Pascal Schürmann
, Felix Keßler
· 08.10.2019
Yachten auszukranen, nur weil es draußen nass, eisig und dunkel wird, ist nicht zwingend nötig. Das Boot im Wasser zu lassen kann sogar Vorteile haben
Jeden Herbst beginnt in den Marinas ein emsiges Treiben, wenn es darum geht, die Flotte ins Winterlager an Land zu befördern. Meist bleiben nur wenige Yachten im Wasser zurück.
Bei manchem Skipper hingegen ist das Überwintern im Wasser Folge einer wohlüberlegten Entscheidung: Warum das Boot aufs Trockene holen, das teure Auskranen, den Lagerbock und MIete bezahlen, wenn das Antifouling auch im Frühjahr im Travellift gestrichen werden kann? Tatsächlich ist der herbstliche Krantermin wohl eher eine nationale Tradition. In Holland überwintern etwa 70 Prozent der Schiffe im Wasser, das ist dort ganz normal. Warum es also nicht auch einmal ausprobieren?
Doch Vorsicht: Längst nicht jeder Hafen ist zum Überwintern geeignet. Der Liegeplatz sollte sich in einem ruhigen Gewässer befinden, damit möglicherweise entstehendes Eis nicht ins Treiben gerät – oder aber alternativ in einem Bereich mit dauerhafter Strömung, die das Boot eisfrei hält. Das Liegen in Gezeitenrevieren oder Gegenden mit sich änderndem Wasserstand birgt die Gefahr, dass die feste Eisdecke in Schollen bricht, die sich dann überlappen und eine Presswirkung auf das Schiff ausüben.
Um Eis auf Abstand zu halten und das gefürchtete "Zerquetschen" durch Eisschollen zu vermeiden, wurden in letzter Zeit viele Methoden ersonnen. Von einfachen Hausmitteln bis hin zu aufwändigen Druckluft und Schlauchkonstruktionen lässt sich ein Einfrieren verhindern. Drei Varianten in der Fotostrecke.
Die älteste dürfte darin bestehen, Styroporplatten rund um den Rumpf zu binden, denn unter den Platten gefriert Wasser nicht. Eine innovativere Methode ist ein De-Icer der amerikanischen Firma Kasco Marine (www.de-icer.com). Das Gerät ähnelt einer Tonne mit Propeller, die entweder mithilfe einer Stange unter einem Steg oder mit Leinen unter einem Boot montiert werden kann. Die drei Modelle mit Leistungen zwischen 0,5 und 1 PS kosten zwischen 950 und 1700 Euro. Der De-Icer arbeitet mit Landstrom und schaufelt das am Grund des Gewässers befindliche wärmere Wasser an die Oberfläche. Alternativ kann ein ähnliches System auch mithilfe einer Tauchpumpe und einiger Schläuche mit wenig Aufwand selbst angefertigt werden (siehe dazu auch YACHT 24/2017).
Die dritte Methode sind Sprudelanlagen. Je nach Schiffsgröße benötigt man eine Teichluftpumpe oder einen Kompressor sowie einen Gartenschlauch. In den mit einer Lochzange alle 50 Zentimeter ein Loch pressen und ihn mit Leinen rund ums Schiff in einem halben Meter Tiefe befestigen. Die Luftblasen, die durch die Löcher an die Oberfläche steigen, verhindern eine Eisbildung.
Ein Platz im Freilager ist wesentlich leichter zu bekommen als einer in der Halle. Zudem kostet er nur rund die Hälfte einer vergleichbaren Fläche unterm Dach. Doch damit müssen einige Nachteile in Kauf genommen werden.
Bei Kunststoffyachten ist ein Schutz vor der Witterung zwar nicht zwingend nötig, für den Werterhalt und gegen Verschmutzen aber zu empfehlen. Das Beste ist ein richtiges Zelt mit fester PVC-Plane, da es den Winddruck vom Rumpf nimmt. Das kostet aber schnell einen vierstelligen Betrag. Eine Plane direkt über dem Boot reicht auch, sie bietet jedoch eine enorme Windangriffsfläche. Droht ein Sturm, muss sie weggnommen werden. Generell sollte eine Plane möglichst über ein eigenes, an Deck errichtetes solides Gestell gespannt werden.
Gegenüber dem Hallenlager erfordert das Freilager zudem häufigere Kontrollen – ob etwa die Plane noch richtig sitzt und ob das Schiff nicht von Langfingern heimgesucht worden ist. Freilager sind für Diebe einfacher zugänglich als abschließbare Hallen Zwecks Belüftung sollte das Schiff aber auch nicht zu sehr verrammelt werden.
Arbeitsgemeinschaften wie in der Halle bilden sich im Freilager nicht so schnell.
Die Windlast ist einer der Hauptgründe, die gegen ein Überwintern mit stehendem Mast sprechen. Das ständige Arbeiten gegen die Leestützen des Lagerbocks kann zu Delaminationen an den Auflageflächen oder zu Bruch führen. Außerdem lässt sich ein stehendes Rigg nicht so gründlich auf Schäden kontrollieren. Kommt es deshalb zu Bruch, relativieren sich die gesparte Gebühr für den Mastenkran und die Zeitersparnis schnell. Außerdem ist eine passende Plane bei stehendem Rigg aufwändiger herzustellen und teurer. Und nicht zuletzt verkürzt sich die Lebensdauer der Drähte. Sie dehnen sich unter Last auch im Winter, müssen im Frühjahr nachgespannt werden, also doppelt so oft wie sonst, was die empfohlenen 15 Jahre nahezu halbiert.
– Mitarbeit: Johannes Erdmann, Lars Bolle