MeinungWenn Komfort zu viel Performance kostet

YACHT-Redaktion

 · 30.11.2024

Meinung: Wenn Komfort zu viel Performance kostet
YACHT-Woche – Der Rückblick
yacht/bullseye-yacht-woche-fridtjof-2000x500_aaf3da9bfff8b8f01489b50a6796ab70

Liebe Leserinnen und Leser,

haben Sie es beim Segeln gerne so einfach wie möglich?

Der Markt, die Kundschaft, die Segler von heute wollen mehr Komfort, nicht nur zum Wohnen an Bord, sondern auch unterwegs. So die landläufige Einschätzung und Expertenmeinung. Einen Beitrag dazu soll die Selbstwendefock leisten. Lange Zeit in Vergessenheit geraten und nur auf wenigen vorbehaltlos nordeuropäischen Yachten vertreten, hat sie in den letzten Dekaden eine fulminante Renaissance erlebt. Hanseyachts machte den Start, französische Werften folgten, bald setzten sich Selbstwendefocks gar auf Kats durch, obwohl man auf diesen Gefährten ja zuweilen das Vorsegel für eine erfolgreiche Wende backhalten möchte. Doch: Ist die Mimik, die heute fast auf jedem Fahrtenboot angeboten wird, tatsächlich sinnvoll?

Klar: Aufkreuzen mit Selbstwendefock erfordert keine Arbeit an Schoten, Winschen, Kurbeln. Damit wird das Boot ein- und kleincrewtauglich. Aber die Nachteile überwiegen: Notgedrungen fällt das Tuch kleiner aus als das maximale Vorsegeldreieck, somit fehlt Fläche und damit Segel-PS. Es sind mit der Schiene und Schotumlenkungen, sei es an Deck oder durch den Mast, mehr Beschläge notwendig, damit mehr Gedöns, mehr Gewicht, mehr Kosten. Sobald ein Schrick in den Schoten der Kurs der Wahl ist, öffnet die Selbstwendefock oben und ein Gutteil der ohnehin kleineren Segelfläche wird ineffektiv. Abhilfe schafft erst ein Barberholer, ein weiterer Beschlag mit einer weiteren Schot samt Umlenkung wird nötig. Auf tiefen Kursen knallt der Schotwagen von der einen auf die andere Seite. Und auch im Hafen scheint die Selbstwendefock besonders die eine oder andere Crew zu überfordern. Gelingt es vielleicht noch, das Großfall weg- und so Geräusche zu unterbinden, bleibt die nach oben am Mastgeführte und dort wieder nach unten umgelenkte Fockschot oft scheinbar unergründlicher und unbeseitigbarer Quell für nervige, meist hochfrequente und nervtötende Klappgeräusche.

Gegen die Selbstwendefock spricht somit vieles, der gewünschte Komfort ist teuer erkauft. Und Selbstwendefocks finden auch unter Fahrtenseglern nicht vorbehaltlos Fans. Ausgerechnet Chartersegler lehnen die automatisch wendenden Vorsegel ab und würden gezielt Boote mit konventionellem Arrangement suchen und buchen, wie große Anbieter berichten. Denn diese Kundengruppe möchte nicht untätig herumsitzen, während nur der Mensch am Ruder was zu tun hat und aktiv segelt.

Was ist somit die beste Lösung? Ein nur wenig überlappendes Vorsegel, welches das Dreieck Mast, Vorschiff und Vorstag komplett ausfüllt, schafft kurze Schotwege und ist auch von kleiner Crew oder einhand schnell zu wenden und komfortabel zu trimmen. Mit Schienen auf dem Kajütdach oder eng daran platziert für enge Schotwinkel und dann noch mit einem Inholer ausgestattet, lässt es sich effektiv trimmen. Mit Padeyes auf der Deckkante und einer Außenschot bleibt das Segel auch auf raumeren Kursen effektiv.

Insbesondere für die Selbstwendefock wie auch die kleine Genua gilt: Ein Code Zero oder ein Gennaker komplettiert die Garderobe ideal, die dann alle Windeinfallswinkel gut abdeckt, den Segelspaß fördert und eben auch die Crew beschäftigt. Das bedeutet insgesamt mehr Gerödel, dient aber der seglerischen Finesse. Mehr Komfort ist ebenso schön wie gut, aber möglichst nicht zulasten der Leistung. Und wenn Segeln einfach wäre, würde es ja Fußball heißen.

Fridtjof Gunkel

stellv. YACHT-Chefredakteur



Draufklicken zum Durchblicken:

Die Woche in Bildern

Prescht bei der Vendée Globe in Richtung Südpolarmeer mit voran: Yoann Richomme
Foto: Eloi Stichelbaut/Polaryse/VG2024

Lese-Empfehlungen der Redaktion

yacht/Myproject-122_588dd1e2bf08c53ce7f0b81757956597

Vendée Globe

Das Rennen im Live-Tracker

Vendée Globe Live Tracker

Der Live-Tracker der Vendée Globe 2024/25: Dieses Tracking zeigt den Rennverlauf der zehnten Ausgabe der Weltumseglungs-Regatta - mit Boris Herrmann!


Vergleichstest

Innere Werte und heiße Preise – welcher Elf-Meter-Cruiser schneidet am besten ab?

yacht/yacht_20250930_202521_new-img_73-1-yw0EV7Ey

Vier beliebte Elf-Meter-Fahrtenyachten im Test: Welches Modell bietet am meisten Komfort, die beste Technik und die umfangreichste Ausstattung fürs Geld?


Ocean Race Europe

Knierim-Chef gibt Einblicke in Holcim-Reparatur

yacht/gesprach-steffen-muller_88bcbb866cfd7e9e24bacc60d4fcffbd

Der Crash von Holcim und Mapei endete dank einer Rekordreparatur bei der Knierim-Werft mit einem Happy End. Werftchef Steffen Müller gab exklusive Einblicke


Vergleichstest

Elf-Meter-Cruiser treten im deutsch-französischen Gipfeltreffen gegeneinander an

yacht/100156485_87c3c63e1c1fd055c1ec5d62055f3aa8

Vier aktuelle Tourenschiffe um elf Meter Rumpflänge im YACHT-Vergleichstest. Segeleigenschaften, Handling, Ausstattung an Deck sowie Manövrierbarkeit.


Neue Podcast-Folge

“Haben extrem viel gelernt” – Erik Kosegarten-Heil über SailGP-Saison

yacht/podcast-cover-century-gothing-reg_8a3a730d51607e77ed126ef79072fd82

In der 51. Folge von YACHT – der Segelpodcast begrüßt Host Timm Kruse SailGP-Skipper Erik Kosegarten-Heil. Er erzählt, wie die Saison für Team Germany läuft


Globe40

Burke und Fink halbieren 500-Meilen-Rückstand in drei Tagen

yacht/250904g40-3jml8992bd-1024x683_75e3b0a550655c79b3009460db6670b4

Lennart Burke und Melwin Fink erleben auf Etappe zwei im Globe40 furiose Tage. Zum Kap der Guten Hoffnung haben sie einen 500-Meilen-Rückstand halbiert.


Boris Herrmann

“Feuer frei” – neues Boot, neues Buch, viele Pläne

yacht/boris20herrmann20faces20c2a9erwin20lanzensberger202025_24b627d68a12316cb9f9634ff6857394

Boris Herrmann ist wieder in aller Munde: Der Malizia-Gründer und sechsmalige Weltumsegler stellt ein neues Buch vor, hat spannende Pläne für die Zukunft.


Pure Yachts

Erste Alu-Deckssalonyacht aus junger Kieler Werft

yacht/kyle-40-kopie_af41ccac78d43ec8e7a4e2bfa84091de

Die Pure 42 schwimmt. Boot und Werft haben ersten Testschlag hinter sich und stellen sich nun vor Barcelona der Konkurrenz bei der Wahl zu Europas Yacht des Jahres.


Kleinkreuzer

Sieben auf einen Streich – welche Spaßkiste schneidet im Vergleich am besten ab?

yacht/M4285542-DDH1kOOi

Moderne, leistungsfähige Kleinkreuzer variieren stark zwischen Sportlichkeit und Komfort. Sieben solcher Spaßkisten im Vergleich


400 Islands Race

Neues Bucketlist-Rennen vom Kieler Yacht-Club

yacht/mailingassets52946125_5961f57b7c2a2dc215c352c5e911f07d

Der Kieler Yacht-Club bringt mit dem 400 Islands Race eine neue Bucketlist-Ostseeregatta ins Seesegelspiel. 2026 soll das 700-Seemeilen-Rennen starten.


Garmin OnBoard

Kabelloses MOB-System mit Motorabschaltung

yacht/garmin-onboard-c-garmin-deutschland-gmbh-1_b9a26c6bee1d2adbfdba78815fce706b

Garmin stellt mit OnBoard ein kabelloses Mann-über-Bord-System vor, das im Notfall den Motor abschaltet und die Position speichert. Das System kann bis zu acht Personen oder Gegenstände gleichzeitig überwachen.



Newsletter: YACHT-Woche

Der Yacht Newsletter fasst die wichtigsten Themen der Woche zusammen, alle Top-Themen kompakt und direkt in deiner Mail-Box. Einfach anmelden:

Meistgelesen in der Rubrik Allgemeiner Service