Alles fing damit an, dass ich mir eines Tages meinen Traum von einem Segelboot erfüllen wollte“, erzählt Peter Müller (Name von der Redaktion geändert). „Ich bin schon auf unterschiedlichsten Booten gesegelt, aber ein eigenes hatte ich nie!“ Der erfolgreiche Abschluss eines beruflichen Projekts macht es dem Mittvierziger zu Beginn des Jahres tatsächlich möglich, den langgehegten Traum zu verwirklichen.
Um keine Bauchlandung zu erleiden, wendet sich Müller an zwei Berater, die damit werben, Leuten wie ihm auf dem Weg zum Traumschiff zur Seite zu stehen. Ihr Angebot umfasst ein ausführliches Gespräch, in dem gemeinsam herausgefunden werden soll, welcher Bootstyp der richtige für Müller ist, ferner die Suche nach geeigneten Offerten am Markt und schließlich die Begutachtung des auserkorenen Schiffs. Der beruflich stark eingespannte Müller ist begeistert und bucht das Gesamtpaket, mit dem er, so versprechen es die beiden Bootskaufexperten, sorgenfrei Eigner werde.
„Eigentlich ein tolles Konzept“, sagt Müller. Doch was er dann erlebt, wird diesem Anspruch in keiner Weise gerecht. Im Gegenteil: Was schiefgehen kann, geht schief, und sein Budget wird schon bald gesprengt.
Müllers Startkapital für die Suche nach einem Gebrauchtboot liegt bei 100.000 Euro. Die Berater möchten davon acht Prozent als Honorar, gleich, wie teuer das Schiff am Ende werde. Müller ist einverstanden, weil er sich aufgrund des Garantiehonorars eine objektive Beratung verspricht.
Im Nachhinein ist es schwer zu sagen, wann der erste Dominostein fiel, der die Aneinanderreihung fataler Ereignisse in Gang setzte. Anfangs zumindest läuft noch alles nach Plan. Im April reisen die Experten zur Erstberatung an. Man trifft sich daheim beim Ehepaar Müller, und gemeinsam ergründen alle vier die Eigenschaften, die das Traumschiff in spe haben soll.
Müllers Frau segelt gern, hat aber wenig Erfahrung mit unterschiedlichen Schiffen. Das Thema Seekrankheit spielt ebenso eine Rolle wie das Ostseerevier und der mitsegelnde Hund. Und bei der Suche, so Müllers Wunsch, sollen sich die Experten auf Nord- und Ostseeküste beschränken. Der Mittelmeerraum behage ihm nicht, zu oft habe man vom schlechten Zustand älterer Gebrauchtboote von dort gehört. Zudem sei das Reisen in Corona-Zeiten auch nicht eben unkompliziert. Eilig habe er es im Übrigen nicht. Falls es mit dem Bootskauf erst zur Sason 2022 etwas werden sollte, sei das auch kein Problem.
Die Berater leiten aus dem Gespräch Empfehlungen für die Rumpfabmessungen, den Tiefgang und die das Seeverhalten beeinflussenden Konstruktionsmerkmale ab. Sie raten schließlich zu einem älteren Schiff mit guter Substanz.
Müller fühlt sich gut verstanden und findet seine Vorstellungen im formulierten Profil wieder. Und es kommt noch besser: Gleich in diesem ersten Gespräch präsentieren die Berater das erste Angebot. Sie hätten ein paar Tage zuvor ein Schiff präsentiert bekommen. Es passe zu den gemeinsam festgestellten Suchparametern wirklich wie der sprichwörtliche Deckel auf den Topf.
Das Schiff, eine Baltic 38, sei ein echtes Schnäppchen. Ein italienischer Makler, mit dem sie schon des Öfteren erfolgreich zusammengearbeitet hätten und dem man auf jeden Fall vertrauen könne, habe die Yacht demnächst für nur 66.000 Euro im Angebot. Müller staunt nicht schlecht, wie schnell die beiden trotz der angespannten Marktsituation das passende Schiff offerieren können – und dann noch solch einen Preishammer.
„Ich habe mich danach über die Baltic 38 informiert, mir die Fotos angeguckt und mich direkt in die Formen verliebt“, so Müller. Als ihm noch versichert wird, dass er das Boot in Deutschland teurer verkaufen könne, stimmt er dem Vorschlag zu, ans Mittelmeer zu fahren und es zu besichtigen.
Bis zu diesem Zeitpunkt lässt sich das beschleunigte Verfahren der Bootsfindung mit viel Wohlwollen noch als glücklicher Zufall interpretieren. Doch jetzt kommt Druck ins Spiel. Müller solle, so die Kaufberater, eine Online-Besichtigung vornehmen und dann möglichst rasch einen Vorvertrag abschließen. Das gute Angebot sei sonst schneller vom Markt, als man mit ihm nach Italien fahren könne.
Im Vorvertrag sichert der Verkäufer den guten Zustand der Yacht zu, und der Interessent verspricht zu kaufen, wenn er sich vor Ort davon überzeugt hat, dass dieser Zustand tatsächlich gegeben ist. Diesen Part wollten wiederum seine Berater übernehmen. Müller willigt ein und fährt an einem Montag im April mit einem Mitarbeiter der beiden mit dem Auto nach Italien.
Eine ziemliche Hauruck-Aktion nennt Müller den Trip im Rückblick. „Es war schnell klar, dass das Schiff per Sattelschlepper nach Norddeutschland gebracht werden muss. Da die Maut in Italien so teuer ist, dass der Transport rund 6.000 Euro mehr gekostet hätte als in Frankreich, riet mir die Spedition, das Boot nach dem Kauf ins 150 Seemeilen entfernt gelegene Antibes zu überführen.“ Dort könne er das Schiff dann dem Transporteur übergeben.
Im Yachthafen von Piombino an der toskanischen Küste besteigt Müller über eine Leiter erstmals das aufgeriggt an Land stehende Traumschiff. „Meine Euphorie wurde gleich ein wenig gedämpft“, sagt er; vor allem innen hätte er einen besseren Zustand erwartet. Das in der Bilge stehende Wasser, der muffige Geruch, die schwarz angelaufenen Furniere machen ihn misstrauisch.
Was in Sachen Zustand sonst noch auf ihn zukommt, kann der bootsbauerische Laie da noch nicht ahnen, und der anwesende Yachtexperte beschwichtigt ihn. Müller solle sich nicht abschrecken lassen. Angesichts des Preises seien die zu erwartenden Investitionen Kleinigkeiten, die optischen Makel schnell behoben.
Müller, der schon auf verschiedenen Yachten mitgesegelt ist, erkennt in der Baltic 38 ein hart rangenommenes Regattaschiff. Die Technik scheint in Ordnung, die Segel sind fast neu, das laufende Gut ist ordentlich aufgeschossen und einsatzbereit, unter Deck aber möchte man sich nicht aufhalten.
Müller selber hat andere Pläne. Die Familie soll sich auf dem Schiff wohlfühlen, und er möchte sich gern länger an Bord aufhalten und von dort aus arbeiten. Ihm kommen Zweifel, ob es die richtige Entscheidung sein wird, am Plan festzuhalten. „Ich war hin und her gerissen, hatte mich mit dem Vorvertrag aber ja schon gebunden. Ich hätte also etwas finden müssen, womit ich von meiner Verpflichtung zu kaufen freigekommen wäre.“
Doch dafür hat er ja einen Experten dabei. Der macht sich auch gleich ans Werk und füllt einen Vordruck aus, der Müller später, als er wieder in Deutschland ist, als das versprochene Gutachten zugeht.
Tatsächlich enthält die zehnseitige Liste, was üblicherweise in einem Käufergutachten Erwähnung findet. Eingehende Ausführungen allerdings sind kaum vorgesehen. In den meisten Fällen kreuzt der Bootsexperte eine Note zwischen 1 (sehr gut) und 5 (ungenügend) an. „Er ist durch das Boot gegangen und hat sich alles angeguckt. Am Ende hat er gesagt, es gäbe nicht einmal etwas, um den Preis zu drücken“, so Müller.
Müller selbst ist derweil anderweitig gefragt. Denn die für den nächsten Tag verabredete Probefahrt droht zu scheitern. Die Einfahrt zur Marina ist versandet und nur bis zu einem Tiefgang von 1,80 Meter passierbar.
Verschiedene Szenarien werden mit dem italienischen Makler des Verkäufers besprochen. Der möchte Taucher damit beauftragen, Luftsäcke unter dem Rumpf aufzupusten, damit das Schiff höher aufschwimmt. Die Taucher lehnen das ab.
Verzweifelt überlegt Müller, ob er nicht abreisen und abwarten soll, bis die für Ende Mai angekündigten Baggerarbeiten ausgeführt und die Einfahrt wieder passierbar sein würde. Doch ein Deutscher, der vor Ort einen Yacht-Service betreibt, rät ab: „Wir sind hier in Italien. Wenn die sagen ‚Ende Mai‘, dann wird das schnell Anfang Juli!“
Die Lösung liefert schließlich der Voreigner, ein Zahnarzt aus Piombino mit Kontakten zur Küstenwache. Er erfährt hinter vorgehaltener Hand, dass die offizielle Tiefenangabe eine Sicherheit von einem halben Meter berücksichtigt.
Und tatsächlich: Mit zehn Zentimeter Wasser unter dem Kiel geht es in Schleichfahrt aus dem Hafen, nachdem der Motor unter einer schwarzen Rauchwolke angesprungen ist. Nach der Ankunft in San Vincenco, dem nächstgelegenen Hafen, gibt der Yachtexperte sein finales Okay, geht von Bord und besteigt das Auto in Richtung Heimat. Am Nachmittag unterzeichnet Müller den Kaufvertrag.
„Wie schnell mein Berater weg war, hat mich gewundert. Ich war ja davon ausgegangen, dass vor der geplanten Überführung nach Frankreich noch einiges gemacht werden muss und man das zusammen bespricht“, sagt Müller, der sich unter einem Sorglos-Service anderes vorstellt. Doch das größte Problem vor der Überführung ist ihm da ohnehin noch gar nicht bekannt.
Inzwischen ist es Donnerstag, und es fehlt ein wichtiges Papier. Denn Yachten dieser Größe sind in Italien immer im Bootsregister eingetragen und müssen dort nach einem Verkauf formal gelöscht werden. Müller zahlt daher umgehend den Kaufpreis, denn ihm wird versichert, dass dann schon freitags die Bestätigung da sei und er mit dem Schiff das Land verlassen könne. Doch kaum, dass der Kaufpreis eingegangen ist und der italienische Makler sein Honorar erhalten hat, stellt der, zum Leidwesen des Voreigners, jegliche Tätigkeit ein. Die Papiere sind Freitag nicht da, und auch am Montag heißt es: „Dienstag!“
Beunruhigt ruft Müller seine Berater an. Die hätten ihn ermuntert, sich ohne Papiere auf die Reise nach Frankreich zu machen. Der Kaufvertrag, eine deutsche Flagge, Name und Heimathafen am Heck seien Formalien genug, denn die Verpflichtung zur Deregistratur treffe nur den Verkäufer.
Der deutsche Yacht-Service aus der Marina von Piombino berichtet aus seiner Erfahrung hingegen ganz anderes. Die Deregistratur, sagt er, dauere nicht selten mehrere Wochen. Dass eine Yacht unmittelbar nach dem Verkauf ins Ausland überführt worden sei, habe er in den zurückliegenden 20 Jahren seiner Tätigkeit vor Ort noch nicht erlebt. Im Gegenteil, er warnt Müller: „Wenn die Küstenwache euch kontrolliert, und das machen die aufgrund Corona oft, dann ist das für die so, als wärt ihr mit einem gestohlenen Schiff unterwegs. Es kann sein, dass die euch in Untersuchungshaft nehmen, bis das aufgeklärt ist!“
Müller ist frustriert. „Ich war verunsichert und wusste nicht, wem ich vertrauen kann“, sagt er rückblickend. Außerdem ist er stärker unter Zeitdruck denn je. Die ungeplanten Liegeplatzkosten summieren sich, die Spedition ist beauftragt, und er muss das ihm bislang völlig unbekannte Schiff in Antibes ja noch abtakeln und transportfähig machen. Sorglosigkeit sieht anders aus.
Auch der Motor springt nicht mehr an. Der Voreigner schickt einen Techniker, der sich der Sache annimmt. Doch die Deregistratur lässt weiter auf sich warten. Entnervt bereiten Müller und sein Mitstreiter mitten im italienischen Lockdown den Abflug vor.
Der deutsche Yacht-Service aus Piombino ist Müllers größte Stütze bei der weiteren Planung. Er sichert zu, sich um die Überführung zu kümmern, sobald das möglich ist.
Nach fast zwei Wochen ist Müller wieder zu Hause, stolzer Eigner einer Yacht, die er noch gar nicht ausführen darf. Nachdem Lockdown und Wetter für weitere Verzögerungen gesorgt haben, ist die Freude groß, als er Mitte Mai endlich die Nachricht aus Antibes erhält, dass das Schiff gut angekommen und in der Werft abgeliefert worden sei, damit es transportfähig gemacht und der deutschen Spedition übergeben werden könne. Müller kann aufgrund der Corona-Regeln inzwischen nicht mehr nach Frankreich reisen und hat keinen Einfluss auf die Tätigkeiten der Werft.
Doch sein Schiff kommt tatsächlich am Dienstag nach Pfingsten im Olympiazentrum Kiel-Schilksee an. Kurz kehrt die anfängliche Euphorie zurück, doch der Zauber des Anfangs währt nicht lange. Der Motor springt erneut nicht an, ein herbeigerufener Service rät zu einer intensiveren Kur.
Auch das Rigg bereitet Probleme, als es wieder aufgetakelt werden soll. Schnell ist klar, dass ein Metallfachmann zu Rate gezogen werden muss, der im Takelmeister des nahegelegenen Kieler Yacht-Clubs gefunden wird. Der repariert diverse Gewinde und unterstützt Müller fortan tatkräftig.
Schon beim Mastsetzen gibt es die nächsten Schwierigkeiten. Die Spanner des Rod-Riggs sind völlig festgefressen und bewegen sich keinen Millimeter. Da sie auf die massiven Wanten und Stagen gepresst sind, können sie nicht einzeln getauscht werden. Das stehende Gut muss neu.
Wieder hagelt es Ratschläge. Etwa, den durchgesteckten Mast provisorisch zu sichern und in den dänischen Heimathafen an der Flensburger Förde zu verholen, wenn eine ruhige Wetterlage das erlaubt. Doch dazu bräuchte es einen zuverlässigen Motor.
Den hat der Service zwar „überholt“, doch nach zehn Minuten Probelauf versagt das Aggregat erneut seinen Dienst. Müller beauftragt unter anderem eine Tankreinigung und stellt sich erneut auf einen längeren Aufenthalt in einem fremden Hafen ein.
Er verholt im Schlepp nach Strande, wo es eine Werft gibt und das stehende Gut getauscht wird. Und es kommt ein Gutachter an Bord. Müller will nun endlich wissen, woran er ist. „Das Budget ist ja schon explodiert“, stellt er nüchtern fest und rechnet vor, was ihm die „Aktion Traumschiff“ seit der Unterschrift unter den Vorvertrag bereits an unvorhergesehenen Kosten beschert hat.
Der Neueigner, der das Schiff in den einst edlen Zustand zurückversetzen möchte, ist froh, dass er noch eine finanzielle Reserve hat. „Hauptsache, ich muss das Boot nicht mit großem Verlust wieder verkaufen.“
Schlimmer aber, so Müller, sei die nervliche Belastung. „Man ist nur noch am Machen und hört von jedem etwas anderes. Und eigentlich habe ich das Schiff ja gekauft, um Stress abzubauen.“
Das Ergebnis der Begutachtung in Strande bestätigt seine Befürchtungen. Obwohl sein Budget schon überschritten ist, stehen noch umfangreiche Investitionen an, bevor das Schiff endlich in dem vertraglich geschuldeten Zustand ist.
Neben dem Teakdeck und dem Motor sind auch die Mastaufnahme, mehrere Winschen, sämtliche Seeventile und die komplette Gasanlage zu ersetzen. Die Arbeiten am Interieur, das also, was ihm bei seiner ersten Besichtigung auch ohne Gutachter als notwendig ins Auge gefallen ist, will er danach in Angriff nehmen, „sobald es nicht mehr reinregnet“.
Doch für Müller hat die Sache auch etwas Gutes. Die Hilfsbereitschaft nach der Ankunft seines Schiffes habe ihn überwältigt. „Wenn ich daran denke, wie der Takelmeister des Kieler Yacht-Clubs nach seinem Feierabend zu mir an Bord kam und mit mir Silikon vom Deck pulte, dann empfinde ich trotz aller Sorgen einfach tiefe Dankbarkeit.“
Mit seinen Beratern möchte sich Müller trotzdem noch einmal über das Geschehene auseinandersetzen. Schließlich hat er mittlerweile fast noch einmal so viel bezahlt, wie die Yacht ihn ursprünglich gekostet hat.
Sachverständig ist per Definition, wer besondere Sachkenntnisse in einem Fachgebiet nachweist. Ob das bei einem selbsternannten Fachmann der Fall ist, lässt sich nur anhand dessen einschätzen, was er über sich erzählt und was andere über ihn berichten. Wer einen Gutachter oder Sachverständigen – beides meint das Gleiche – sucht, sollte sich Referenzen zeigen lassen
Etwa im Deutschen Boots- und Schiffbauerverband oder im Verband der Sportboot- und Schiffbausachverständigen. Die Verbände gewährleisten:
Gute Suchmöglichkeiten, auch nach Ort und Fachgebiet, bieten die beiden großen Verbände DBSV und VBS.