“Sieben Farben Blau”Berliner Segler über ihr Karibik-Abenteuer - jetzt auf Lesereise

YACHT-Redaktion

 · 25.01.2024

Angekommen. Claudia Clawien blickt vom karibischen Sandstrand der Pirate’s Bay von Tobago aus auf ihre dort vor Anker liegende stählerne Segelyacht „Inti“
Foto: Sieben Farben Blau/Delius Klasing
Eine siebenjährige Auszeit führt das Berliner Paar Claudia Clawien und Jonathan Buttmann auf der Stahlyacht „Inti“ aus ihrem Kiez bis nach Kiribati. Nach ihren Auftritten auf der boot gehen die beiden jetzt auf Lesereise. Hier zeigen wir das zehnte Kapitel ihres Buches “Sieben Farben Blau”, in dem sie die Ankunft in der Karibik beschreiben
  • 25./26.1.: boot Düsseldorf/ Sailing Center Bühne
  • 30.1.: Zürich
  • 1.2.: Kaprun
  • 4.2.: Villach
  • 9.2.: Osterburg
  • 10.2.: Berlin
  • 16.2.: Kiel
  • 23.2.: Eutin
  • 25.2.: Hamburg
  • 28.2.: Berlin
  • 7.3.: Osterholz-Scharmbeck
  • 30.4.: Ginsheim

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Tief wummern die Reggaebeats aus den gewaltigen Lautsprechern des Sammeltaxis, dem Fahrer gefällt der Groove. Lässig dreht er den Reg­ler noch ein wenig höher. Wir und die Wände des Taxis vibrieren. Die afrikanischstämmigen Mütter auf der Bank vor uns stört das nicht, im Gegenteil: „Hey sugar, you like da music? Welcome to Trinidad“, übertönen sie die Musik.

Wir sind in der Karibik angekommen, und die Einheimischen begegnen uns freundlich. Auf dem Wochenmarkt begrüßen uns die Verkäufer mit „Darling“, „Sweetheart“ oder „Sugar“, und oft werden wir auf der Straße angesprochen und mit dem Auto mitgenommen.

Eines Tages steht der indischstämmige Vishnu vor unserem Boot. Es ist Divali, das indische Lichterfest. In den Händen hält er einen Riesenkarton indischer Köstlichkeiten. Selbst gemachte Pakoras, Hähnchencurry, gebratener Reis, Salat, scharfe Soßen und Bier wandern zu uns aufs Boot. „Wenn ihr unser Land besucht, müsst ihr es genießen!“, sagt er und verschwindet so schnell, dass wir kaum Zeit finden, uns zu bedanken.

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“Liming”, die karibische Lebensart

Uns gefällt der entspannte Umgang der Menschen untereinander, im Gegensatz zum geschäftigen Europa ist Müßiggang in der Karibik eine Tugend. Die Menschen von Trinidad und Tobago haben ein eigenes Wort dafür: „Liming“, was so viel wie „das süße Nichtstun genießen“ bedeutet. Bei uns muss das Liming jedoch noch eine Weile warten, denn wir liegen in einem der geschäftigsten Orte des kleinen Inselstaates.

Die Chaguaramas-Bucht am Nordwestzipfel Trinidads ist das Zen­trum des Yachtsports in der Karibik. Trinidad liegt sicher vor Hurrikanen im Süden der Antillen, und so sammeln sich hier während der Saison der Tropenstürme die Yachten. Viele nutzen die Zeit, um Reparaturen in einer der vielen Marinas und Werften durchzuführen – nach den beschaulichen Ankerplätzen der letzten Monate für uns ein Zivilisationsschock.

Hunderte von Yachten umgeben uns, die Beiboote sausen hin und her, Funkrunden rattern über das Funkgerät, es wird geschliffen, gepinselt und gefachsimpelt. Genau deswegen sind wir allerdings hier, unsere „Inti“ braucht Pflege. Der Rost blüht, und den ehemals weißen Rumpf ziert ein Tigermuster aus Rostschlieren.

Kaum in der Karibik angekommen, hebt uns der mächtige Kran der Coral Cove Marina an Land. Anstelle des türkisblauen Karibischen Meers umgeben uns Matsch und Schleifstaub. Kreischende Schleifmaschinen ersetzen singende Tropenvögel und zirpende Grillen. In der Luft hängt der verbrannte Geruch von Schweißanoden und beißenden Lackdämpfen.

Eine Herausforderung: Leben an Bord während des Refits

Zu Hause in Deutschland war die Werftzeit begleitet von Vorfreude. Der Frühling und die nächste Segelsaison standen bevor!

Anders ist es jedoch, wenn man während der Werftzeit an Bord leben muss. Boote müs­sen regelmäßig gewartet werden, die salzige Luft und Strahlen der Sonne greifen Lacke und Stoffe an, die Naturgewalten sind eine Dauerbelastung für das Material. Auch Häuser und Wohnungen müssen renoviert werden, ein Boot wird dabei jedoch komplett von seinem Umfeld entkoppelt. Es ist, als würde man das Haus an einen Kran hängen und in eine Werkstatt stellen. Wasserleitungen, Stromkabel und die Zugänge werden nur notdürftig mit der Werkstatt verbunden. Das Boot steht aufgebockt auf seinem Kiel an Land, für jeden Gang hinein oder hinaus muss eine hohe Leiter erklommen werden. Weder die Toilette noch die Spüle der Küche funktionieren. Im Inneren beginnt ein Leben zwischen Werkzeugen, Lackdosen und angefangenen Baustellen.

Hinzu kommen die unglaubliche Hitze und die Luftfeuchtigkeit der Tropen. Abend für Abend stellen wir verwundert fest, dass wir zwar jeder vier bis fünf Liter Wasser getrunken haben, aber den ganzen Tag nicht einmal auf Toilette waren. Es ist, als würde das Wasser sofort durch die Haut verdampfen. Am Ankerplatz weht immer eine angenehme Brise, hier jedoch steht die Luft.

Auch die Kakerlaken und Mücken kommen jetzt einfacher an Bord, mit dabei die Tigermücke. Diese gestreifte Mückenart überträgt Tropenkrankheiten wie Denguefieber und Chikungunya.

Auch auf der Werft ist Chikungunya ausgebrochen, eine Krankheit, bei der schlagartig alle Gelenke schmerzen. Sie heißt „die Krankheit des gekrümmten Mannes“. In der morgendlichen Funkrunde bitten immer mehr Segler um Hilfe. Auch unseren Freund Alex hat es erwischt. Der kräftige junge Mann schafft es nicht einmal mehr, den Schraubverschluss einer Flasche zu öffnen, zu stark sind die Gelenkschmerzen in seinen Fingern. Glücklicherweise bleiben wir verschont.

Zahlreiche Segler treffen sich in Chaguaramas für nötige Arbeiten

Wir kommen trotz allem gut voran. Morgen für Morgen schwingen wir uns zum Sonnenaufgang aus der Koje und arbeiten, bis die Hitze unerträglich wird. Die Marina hat einen kleinen Pool, in dem die Mittagshitze erträglich ist. Wenn die Temperaturen am Nachmittag abkühlen, arbeiten wir weiter, hämmern den Rost vom Stahl, tragen Farbschichten auf und lackieren Holzteile. Wir wollen schnell zurück ins Wasser, weg aus dieser Hölle aus Staub, Hitze, Lackdämpfen und Ungeziefer.

Das Gute an unserer Werftzeit ist, dass wir nicht allein sind. Im Gegenteil, in Chaguaramas treffen sich Segler aus aller Welt und stehen vor der gleichen Aufgabe wie wir. Alle paar Tage wird der große Grill in der Marina angezündet und gemeinsam in der kühlen Abendluft gegessen. Gegen die Strapazen des Tages hilft ein kühles Bier oder ein tiefer Schluck Karibikrum.

Bleibt der Grill kalt, findet in einer der vielen Bars von Chaguaramas eine Happy Hour statt. Hier treffen unterschiedlichste Menschen und Biografien aufeinander, die trotz aller Verschiedenheit ein Thema verbindet: Gemeinsam wird über Schiffsproblemen gebrütet, immer findet sich jemand, der hilft oder einen guten Rat hat.

Die „Inti“ liegt frisch überholt vor Anker in den San-Blas-Inseln, am Rand der KaribikFoto: Sieben Farben Blau/Delius KlasingDie „Inti“ liegt frisch überholt vor Anker in den San-Blas-Inseln, am Rand der Karibik

Wir lernen nicht nur Segel zu nähen und neue technische Probleme zu lösen, sondern auch viel über die Ziele in der Karibik. Einige unserer neuen Freunde leben schon seit Jahren hier und kennen sich gut aus – so können wir für unsere weitere Reise viele wertvolle Tipps sammeln.

Nach einem Monat erstrahlt unsere „Inti“ in neuem Glanz, und wir sind voller Tatendrang. Die Karibik kann kommen! Jetzt schaukelt die „Inti“ im türkisblauen Wasser, und wir geben uns dem Liming hin. Langsam heilen die Kratzer und Wunden, blättern die letzten Reste Lack, Sikaflex und Antifouling von unserer Haut.

Piratengefahr in der Karibik

Als wollte Trinidad uns nicht loslassen, schüttete es wie aus Kübeln. Doch wir wollten endlich raus aus Chaguaramas und segelten trotzdem los. Grimmig kramte Jonathan sein gut verstautes Ölzeug heraus und kämpfte die „Inti“ durch den Regen und die üble Kreuzsee der Galleonspassage. Komplett aufgeweicht, wurden wir mächtig durchgeschüttelt.

Dennoch freuten wir uns, endlich wieder segeln zu können, und brüllten dem Sauwetter trotzig einen Jauchzer nach dem anderen entgegen. Einmal wurde unsere Euphorie jedoch von einem Schreck unterbrochen. Neben uns erschien ein Motorboot mit zwei martialisch anmutenden Kraftprotzen. „Piraten!“, schoss es uns durch den Kopf. Diese Gegend ist berüchtigt dafür.

Während Claudia sich lieber im Boot verkroch und Jonathan nach der Machete Ausschau hielt, fragten die beiden freundlich nach dem Weg nach Tobago – sie hatten sich einfach in dem Mistwetter verirrt.

Der Passat treibt die “Inti” voran

Jetzt sind wir in Tobago und im karibischen Leben angekommen. Vor uns liegen palmengesäumte Strände, dahinter Berge mit dichten Tropenwäldern, in denen Wasserfälle zum Baden einladen. In der Luft liegt der Sound von Reggae und Steeldrums, hin und wieder unterbrochen vom Cannabisduft der vielen Rastafaris.

Das Leben geht einen entspannten Gang, Stress ist ein Fremdwort in der Karibik. Auch der Passatwind hat uns wieder, kontinuierlich weht er aus Nordost bis Ost. Der frische Wind bläst die Hitze davon und trägt uns von Bucht zu Bucht. In den Wanten pfeift er sein Lied, begleitet vom Zischen des Windgenerators, der uns zuverlässig mit Energie versorgt. In regelmäßigen Abständen wird die „Inti“ von einer Bö erfasst und zerrt rumpelnd an der Ankerkette, während die Wellen leise gegen ihren Bauch trommeln.

Diesen für die Karibik typischen Wind nutzten schon die alten Segler, die ihre traurige Sklavenfracht auf die Inseln brachten und dort die Schiffsbäuche wieder mit Gewürzen, Kakao und Rum füllten.

Traurige Geschichte, hinreißende Natur

Wie eine Perlenschnur reihen sich die Inseln in der Karibik auf. Ihre Namen sind Zeugnis der wechselhaften Geschichte: „Pirate’s Bay“ oder „Bloody Bay“, englische, französische, spanische oder niederländische Namen.

Egal, ob Grenada, die Grenadinen, St. Vincent, St. Lucia, Martinique, die kleinen Inselstaaten haben viele Kämpfe und Angriffe hinter sich. Die Kolonialmächte, Händler und Piraten stritten um die Inselgruppe der West Indies, der Kleinen Antillen oder, welche Bezeichnung am besten zu ihnen passt, die „Inseln über dem Wind“.

Angekommen. Claudia Clawien blickt vom karibischen Sandstrand der Pirate’s Bay von Tobago aus auf ihre dort vor Anker liegende stählerne Segelyacht „Inti“Foto: Sieben Farben Blau/Delius KlasingAngekommen. Claudia Clawien blickt vom karibischen Sandstrand der Pirate’s Bay von Tobago aus auf ihre dort vor Anker liegende stählerne Segelyacht „Inti“

Der traurigen Geschichte dieser Inseln steht die Schönheit der Natur gegenüber. Tobago fasziniert uns und lässt uns nicht mehr los.

Langsam segeln wir die Buchten Richtung Norden ab, und mit jedem Stopp wird es paradiesischer. Es regnet oft, aber das ist uns egal. Laut den Einheimischen gibt es in der Karibik keinen Regen, sie nennen ihn „liquid sun“, flüssige Sonne.

In den Nächten leuchten Tausende von Glühwürmchen in den Bäumen am Ufer. Es sieht aus, als würde der Sternenhimmel nahtlos in den Urwald übergehen. Es riecht nach Tropenregen und exotischen Pflanzen. Wir entdecken Strände, die fast schon kitschig schön sind.

Wasserfälle, Kolibris und Papageien

Hier müssen die Motive der in den 80er Jahren angesagten Panoramatapeten aufgenommen worden sein. Einige sind einsam, andere gesäumt von kleinen Fischerdörfern, in denen wir herzlich empfangen werden.

In einem dieser Dörfer unternehmen wir eine Wanderung in den Regenwald hinein. Schon bald ergießt sich vor uns ein Wasserfall in einen natürlichen Pool. Schnell sind wir raus aus den Klamotten und tollen kreischend durch das kühle Nass. Die Salzkruste löst sich von unserer Haut, und unsere Körper genießen eine Massage unter den herabstürzenden Wassermassen.

Wir sind nicht die Einzigen, die sich freuen, ein ausgedehntes Süßwasserbad nehmen zu können. Auf dem Rückweg kommt uns ein Junge mit Duschgel und Handtuch entgegen, der Wasserfall ist die Dusche des lokalen Fußballvereins.

Gleich hinter dem Fußballplatz geht es hinunter zum Fluss. Der Weg ist gesäumt von Kakaobäumen. Kolibris schwirren durch die Luft, und grüne Papageien krächzen über uns.

Reichhaltiges Fischbuffet

Abends halten wir die Angel ins Wasser, Red Snapper und andere schmackhafte Fische beißen gern an. Und selbst wenn nichts am Haken ist, ist das kein Problem, denn im Dorf verkaufen die Fischer ihren frischen Fang.

Die kleinen Fischerboote bringen Thunfisch, Wahoo, Golddorade oder auch mal einen kleinen Hai. Dann fliegen die Schuppen und Flossen!

Der Fisch wird direkt gesäubert, ausgenommen und in handliche Filets zerhackt. Drum herum warten die Käufer, dass ihre Plastiktüten gefüllt werden. Gibt es keinen Fisch, wird einfach auf das nächste Fischerboot gewartet. Es wird gescherzt und geplaudert, und wir stellen uns gern dazu.

So frischen Fisch haben wir zuvor selten gegessen. Er ist so lecker, dass wir ihn meist roh als Ceviche essen – eine Spezialität aus Südamerika mit viel Limettensaft, Zwiebeln, Koriander und Chili. Morgens schnappen wir uns Taucherbrille und Flossen und umschwärmen unser Boot. Immer mal wieder schaut eine Schildkröte vorbei.

Segler und Fischer bilden eine Gemeinschaft

Auch gesellschaftlich sind wir eingespannt. In der Bucht von Charlotteville sind wir von vielen Bekannten umgeben, die wir an vielen Orten unserer bisherigen Reise bereits getroffen haben. Am Strand wird gegrillt, Boule gespielt, viel gelacht und Seemannsgarn gesponnen. Jeden Abend ist an Land oder auf einem der Boote etwas los.

Drum herum geht alles seinen entspannten karibischen Gang. Jonathan hilft einem Fischer dabei, sein Boot an Land zu ziehen, oder repariert den kleinen Jungs ihre selbst gemachten, verhedderten Drachen.

Gern trinken wir ein Bierchen mit den Fischern. Erstaunt stellen wir fest, dass einer von ihnen eine Zeit lang in Berlin gelebt hat. Er schwärmt von deutschen Brötchen und Bier, doch das Leben in der Karibik will er nicht mit der Geschäftigkeit einer deutschen Großstadt tauschen. „Hier habe ich zwar nicht viel, aber mir fehlt nichts.“ Ein breites Grinsen legt seine Zahnlücke frei, während er von seiner Heimat schwärmt. Auch wir haben uns eingelebt in Tobago und können uns schwer vorstellen, ins hektische Berlin zurückzukehren. „Wir sind zwar keine Landeier, aber definitiv Seeeier geworden“, stellen wir lachend fest.

Die nördliche Karibik wartet

Langsam zieht es uns weiter, die nördlichen Karibikstaaten locken! Zu diesem Zeitpunkt wissen wir noch nicht, dass Tobago unser Schatz der Karibik bleiben wird, unser kleines Paradies am Rand des Antillenbogens. Wir merken schnell, dass die Insel abseits der typischen Seglerroute liegt. Mit jeder Insel, die wir weiter nach Norden kommen, wird es touristischer. Uns erwarten überfüllte Ankerplätze und grölende Chartercrews, die eine Woche im Vollrausch auf einer gemieteten Yacht verbringen.

Die Einheimischen sind mehr auf ein gutes Geschäft aus als auf eine Bekanntschaft mit uns. In vielen Buchten werden wir von einer Schar von geschäftigen Händlern, den Boatboys, erwartet.

Die Inselstaaten reihen sich aneinander und fordern deftige Einreise­gebühren von uns. Der Yachtsport ist ein wichtiger Wirtschaftszweig in der Karibik. Trotz allem finden wir auch Ausnahmen, entdecken traumhafte Orte und offene Menschen, sehen aber, dass die negativen Seiten des Tourismus die Karibik erreicht haben.

Weihnachten ist in der Karibik Hauptsaison

Vielleicht liegt es auch daran, dass Weihnachten ansteht, die Hauptsaison in der Karibik. Weihnachten fühlt sich ungewohnt an in der Karibik. Wie bei uns zu Hause werden die Häuser mit bunten Lichtern geschmückt, und manchmal findet sich sogar ein Weihnachtsbaum oder ein Weihnachtsmann. Aber dieser Kerl mit Rauschebart und voller Wintermontur passt einfach nicht in die tropische Hitze.

Und was macht ein Schlitten mit Rentieren in einem Land, das noch nie Schnee gesehen hat? Eine Art der Globalisierung, die uns zum Schmunzeln bringt.

Weihnachten in der Karibik drückt sich vor allem über Musik aus. Wie sollte es auch anders sein in den Ländern, die die Steeldrums, den Soca und den Reggae erfunden haben?

Weihnachten feiern Claudia Clawien und Jonathan Buttmann in der Karibik. Ungewohnt ist dabei die sommerliche Hitze – und der Beat von Steeldrums am StrandFoto: Sieben Farben Blau/Delius KlasingWeihnachten feiern Claudia Clawien und Jonathan Buttmann in der Karibik. Ungewohnt ist dabei die sommerliche Hitze – und der Beat von Steeldrums am Strand

Aus den Soundsystems und Mega-Autoanlagen dröhnen die Weihnachtslieder. Karibische Weihnachtslieder sind weit entfernt vom gewohnten Glockenklingeln und besinnlichem Gesang. Die Texte sind zwar oft die altbekannten, aber darüber trällern die Steeldrums, und darunter liegen massive Soca- und Reggaebeats.

Die mit allen erdenklichen Soundeffekten verdrehten Gesänge sprühen vor Lebensfreude. Das lauteste Soundsystem schallt aus der Rumbude an der Ecke, in der sich die Fischer abends mit den anderen Einheimischen ihren Absacker genehmigen. Hier wird kräftig mitgewippt und mitgesungen. Wir denken an einen Berliner Kiosk, vor dem die Profitrinker mit den Punks, dem Dönerverkäufer, dem rausgeputzten Hipster und der Jungfamilie vom Prenzlauer Berg freudig ein Bier schwingen und „Oh du fröhliche“ grölen. Wieder müssen wir schmunzeln.

Parang-Musik wischt alle Sünden davon

Weihnachten ist die Zeit der Parang-Musik. „C’mon put your sneakers on and dance!“, lädt uns eine Marktfrau zu einem dieser Konzerte ein. Parang zu singen bedeutet so viel wie die Beichte abzulegen. Jeder kann davon erzählen, dass er gestohlen oder seinen Partner betrogen hat. Der Parang wischt die Sünden davon.

Das Konzert ist eine Großveranstaltung, es gibt einiges zu beichten. Auf der Bühne erklingt der Parang, und unter ihr wird munter aufs Neue gesündigt. Das Bier fließt, schwungvoll werden die Hühnerkeulen auf dem Grill gewendet, es riecht nach Gras und Rum.

Wir lassen uns treiben in diesem fröhlichen Ambiente. Die Reggae-DJs übernehmen das Bühnenprogramm, und bis in die frühen Morgenstunden dröhnen die Beats. Es ist der vierte Advent, und wir tanzen uns die Flipflops durch.

Der Schweinebraten kam mit Haut und Borsten

Ein wenig unserer Tradition wollen wir uns trotz allem erhalten. Als Heiligabend naht, machen wir uns auf den Weg, für den Weihnachtsschmaus einzukaufen. Vor dem Inseldorf fallen uns am Straßenrand Verkäufer auf, die mit riesigen Fleisch­lappen hantieren. Samstags ist Fleischtag, da werden die Schweine geschlachtet und direkt verkauft.

Der Besitzer des geschlachteten Schweins steht mit einem Messer vor einem Haufen Fleisch. Schüchtern fragen wir nach einem Kotelett und ernten fragende Blicke.

Ein Stück Fleisch, mit Borsten, Haut und allem, was dazugehört, wandert kurz darauf in eine Plastiktüte. Von welchem Stück Schwein mag das sein, fragen wir uns. Doch der Schweinebraten schmeckt fantastisch frisch und zart. Stilecht hat Claudia noch Rotkohl dazu gekocht, und eine Flasche Wein konnten wir ebenfalls finden.

Silvester in der Karibik

Zu Silvester zieht es uns weiter zur Insel Mayreau, denn wir haben erfahren, dass dort Freunde vor Anker liegen. An einem kleinen Strand machen wir ein Feuer und grillen das Fleisch der Riesenmuschel Lambi. Typisch für diese Seglertreffen, steuert jeder etwas hinzu – Getränke, Salate oder einen Nachtisch.

Diese „Pot Luck“ genannten Partys funktionieren ganz einfach: Großes Organisieren ist nicht nötig, und selten entsteht die Verlegenheit, dass alle das Gleiche vorbereiten. Es wird ein ausgelassenes Fest.

Neben unseren Freunden ist noch ein Paar dabei, das seit 20 Jahren mit dem Boot unterwegs ist. Die ganze Welt haben die beiden gesehen, oft ist ihnen das Geld ausgegangen, aber sie haben es trotzdem geschafft weiterzukommen. Stolz berichten sie, wie sie es geschafft haben, über mehrere Jahre mit nur 200 US-Dollar im Monat zurechtzukommen. Auf vieles mussten sie verzichten, er hat kaum noch Zähne im Mund, aber sie strahlen eine tiefe Zufriedenheit aus.

Die Lebenskünstler der Karibik zeigen, dass es auch ohne Geld geht

Wir fragen uns, wie weit wir wohl kommen werden. Stunde für Stunde denken wir an die Menschen, die gerade ins neue Jahr hineinkommen. Wir sind eine französische Familie, eine Niederländerin, ein Engländer, ein Italiener, eine Mexikanerin, eine Deutsche und ein Deutscher mit chilenischer Familie. In all den Zeitzonen begrüßen wir das neue Jahr. Mal gibt es einen Kuchen mit Wunderkerzen, mal eine Flasche Sekt, mal einen chilenischen Wein, und als die Uhr in Mexiko zwölf schlägt, springt die Mexikanerin mit ihrem italienischen Freund auf und rennt mit einem Rucksack den Strand hinunter – eine Tradition aus ihrer Heimat Yucatán.

Ein herrlicher Abend am Strand geht zu Ende, wir liegen im warmen Sand und schauen in die Sterne. Anderthalb Jahre an Bord liegen hinter uns, vor uns ein neues Jahr. „Kannst du dir vorstellen, in unser altes Leben zurückzukehren?“

Die Antwort muss nicht ausgesprochen werden, wir schauen uns an und wissen Bescheid. So viel Interessantes liegt hinter uns, so viel Neues noch vor uns. Unser Geld ist zwar begrenzt, aber irgendwie werden wir es schon hinbekommen. Die vielen Lebenskünstler, die wir getroffen haben, haben es uns gezeigt. Voller Zuversicht blicken wir auf die Zukunft, ohne zu wissen, dass das heute begonnene Jahr zu einer harten Probe für uns werden wird.

“Sieben Farben Blau”

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Das hier zu lesende Kapitel „Ankunft in der Karibik“ stammt aus dem gerade erschienenen Buch „Sieben Farben Blau“ von Claudia Clawien und Jona­than Buttmann über ihre immer länger werdende Auszeit an Bord der 35-Fuß-Yacht „Inti“, die sie von Berlin in die Südsee führte.


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