The Ocean RaceHärtetest auf Kurs Kap Hoorn – stürmische Tage voraus

Tatjana Pokorny

 · 23.03.2023

"Biotherm"-Skipper Paul Meilhat im Einsatz an Deck
Foto: Ronan Gladu/Team Biotherm/The Ocean Race

Im Ocean Race stehen die Crews vor einer weiteren Bewährungsprobe: Die kommenden Tage werden hart auf Kurs Kap Hoorn. Stürmische Winde und vor allem starker Seegang werden die Teams fordern. Renndirektor Phil Lawrence und sein Team haben die Eisgrenze aus Sicherheitsgründen zuletzt viermal verschoben

Der Gipfelsturm naht. Rund 1.500 Seemeilen hatten die Ocean-Race-Crews am 23. März zu Beginn des 25. Tages auf See noch bis Kap Hoorn zu meistern. Es werden brutal harte Seemeilen werden. “Vielleicht die härtesten bislang”, wie es der nicht zu Übertreibungen neigende Renndirektor Phil Lawrence am Donnerstag in einem Pressegespräch berichtete und dabei auf “sehr aggressives Wetter von hier bis Kap Hoorn” hinwies.

Achtung, Eisgang! Die Rennleitung hat die Eisgrenze stark nach Norden gezogen

Phil Lawrence und sein Team haben die Eisgrenze, die von den Booten nach Süden nicht übersegelt werden darf, in den vergangenen Tagen viermal verschoben. Lawrence berichtete, dass Satellitenbilder immer wieder gezeigt haben, wie stark abgebrochene Eisstücke inzwischen nach Norden treiben. “Diese Eispacks bewegen sich schnell und können großen Schaden anrichten”, sagte der Renndirektor. Der “Korridor” zwischen Kap Hoorn und der Eisgrenze ist in seiner Nord-Süd-Ausrichtung aus Sicherheitsgründen aktuell nur noch etwa 100 Seemeilen schmal.

Das Feedback der Teams zur mehrfachen Verschiebung der Eisgrenze ist positiv, wie Phil Lawrence gegenüber YACHT online versicherte: “Wir teilen alle unsere Erkenntnisse mit den Teams, und die sind happy, dass wir das auf diese Weise im Griff haben.” Lawrence prophezeit den Crews für die kommenden Tage “ziemlich fordernde und sportliche” Zeiten im Südpolarmeer: “Es wird stressig werden. Die Teams müssen die richtige Balance zwischen der Sicherheit für ihre Boote und dem Anspruch finden, im Spiel zu bleiben.”

Je weiter südlich, desto heftiger der Seegang

Für den letzten Abschnitt der Königsetappe von Kap Hoorn in den brasilianischen Etappenhafen Itajaí erwartet der Renndirektor nach dem Gipfelsturm dann eine weitgehend schnelle Passage mit einem möglicherweise komplizierten Leichtwind-Finale.

Zum aktuellen Wettergeschehen sagte Ocean-Race-Experte Christian Dumard: “Die Winde werden zunächst auf 25, 30 Knoten zunehmen. Das Problem ist aber vor allem der Seegang. Morgen (Red.: 24. März) können die Wellen Höhen von sechs bis acht Metern erreichen.” Dabei gelte für die nächsten Tage die Daumenregel: Je weiter südlich, je höher die Wellen. Weshalb der Wetterexperte erwartet, dass sich die Flotte Kap Hoorn eher auf nördlichem Kurs nähert.

Team Malizia führt die The-Ocean-Race-Flotte in den Sturm …

Für die am 27. oder 28. März erwartete Kap-Hoorn-Passage selbst seien sich die Wettermodelle hingegen noch nicht einig, so Christian Dumard, wie sich ein nahe gelegenes Tiefdruckgebiet verhalten werde. Diese und viele weitere Überlegungen fließen aktuell in die Gedankenspiele und die Strategieentwicklung der Crews auf See ein.

Am Nachmittag des 23. März hatte wieder Team Malizia als nördlichstes Boot etwa beim 45. Breitengrad Süd die Führung im Vierkampf vor Paul Meilhats Team Biotherm und Kevin Escoffiers Team Holcim – PRB übernommen. Auf Kurs zum Meilenstein Kap Hoorn ringen “Malizia”-Skipper Boris Herrmann und sein Team in den Schokoladenbedingungen ihres Bootes um ein starkes Ergebnis. Boris Herrmann hat kein Geheimnis daraus gemacht, dass er diese Etappe “unbedingt gewinnen” möchte.

Charles Caudrelier: “Ich würde ‘Holcim PRB’ wählen”

Charles Caudrelier, mit dem Donfeng Race Team siegreicher Skipper des letzten Ocean Race, sagte gegenüber der YACHT auf die Frage, welches Boot der aktuellen Flotte er für ein Ocean Race wählen würde: “Das ist leicht: Ich würde Holcim – PRB nehmen, weil das Boot in fast allen Bedingungen schnell ist. Ich kenne Kevin gut, wir haben viel über sein Boot gesprochen. Er hat es sehr smart gemacht. Es gibt aber eine Ausnahme: Wenn es um starke Winde geht, dann würde ich ‘Malizia’ wählen.”

Charles Caudrelier, der mit der Gitana-Gigantin “Maxi Edmond de Rothschild” gerade souverän die Route du Rhum gewonnen und die Jules Verne Trophy im Visier hat, sagte zu seinen eigenen Ocean-Race-Plänen: “Vielleicht werde ich noch eine Etappe in diesem Rennen segeln.” Ob es in Zukunft auch noch einmal ein ganzes Rennen sein wird, ließ der 49-jährige Franzose offen: “Da bin ich nicht sicher, aber man soll ja niemals nie sagen. Momentan habe ich Spaß mit unserem großen Boot. Und diese Imocas sind echt hart zu segeln. Vielleicht bin ich schon zu alt für dieses Spiel …”

Erster Warnschuss in stürmischen Bedingungen für Team Biotherm

Ein erster Warnschuss hat in den zunehmend druckvollen Bedingungen Paul Meilhats Team Biotherm getroffen. Noch in Führung liegend, ist der Fractional Code Zero gerissen. “Wir sind mit zwei Reffs in Großsegel und FRO gesegelt”, berichtete Meilhat, “da kam eine sehr steile Welle, und wir sind da voll reingefahren. Als das Boot wieder herauskam, war das Segel am Unterliek quasi in zwei Teile zerrissen. Wir konnten es einrollen, in seine Tasche packen und ein kleineres Segel hochziehen.” Reparabel sei das Segel auf See nicht.


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