerte sich der russische Geschäftsführer Alexander Lebedev zu den Vorgängen wie folgt:
“Unsere Firma hat kleinere Schwierigkeiten und soweit ich das sehe, gibt es fast keine negativen Bewertungen im Internet, aber davon abgesehen haben wir mit fast allen betroffenen Kunden eine Lösung gefunden. Das Management von Myrentboat hat entschieden, die Seite nicht wieder zu eröffnen, bevor alle Kunden ihr Geld zurück erstattet bekommen haben. Wir müssen zu unser guten Reputation zurück kommen, die wir über die letzten Jahre aufgebaut haben.”
Die beiden der Redaktion bekannten, betroffenen Kunden hatten allerdings bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung keinerlei Zahlungen erhalten. Nach der Anfrage der YACHT meldete sich Myrentboat bei den Kunden und versprach erneut die Rückzahlung. Bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung war aber kein Geld eingetroffen.
Auf der Webseite der Firma wird damit geworben, dass sie mit gängigen Rückversicherern arbeiten, wie zum Beispiel der renommierten Firma Yacht-Pool aus Deutschland. An die wendete sich der geprellte Kunde und hoffte auf Rückerstattung seiner Zahlungen.
Doch als er sich bei Dr. Friedrich Schöchl, Geschäftsführer und Inhaber von Yacht-Pool meldet, hört der den Namen der britischen Firma zum ersten Mal: “ Wir haben unser Absicherungs-System ‘Checked & Trusted’, das Kundengelder, die an Agenturen gezahlt werden absichern. Dafür müssen die Firmen uns aber ihre Bilanzen offen legen, wir prüfen die, und wenn sie finanziell solide erscheinen, können sie unsere Sicherungsscheine beantragen und an ihre Kunden ausgeben. Werden Agentur oder Flottenbetreiber dann zahlungsunfähig, werden die Zahlungen ersetzt.” Nur dass Myrentboat dies nie beantragt hat und es keinerlei Geschäftsbeziehungen zu der britischen Firma gibt.
Yacht-Pool reagierte umgehend: “Daraufhin haben wir die britische Firma abgemahnt, dass sie 24 Stunden Zeit haben, unser Logo von ihrer Webseite zu entfernen, danach würden wir juristisch gegen sie vorgehen. Wenig später ging die Website offline”, so Dr. Friedrich Schöchl.
Fast zeitgleich hagelt es ab Ende Juni plötzlich bei der Online-Firmen-Bewertungs-Plattform “Trustpilot” auf einmal schlechte Kritiken: Rund ein Dutzend Kunden aus aller Welt beschreiben ähnliche Erfahrungen, überschreiben sie mit “Betrug”, “Scammer”, “Kriminelle” und ähnlichem Vokabular. Da die Website neue und ältere Rezensionen mischt, gibt es dazwischen auch 5-Sterne Bewertungen - nur dass die fast alle aus 2022 stammen.
Die Agentur, die im britischen Handelsregister eingetragen ist, wird von einem russischen Staatsbürger geführt. Seit den jüngsten Vorfällen ist die Webseite offline, unter der Telefonnummer läuft nur noch ein Anrufbeantworter.
Findet keine Rückzahlung zeitnah nach dem Ausfall statt, zeigt die Erfahrung der Redaktion, das solche Fälle für die Kunden leider meist ähnlich enden: Das Geld ist verloren. Wird eventuell noch ein Insolvenzverfahren eröffnet, gehen einzelne Gläubiger meist leer aus, weil in solchen Agenturen fast keine Insolvenzmasse vorhanden ist. Daher wird ein Insolvenzverfahren oft auch mangels Masse abgelehnt. Da das Online-Chartergeschäft immer internationaler wird, und viel Webseiten auch mehrsprachig sind, kann so etwas auch durchaus deutschen Kunden passieren. Die Frage ist daher, wie kann man sich als Kunde vor solchen Katastrophen schützen? Dafür haben wir Tipps für sie.