Felix Keßler
· 18.04.2019
Das Vorsegel ist der Hauptantrieb moderner Yachten. Richtig eingestellt, segelt es sich bei Schwach- wie bei Starkwind bequemer – und vor allem schneller
Das Vorsegel, die Fock oder Genua, ist bei Kursen hoch am Wind der eigentliche Antrieb einer Yacht – quasi die Tragfläche, die den nötigen Druckunterschied aufbaut und für Vortrieb sorgt. Das liegt einerseits am günstigeren Anstellwinkel gegenüber dem Großsegel, zum anderen am Zusammenspiel beider Profile. Das Großsegel wirkt wie die Trimmklappe an der Tragfläche, mit ihm lässt sich die Umströmung des Vorsegels vor allem beeinflussen, es trägt selbst wesentlich weniger zum Vortrieb bei.
Einfach ausgedrückt, schaufelt das Groß Luft, die eigentlich in Luv der Genua vorbeiströmen würde, um deren Vorliek nach Lee, was den Unterdruck dort zusätzlich erhöht. Deshalb ist ein richtiger Trimm der Genua noch wichtiger als beim Großsegel.
Doch obwohl der Vorsegeltrimm so wichtig ist, lässt sich die Genua meist schwieriger einstellen als das Großsegel. Das liegt an der unterschiedlichen Art der Aufspannung beider Segel. Der Mast bietet dem Großsegel einen viel kalkulierbareren, kontrollierbareren Halt als das Vorstag der Genua. Zusätzlich ermöglicht der Großbaum als Spreize des Schothorns große Veränderungen des Anstellwinkels, ohne dass das Profil verloren geht. Wichtig dabei: Vorsegel ist nicht gleich Vorsegel. Schnitt, Größe und vor allem eine Rollanlage müssen einkalkuliert werden.
Denn nur sehr aufwändig gefertigte Genuas, mit Rollverstärkungen und aus robustem Material, halten ihr Profil halbwegs beim Einrollen. Denn eigentlich kann es nicht funktionieren, eine doppelt gekrümmte Fläche, die ein Segel nun einmal ist, auf eine starre Achse zu wickeln. Dabei verschiebt sich oft der Bauch nach achtern, und das Profil wird tiefer. Je älter das Segel, desto ausgeprägter ist dieser Effekt normalerweise. Im schlimmsten Fall hängt dann nur noch ein Sack am Vorstag, der zu viel Druck erzeugt, dies zusätzlich recht weit oben im Rigg, wo er am wenigsten nützt.
Das soll jedoch kein generelles Plädoyer gegen Rollgenuas sein, ihr einfaches Handling ist für Fahrtensegler ein unschlagbares Argument. Bei zunehmendem Wind sollte man sich jedoch ihrer Schwächen im gerefften Zustand bewusst sein. Denen ist auch durch Trimmmaßnahmen nur bedingt beizukommen. Deshalb gilt auch für Rollgenuas der Grundsatz: trimmen vor reffen.
Wie also funktioniert der perfekte Genua-Trimm? Eine pauschale Antwort darauf kann es nicht geben. Sie hängt zu stark von den Eigenschaften der Yacht ab, ihrem Gewicht und Ballast, ihrer Segelfläche und deren Verteilung. Trotz der teils starken Unterschiede gibt es auch verschiedene Trimmöglichkeiten, die auf nahezu jeder Yacht vorhanden sind. Dazu gehören das Genuafall und das Achterstag, die Großschot sowie die Verstellbarkeit des Holepunktes. Welche Auswirkungen sie auf das dreieckige Tuch haben, wird auf den folgenden Seiten ausführlich erklärt.
Jede Genua hat ihre eigene Holepunktposition. Diese bestimmt, wie viel Zug durch die Schot anteilig auf das Unterliek und das Achterliek entfällt. Für die Grundeinstellung eignet sich die Faustregel, wie in der Skizze rechts gezeigt. Dabei sollte die Richtung des Schotzugs die Verlängerung einer Geraden sein, die von der Mitte des Vorlieks über das Schothorn verläuft.
Zur weiteren Einstellung sind Windbändsel unerlässlich. Mindestens drei Paar sollten gleichmäßig hinter dem Vorliek verteilt werden. Die Position des Holepunkts stimmt, wenn alle drei Luvbändsel beim langsamen Anluven auf einem Kurs hoch am Wind gleichzeitig abheben. Durch Verschieben des Holepunkts in Längsrichtung lässt sich nun der Twist der Genua verändern. Zugleich wird die Profiltiefe justiert.
Eine Verlagerung des Holepunktes nach vorn erhöht den Zug auf das Achterliek, das sich mehr schließt. Das Unterliek wird entlastet, der Abstand zwischen Schothorn und Vorliek geringer. So fällt das Profil runder und tiefer aus, erzeugt mehr Druck, was bei mittleren Winden und kabbeliger See oder bei schweren Yachten Vorteile bringen kann. Dafür geht jedoch etwas Höhe am Wind verloren. Der Holepunkt ist zu weit vorn, wenn beim obersten Windbändselpaar der Leefaden abhebt. Dann reißt dort durch die starke Rundung des Profils die Strömung ab.
Wenn der Druck mit zunehmendem Wind im Vorsegel zu groß wird, was sich durch Krängung und zunehmende Luvgierigkeit bemerkbar macht, ist eine Holepunktverlagerung nach achtern eine erste Maßnahme vor dem Reffen. Dadurch öffnet die Genua das Achterliek im oberen Bereich und lässt damit dort Druck ab, wo er am meisten zur Luvgierigkeit beiträgt. Zugleich wird das Profil abgeflacht, was wiederum druckverringernd wirkt. Und es kann durch die flache Anschnittkante etwas mehr Höhe gesegelt werden.
Auch mit der Schot lassen sich die Profiltiefe und der Twist der Genua korrigieren, jedoch mit anderen Abhängigkeiten als bei der Holepunktverstellung. Beim Fieren der Genuaschot verkürzen sich die Abstände des Schothorns zum Segelkopf und zum Segelhals. Das Achterliek öffnet mehr, zugleich wird das Profil tiefer. Der Anstellwinkel vergrößert sich etwas. Die Schot wird also leicht gefiert, wenn mehr Druck benötigt wird, etwa beim Anfahren nach einer Wende oder in kurzen, steilen Seen. Also immer, wenn viele PS aus dem Vorsegel nötig sind.
Die Genuaschot ist die wichtigste Trimmeinrichtung fürs Vorsegel
Beim Dichtnehmen kehrt sich die Wirkung um. Der Anstellwinkel wird kleiner, das Profil flacher und achtern geschlossener. Es kann mehr Höhe gefahren werden, etwa bei flachem Wasser. Entwickelt das Segel dabei zu viel Druck, kann eine Holepunktverlagerung nach achtern Abhilfe schaffen. Am besten ist die Schotspannung am Achterliek ablesbar, etwa an der Position an den Salingen. Diese sollten Markierungen haben.
Mit zunehmendem Wind verlagert sich der Bauch der Genua nach achtern. Das Durchsetzen des Falls wirkt dem entgegen. Gerade bei älteren, schon sackartigen Segeln kann dabei viel erreicht werden. Sobald sich jedoch eine senkrechte Falte am Vorliek bildet, ist zu viel Spannung auf dem Fall. Moderne Laminatsegel reagieren weniger auf diese Trimmeinrichtung. Bei ihnen sollten nur Falten beseitigt werden. Die Profilverlagerung kann dort auch das Achterstag übernehmen.
Die Lage des Profils in Längsrichtung wirkt sich auf das Steuergefühl aus
Bei manchen Regattaklassen wird auch bei mehr Wind wenig Fallspannung, dafür viel Achterstag gefahren. So bleibt die Anschnittkante der Genua flach, und es geht keine Höhe verloren.
Je gestreckter (schmaler) die Genua ist, desto mehr öffnet sich das Achterliek beim Fieren der Schot. Am deutlichsten wird das bei Selbstwendefocks. Schon ein kleiner Schrick kann genügen, und das obere Drittel dreht wirkungslos weg. Eine Verlagerung des Holepunkts nach außen schafft hier Abhilfe. Dazu kann ein Snatchblock auf der Schot und anschließend an der Fußreling befestigt werden.
Mit Positionsveränderungen lässt sich der Anstellwinkel am Wind verkleinern und der übermäßige Twist beim Auffieren und Abfallen verringern
Für eine bessere Höhe am Wind lässt sich der Holepunkt nach innen verlagern. Bei nur gering überlappenden Genuas funktioniert das oft durch zusätzliches Anziehen der Luvschot. Damit verkleinert sich der Anstellwinkel. Es geht jedoch auch Vortrieb verloren, weshalb diese Trimmmaßnahme oft nur bei glattem Wasser Vorteile bringt, wenn wenig Druck nötig ist.
Eine hohe Vorstagspannung ist ab mittlerem Wind immer erwünscht. Bei Leichtwind kann ein etwas durchhängendes Vorstag Vorteile bringen, da sich der Abstand von Vorliek und Achterliek verkürzt, das Profil vor allem im oberen bis mittleren Bereich runder wird und mehr Druck erzeugt. Zugleich geht jedoch Höhe am Wind verloren. Sobald Druck abgebaut werden muss, etwa bei zu starker Luvgierigkeit, ist ein straffes Vorstag erwünscht. Es bringt die Anschnittkante so weit wie möglich nach Luv, außerdem öffnet die Genua im oberen Bereich leicht.
Abhängig vom Riggtyp ist Achterstag-Trimm ein Hilfsmittel, um die Lage der größten Profiltiefe sowie den Twist zu kontrollieren
Bei toppgetakelten Riggs lässt sich die Vorstagspannung durch das Durchsetzen des Achterstags erhöhen. Bei Fraktionalriggs dienen dazu Backstagen. Etwas schwieriger ist das bei Fraktionalriggs mit gepfeilten Salingen ohne Backstagen, nur mit Achterstag. Dort geht ein Teil der Zugkraft in die Biegung des Mastes und kann, je nach Anzahl und Spannung der Unterwanten, den gegenteiligen Effekt haben. Denn durch die Biegung wird der Mast auch gestaucht, der Abstand zum Deck verringert sich etwas, die Vorstagspannung nimmt ab.
Rollgenuas haben das Handling des Vorsegels zwar stark vereinfacht; ein paar Tricks erleichtern das Ein- und Ausrollen aber zusätzlich. So sollte, je nach Anlage, das Fall oder Achterstag vor jedem Rollen etwas entlastet werden. Das schont die Lager, die Trommel lässt sich mit weniger Reibung und damit auch weniger Kraft bedienen.
Das Reffen von Rollgenuas wird durch einige Tricks noch einfacher
Zum Setzen oder Bergen wird die Yacht häufig in den Wind gedreht. Das ist bei normalen Vorsegeln auch richtig, damit diese an Deck fallen. Rollsegel jedoch lassen sich viel leichter vor dem Wind bergen, in der Abdeckung des Großsegels. Dabei schlägt das Tuch nicht wild und lässt sich leichter und sauberer aufrollen. Denn bei Wind von vorn hängt das Vorstag durch, und es entstehen Falten, die grundsätzlich vermieden werden sollten – vor allem Laminatsegel können sonst Schaden nehmen. Auch das Ausrollen ist raumschots einfacher, da der Wind die Arbeit verrichtet. Es muss nur die Rollleine gefiert werden, am besten über die Winsch, weil hohe Lasten entstehen können. Beim Reffen des Vorsegels zuerst deutlich mehr Tuch wegnehmen als nötig, dann langsam ausreffen. So wickelt sich die Tuchwurst schön eng.
Wie die verschiedenen Segelstellungen auf dem Wasser aussehen und wie sich Veränderungen auf das Profil auswirken, zeigt der folgende Beitrag von YACHT-TV: