Schwerwetter-VorsegelSturmfock und Stagsegel – das Tuch fürs Grobe

Fridtjof Gunkel

 · 09.08.2023

Schwerwetter-Vorsegel: Sturmfock und Stagsegel – das Tuch fürs GrobeFoto: C. Février
Extra angefertigte Schwerwetter-Vorsegel wie eine Sturmfock lassen ein Boot bei Wind sicherer und schneller, höher und komfortabler segeln, und sie schonen die übrige Garderobe. Welche Varianten es gibt und welche Details wichtig sind

Das Thema der richtigen Segelwahl beginnt weit vor der 34-Knoten-Grenze, die per Definition den Übergang zum stürmischen Wind markiert. Eine moderne Fahrtenyacht wird bereits ab etwa 12 bis 15 Knoten wahrem Wind Maßnahmen erfordern, um weiterhin kontrolliert, schnell, hoch am Wind und komfortabel zu segeln. Ein weiterer grober Indikator dafür, dass es an den Segeln etwas zu tun gibt, ist die Krängung; rund 20 Grad sind ein gesundes Maximalmaß für eine moderne, formstabile Yacht, und das wird obendrein von den meisten Menschen als recht komfortabel empfunden.

Noch mehr Krängung bedeutet mehr Druck, oft mehr Ruderlage, um das Boot auf Kurs zu halten, als es effektiv und sinnvoll wäre, und weniger Geschwindigkeit.

Erst trimmen, dann verkleinern

Vor dem sinnvollen Verkleinern der Segelfläche stehen Trimmmaßnahmen an, die die Segel flacher werden lassen, die größte Profiltiefe nach vorn verschieben und die Tücher im oberen Bereich öffnen, um Druck abzulassen.

Das gut durchgesetzte Achterstag streckt das Vorstag und öffnet das Großsegel.

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Dann ließe sich noch Druck aus dem Boot nehmen, indem man höher steuert, als es eigentlich zum Vorsegel passt, dessen Vorliek also beginnt einzufallen. Die Methode eignet sich lediglich als kurzfristiges und letztes Mittel und ist nicht wirklich effektiv.

Ganz einfach reffen

Nimmt der Wind weiter zu, muss die Segelfläche verkleinert werden. Bei abruptem Windzuwachs oder als generelle Maßnahme kann man ganz pragmatisch das komplette Groß bergen, das dadurch gleichzeitig geschont wird.

Oder das Groß wird gerefft, was mit Rollreffmasten oder Rollbäumen und auch mit modernen Einleinen-Reffsystemen einfach, schnell und sicher vonstattengeht. Oder – und das ist für viele Crews häufig die erste Reffmaßnahme – die Genua wird teilweise eingerollt. Auch dies geschieht komfortabel aus dem Cockpit heraus, wenn das Boot – wie heute üblich – mit einer Rollreffanlage bestückt ist.

Das Verfahren hat jedoch Nachteile: Der Spalt zwischen Genua und Großsegel ist zu groß für eine gute Aerodynamik, und der Bauch wird beim Rollen aus dem Profil nach hinten gedrückt. Obendrein wandert der Segeldruckpunkt nach vorn. Letzteres kann einer zu starken Luvgierigkeit entgegenwirken, die mit mehr Lage einhergehen mag. Ob zuerst das Vor- oder das Großsegel verkleinert werden sollte, hängt somit vom Bootstyp und von technischen Gegebenheiten sowie persönlichen Vorlieben ab.

Die rollgereffte Genua ist jedenfalls meist weniger effektiv, und sie leidet. Die Maßnahme kann für schnelle Abhilfe sorgen und besonders auf einer kurzen Küstenfahrt in Ordnung gehen. Mittelfristig und vor allem auf längeren Schlägen sind verschiedene Alternativen sinnvoll.

Spezialsegel wie eine Sturmfock statt Rollreff

Eine gute Lösung ist in jedem Fall eine Schwerwetterfock oder auch Sturmfock als Alternative zur rollgerefften Genua. Die Schwerwetterfock wird aus schwererem Tuch ausgeführt und nicht mit Latten bestückt, da die Fock mehr schlagen wird und die Latten zerstört, außerdem braucht sie keine Ausstellung und somit auch keine Versteifungen. Auch sind Gurtbänder statt Kauschen der Verletzungsgefahr wegen angeraten.

Die Crux: Das Schwerwettervorsegel muss gegen die Rollreffgenua ausgetauscht werden. Das geht einfach, bevor der Wind einsetzt, und dann besonders im Hafen. Jedoch zerrt dieser Job an Nerven und Material, wenn es schon weht und die Genua ausgerollt wird, stark schlägt und geborgen sowie aufgetucht werden muss und das kleinere, ebenfalls schlagende Segel gesetzt und aufgerollt werden soll.

Das Kutterstag für die Sturmfock

Das bessere System bedingt Umbauarbeiten an Rumpf und Mast. Parallel zum Vorstag wird ein Kutterstag geriggt. Der Abstand zwischen beiden Stagen sollte auf einer zwölf Meter langen Yacht 80 bis 90 Zentimeter betragen, empfiehlt die Segelwerkstatt Stade. Dazu erhält der Mast ein entsprechendes Auge oder ein verstärktes Loch, in das ein T-Terminal eingehängt wird. Das Stag endet unten in einem mobilen Spanner, der an einem durchgebolzten Decksbeschlag eingehakt wird. Dieser Beschlag muss natürlich unter Deck abgefangen werden, beispielsweise durch einen weiteren Draht mit Spanner – ein Arrangement, das die Vorschiffskoje in Mitleidenschaft ziehen kann.

Die Lösung muss mobil, sprich wegnehmbar ausgeführt sein, damit die große Genua bei Leichtwind nicht mühselig um das Kutterstag herumgezogen oder ein- und wieder ausgerollt werden muss. Bei Nichtgebrauch wird das Stag am Mast unten umgelenkt und mit einer kleinen Talje gespannt. Ein weiteres Fall wird nötig, es ließe sich bei weniger Wind und unter Spi als Toppnant nutzen.

Die auch Trinquette genannte Schwerwetterfock am mobilen ­Kutterstag
Foto: YACHT/C. Février

Das Segel selbst wird vom Umriss her so geschnitten, dass die übliche Genuaschiene als Holepunkt weiterverwendet werden kann. Dazu wird das Schothorn hochgeschnitten, was gleichzeitig überkommende Seen gut ablaufen lässt.

Mobiles und rollbares Stagsegel

So das handelsübliche Setup einer Kutterstaglösung. Dank moderner Materialien und fortschreitender Segeltechnologie lässt sich das Kutterstagsystem mittlerweile leichter und komfortabler gestalten. Statt des Drahtes kommt ein leichtes, textiles Stag aus reckarmem Dyneema zum Einsatz, das mit einer simplen, kleinen Talje sowohl bei Nichtgebrauch weggebunden als auch im Einsatz vorn an Deck gespannt wird. Es handelt sich dabei um ein reines Hilfsstag.

Denn die Last trägt das Segel selbst, das mit einem internen Antitorsionskabel ausgestattet ist. Dieses wird vorzugsweise mit einem 2:1-Fall auf eine hohe Spannung gebracht. Es ist abgemantelt, damit die Verbindung zum Segel selbst auf dem seifig glatten Material besser nach oben gleiten kann. An dem Hilfsstag wird die Schwerwetterfock gesetzt, die nur mit dem Kopf per Tauwerkschäkel mit dem Stag verbunden ist. Das Stag ist lediglich nötig, damit das Segel beim Setzen nicht gegen das Rigg klatscht, dort hängen bleibt und Schaden nimmt beziehungsweise verursacht. Es geht aber auch ohne Kabel: Das Segel selbst wird im Vorlieksbereich mit lasttragenden Fasern ausgestattet, wie es mittlerweile auch mit Code Zeros praktiziert wird.

Und das Ganze lässt sich noch komfortabler gestalten, wenn die Schwerwetterfock unten mit der Rolle eines Endlosfurlers und oben mit einem Wirbel ausgestattet wird. Dazu lassen sich auch die Beschläge eines vorhandenen Code Zero verwenden, der schließlich bei den Bedingungen für eine Schwerwetterfock nicht zum Einsatz kommt. Dann ist das System perfekt: die mobile Schwerwetterfock, die sich einfach und sicher bei Hack setzen lässt und – wenn alles sitzt – ausgerollt wird und die bei leichten Winden beim Wenden die Genua nicht stört.

Dieses System wäre auch für eine deutlich kleinere Sturmfock anwendbar. Die jeweilige Größe von Schwerwetter- oder Sturmfock sollte in Abstimmung mit dem Segelmacher erfolgen. Für ein typisches 38-Fuß-Schiff wie eine Dehler 38 empfiehlt North Sails Deutschland beispielsweise eine Sturmfock von rund elf Quadratmeter Größe, die Schwerwetterfock würde knapp das Doppelte messen. Als Tuch sollten gewebte Fasern ohne Folie zum Einsatz kommen.

Typische Sturmfock: signalrot, flach, schwer und hochgeschnitten. Idealerweise wird das kleine 
Segel ebenfalls an ein Kutterstag gesetztFoto: Johannes ErdmannTypische Sturmfock: signalrot, flach, schwer und hochgeschnitten. Idealerweise wird das kleine Segel ebenfalls an ein Kutterstag gesetzt

Der Vorteil des gerollten Segels liegt fast schon im Wortsinn auf der Hand. Es lässt sich in Ruhe setzen, schlägt und flattert dabei nicht und ist schnell wieder weggerollt. Stehen keine zahlreichen Wenden bevor, kann das Segel bereits bei weniger Wind gesetzt werden.

Das aufgerollte Segel wird in einem kurzen Sack gestaut. Ein nicht gerolltes Segel sollte mit dem Vorliek aufeinander aufgetucht sein, damit es sich leichter setzen lässt. Gepackt ist es am besten in einem unterlieklangen Sack untergebracht, der ebenfalls aufgerollt werden kann.

Egal, welche Kutterstaglösung gewählt wird: Es mag nötig sein, den Mast in Höhe des Stages nach achtern mit simplen Backstagen abzufangen, damit dieser nicht nach achtern durchbiegt oder in der Welle pumpt. Die Backstagen können Drähte, aber auch einfache Dyneema-Leinen sein, die auf beiden Seiten achtern an Deck am besten durch Hebelklemmen jeweils auf eine Winsch in Luv geführt werden.

Besonders mit doppelt gerefftem Großsegel vermag dieses eine nach achtern abstützende Funktion zu übernehmen. Das Rigg sollte aber auch ohne Großsegel und nur mit gesetzter Kutterfock funktionieren und sicher sein. Im Zweifelsfall wäre also der Rigghersteller zu konsultieren.

Permanente Doppelstagen

Setzen, bergen und stauen der Schwerwetter-Kuttersegel, dazu ein mobiles Stag: Diese Thematik und Problematik lässt sich gänzlich umgehen, es treten jedoch andere Kompromisse auf.

Das Boot wird mit zwei Stagen recht kurz hintereinander bestückt. Am vorderen wird eine große, überlappende Genua gesetzt. Auf dem hinteren Stag kommt eine kleinere Fock zum Einsatz, die auch als Selbstwendefock ausgeführt sein kann. Die Fock wird generell zum Kreuzen benutzt und steht als Schwerwetter-Arbeitstier zur Verfügung. Bei Leichtwind kommt die Genua zum Einsatz, die auf der Kreuz nicht benutzt wird, da sie mühselig um das innere Vorstag geschotet werden muss. Falls doch eine Wende ansteht, wird das große Vorsegel ein- und auf dem neuen Bug wieder ausgerollt.

Bei dieser Lösung ist das kleinere Tuch das Standardsegel für mehr Wind und die Kreuz. Das vordere, deutlich größere Segel wird auf raumen Kursen und bei wenig Wind genutzt
Foto: YACHT/M. Strauch

Analog zum Einsatzbereich kann das Segel leichter, größer und auch etwas tiefer profiliert ausfallen, und trotz außen angeschlagener Wanten wird es für eine ordentliche Größe überlappend ausgeführt. Damit kann diese Genua I einen Code Zero im Einsatzbereich partiell obsolet machen. Diese Rigg-Geometrie setzt beispielsweise Hanseyachts für deren größere Typen ein, und auch Werften wie Amel vertrauen darauf.

Das System ersetzt jedoch keine Sturmfock und bringt die Probleme des rollgerefften Vorsegels ebenso mit sich wie das konventionelle Setup.

Sturmfock in Varianten

Auf dem Markt tauchen immer wieder Sturmfock-Derivate auf, die das Problem beheben sollen. Das Coversail zum Beispiel ist eine Sturmfock mit vorn angenähtem Tuchstück, das um die aufgerollte Genua gelegt und mit Haken oder Stagreitern geschlossen und dann gesetzt wird. Ein Derivat nennt sich Galesail. Nach der Methode lassen sich auch Leichtwindsegel bauen, die dann über einer Fock gesetzt werden.

Dann gibt es noch den Stormbag, im Prinzip eine doppelt ausgeführte Sturmfock, die in einer Tasche gepackt ebenfalls um das aufgerollte Vorsegel gelegt und aus einer Tasche gesetzt wird.

Stormbag: Das doppelte signalrote ­Segel wird um die aufgerollte Genua gelegt und gesetzt. Das Handling ist einfach.  Es ist kompakt in einer ­Tasche verstaut, die das ­Setzen ­erleichtert
Foto: YACHT/Archiv

Segelmacher Jens Nickel von der Segelwerkstatt Stade hat einige dieser Systeme ausprobiert, während 6 Beaufort in der Elbmündung, und das bei Wind gegen Strom. Sein Urteil fällt ernüchternd aus: „Das Problem entsteht bei Welle, wenn man sich festhalten muss. Die Systeme sind nicht einhandtauglich. Am besten funktionierte tatsächlich Folgendes: Rollreffgenua bergen, in den Niedergang stopfen und die Sturmfock im Profilstag setzen. Aber leicht war auch das nicht.“

Erfahrungen, die für das Investment eines Kutterstags oder doppelter Vorstagen sprechen. Mit der großen Chance, dass Segeln bei Schwerwetter nicht nur entspannt für Boot und Crew abläuft, sondern sogar Spaß bereiten kann.

Die schnelle und schonende Lösung: Großsegel runter und festlaschen. Die meisten Boote segeln nur mit Vorsegel sehr ordentlich. Tipp: einfach mal ausprobieren! Was bleibt: Die eingedrehte Genua ist wenig effektiv und nimmt SchadenFoto: T. UebelDie schnelle und schonende Lösung: Großsegel runter und festlaschen. Die meisten Boote segeln nur mit Vorsegel sehr ordentlich. Tipp: einfach mal ausprobieren! Was bleibt: Die eingedrehte Genua ist wenig effektiv und nimmt Schaden

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