Johannes Erdmann
· 25.03.2023
In Niedersachsen am Dümmer See feiert Fricke & Dannhus sein 125-jähriges Bestehen. Seit vielen Generationen werden hier Boote gebaut. Am liebsten aus Holz. Ein Werftbesuch
Alte Traditionsbetriebe sind rar geworden, vor allem im Bootsbau. Nur eine Handvoll der legendären Werften aus der Blütezeit des Holzbootsbaus haben überlebt. Noch weniger sind ihrer Linie über die Zeit treu geblieben. Während Abeking & Rasmussen zum Beispiel nach 115 Jahren immer noch Boote baut, so ist von den Ursprüngen, den Jollen und Kielschwertern, doch nichts mehr übrig geblieben. Heute fertigt A&R große Luxusyachten.
Eine andere Werft hingegen, die durchaus mit A&R in einem Atemzug genannt werden kann und die häufig ebenfalls mit zwei Buchstaben abgekürzt wird, hat sich in 125 Jahren kaum verändert. Bei F&D, Fricke & Dannhus, aus Hüde am Dümmer wird in der mittlerweile fünften Generation dieselbe Art Schiffe gefertigt wie in der Anfangsjahren. Mit Leidenschaft. Mit Begeisterung. Ein Familienbetrieb, der sich weiterentwickelt hat, aber sich zugleich treu geblieben ist. Grund genug für einen Werftbesuch.
Von außen wirken die „heiligen Hallen“ völlig unscheinbar, versprühen den Charme der späten siebziger Jahre und passen überhaupt nicht zu den edlen Mahagoni-Booten, die hier gefertigt werden. Hinter einer Glasfassade stehen ein paar solcher Rümpfe. Ein alter Kielschwerter von Abeking & Rasmussen zum Beispiel, der gerade komplett überarbeitet wurde. Daneben ein moderner 15er-Jollenkreuzer in Regattaausführung. Mit solchen Schiffen hat sich Fricke & Dannhus schon vor Jahrzehnten einen Namen gemacht und Erfolge auf den Regattabahnen gefeiert. Zwischen den Booten steht etwas verloren eine formverleimte Badewanne. „Das war mal eine Idee“, erklärt Jens Dannhus, „da wollten wir mal was anderes ausprobieren.“ Der 52-Jährige ist 1990 ins Unternehmen eingestiegen und hat binnen 33 Jahren viele Ideen und Bootsbauprojekte umgesetzt. Aber auch Badewannen gebaut.
Erfinderisch waren die Mitglieder der Familien Fricke & Dannhus schon immer. „Angefangen hat alles mit Heinrich Fricke“, sagt Dannhus. Vor 125 Jahren hat der den Betrieb als Tischlerei gegründet. „Von Treppen bis zu Särgen hat er alles gebaut“, erinnert sich der Chef. „Und seitdem haben alle nach ihm mit Holz zu tun.“ Der Sprung zu den Schiffen wurde erst eine Generation später gewagt. Georg Fricke war ein künstlerisch begabter und kreativer Handwerker – und weil der Dümmer vor der Tür liegt, begann er ein Boot zu bauen. „Sein Vater Heinrich hielt das, wie Väter manchmal so sind, für eine Schnapsidee“, berichtet Dannhus, „aber Georg ließ sich davon nicht abbringen. Seitdem bauen wir Boote.“
Insgesamt 2.500 Stück hat die kleine Werft über die vielen Jahre auf Kiel gelegt. Und nicht nur aus handwerklicher Leidenschaft, sondern weil die Familie selbst gern und erfolgreich mit ihren 15er-Jollenkreuzern segelt. Die Wand zu den Büros im Erdgeschoss ist dicht behangen mit DSV-Plaketten. „Von meinem Vater“, erklärt Jens Dannhus, „der vierten Generation. Er ist zehnmal Deutscher Meister und Europameister geworden.“ Etwas kleinlaut ergänzt er: „Ich war nur zweimal Deutscher Meister.“
Es wirkt düster im Showroom und auch ein wenig trostlos, was vor allem dem regnerischen Wetter geschuldet ist. Es ist Winter. Keine Jahreszeit für Segler, aber Hochsaison für Bootsbauer. „Wie wollen wir anfangen, mit einer Werftführung?“, fragt Jens Dannhus. Das lässt sich wohl niemand entgehen. Umso mehr noch in solch einen Traditionsbetrieb. „Dann kommt mal mit“, nickt er in Richtung der Stahltür, die sich hinter den Büros befindet, stößt sie mit Schwung auf. Dahinter wird es hell. Und warm. Wir sind im Herzen der Werft angekommen, den Arbeitshallen. Hier ist die Geschichte der Werft lebendig. Überall wird geschliffen, gehämmert, gehobelt und gebohrt.
In der Werkhalle stehen jetzt in der Winterzeit ständig gut 15 Boote nebeneinander. Vor der Tür sind zwei hölzerne Jollenkreuzer aufgepallt, ältere Rümpfe. Einer liegt kieloben, weil Reparaturen am Unterwasserschiff nötig sind. Wie ein drohendes Ungemach schweben darüber unter der Decke die Formen der GFK-Ausführung. Seit vielen Jahrzehnten baut Fricke & Dannhus auch GFK-Rümpfe mit Holzaufbau. Die Zukunft? Mitnichten! „Wenn Kunden manchmal fragen, was denn besser wäre, GFK oder Holz, dann verstehe ich die Frage kaum. Immer ein Boot aus Holz!“ Nicht nur aus Nachhaltigkeitsgründen, „formverleimte Boote sind einfach für die Ewigkeit gebaut: hochfest, leicht und besonders langlebig.“
Nach den Jollis folgen je eine HD20 und eine HD24, die Neuinterpretation der beliebten Hansajolle, die F&D bereits seit den achtziger Jahren mehrere Hundert Male gebaut hat. Daneben drei GFK-Schiffe. Bei einer Neptun 22 wird gerade der Bug repariert. „Solche Arbeiten machen wir auch. Hier am Dümmer gibt es viele Segler, die im Winter ihre Boote zu uns bringen.“ Ein ständiges Problem seien klemmende Schwerter. „Wir machen auch Kleinigkeiten, mal eine neue Mastbank bei einem Opti einsetzen, ein neues Ruderblatt für einen Piraten.“
Die Reihe in der Halle geht weiter: Hansajollen, ein Jollenkreuzer ohne Kajüte, eine Schute aus dem Teufelsmoor, dann wieder ein Jolli. Die Liste der Aufgaben ist ebenso vielfältig: neues Deck verlegen, ein Schott ersetzen, Spanten austauschen. „Viele Kunden bringen die Boote ins Winterlager und geben gleich eine Liste mit Reparaturen mit ab“, sagt Dannhus. Ganz am Ende der Halle befindet sich ein großer Tisch, auf dem Bauteile formverleimt werden. Im Moment liegt darauf die Form eines Jollenkreuzer-Kajütaufbaus.
„Das ist eine tolle Technik“, sagt Dannhus und sortiert die Furnierstreifen, „das wird alles zusammengelegt und mit Harz getränkt, dann kommt da eine Lkw-Plane drüber, es wird ein Vakuum erzeugt und alles zieht sich selbstständig in Form. Völlig spannungsfreie Bauteile.“ Ein Mann, der sich jeden Tag an seinem Handwerk erfreuen kann. Auch nach so vielen Jahrzehnten.
Bei uns ist alles Handarbeit. Keine Massenfertigung aus der Fräse, sondern jedes Bauteil von Hand gemessen und gebaut”
„Bei uns ist noch alles Handarbeit. Das war mir immer wichtig. Keine Massenfertigung aus der CNC-Fräse, sondern jedes Bauteil wird von Hand gemessen und gebaut“, erzählt Dannhus. Eine eigene CNC-Fräse gibt es im Betrieb bis heute nicht. „Aber wir haben Zugriff auf eine Fräse. Bei Bauteilen wie stark profilierten Ruderblättern, da kommen wir natürlich darauf zurück“, sagt er. Alles andere wird von Hand hergestellt. Sogar Beschläge aus Messing fertigt das Unternehmen selbst an. „Das ist zwar ein bisschen teurer als bei anderen Werften, aber das sind dann alles handgemachte Unikate.“ Eine Qualität, die den Betrieb seit Generationen auszeichnet.
In der Halle brummt die Heizung. Das muss sein, denn Lacke und Harze lassen sich nicht in kalter Umgebung verarbeiten. In der Nachbarhalle hingegen ist es eisig kalt. Eins von vielen Winterlagern. Nicht nur für Boote. Hier lagern auch Rumpf- und Spantformen sowie komplette Decksformen für Dutzende Boote. „Vor unserer Jubiläumsfeier haben wir hier sogar richtig ausgemistet und etliche Formen weggeworfen“, gesteht Dannhus, „zum Beispiel eine Form für eine O-Jolle, die ich seit 25 Jahren von einer in die andere Ecke schiebe.“ Nun ist mehr Platz für winterlagernde Boote.
An den Stirnseiten der Hallen lagert reichlich Holz für die nächsten Jahre. „Teak und Mahagoni haben wir in den vergangenen Jahren ganz gut eingekauft und kommen noch eine Weile hin“, sagt der Werftchef, „und es mag albern klingen, aber so viel Holz braucht man für die Holzboote heute gar nicht mehr. Wir nutzen ja vor allem Furniere, da hat man kaum Verschnitt.“ Die Nachbarhalle ist frisch gebaut – und auch schon randvoll. „150 Boote müssen ja irgendwohin“, erklärt Dannhus das große Bauprojekt. „Aber die neue Halle war auch für unsere Mitarbeiter ein wichtiges Zeichen“, sagt er, „dass wir in die Zukunft investieren und es weitergeht.“
Zwölf Bootsbauer sind angestellt, davon acht Gesellen und vier Auszubildende. „Eine recht junge Besetzung, die wir allesamt ausgebildet haben.“ Die Fluktuation ist gleich null. „Wenn ich mal in Rente gehe, dann will mein Sohn Jannik hier weitermachen und den Betrieb über ein paar weitere runde Geburtstage führen“, sagt der Senior voller Zuversicht.
Dabei denkt er noch gar nicht ans Aufhören. So wie sein Vater Heinrich. Der hat früher die meisten Jollenkreuzer sogar selbst gezeichnet, ist nun offiziell schon lange in Rente, doch man trifft ihn noch häufig mit einem Pinsel oder einer Säge in der Werkhalle. „Ganz ehrlich: Wir brauchen ihn auch noch. Er ist jetzt 75 Jahre alt und ein Bootsbauer der alten Schule“, sagt Dannhus. Gerade wenn es um historische Schiffe geht, dann weiß der Vater immer Rat.
„Neulich standen wir zu dritt vor einem zerlegten H-Boot und fragten uns, wie wir das wieder zusammenbekommen“, lacht Dannhus. Holzboote sind vielfältig, deshalb ist der Beruf für ihn immer noch so spannend. „Auch nach 125 Jahren stellen wir regelmäßig fest: So etwas haben wir noch nie gemacht“, sagt er. „Aber mit unserer Erfahrung im Lösen anspruchsvoller Aufgaben bekommen wir am Ende doch alles hin.“
Am Ende war die ganze Werftmannschaft gespannt, ob das Schiff in der Wasserlinie schwimmt.
Ganz extrem wird es bei Neubauten wie der Pommerschen Flunder, die der Betrieb vor zehn Jahren als Einzelbau für einen Liebhaber von Catbooten gefertigt hat. „Da war jeder Bautag eine Herausforderung. Weil das Boot voller Liebe zum Detail gebaut wurde. Vom geschnitzten Schlüsselanhänger bis zu den original Delfter Kacheln an der Wand – jedes Detail musste erdacht, geplant und gefertigt werden“, so Dannhus. Am Ende war die ganze Werftmannschaft gespannt, ob das Schiff in der Wasserlinie schwimmt. Tat es. Natürlich. Das Boot zählt er bis heute zu seinen spannendsten Projekten. Und der Eigner lässt es bis heute jedes Jahr per Schwertransport zurück nach Hüde ins Winterlager bringen.
Der Weg von dort zurück in die Haupthalle führt vorbei an einer HD24, die mit gesetzten Segeln zwischen den Hallen steht. „Der Eigner muss jedes Mal den Mast legen, wenn er an seinen Liegeplatz fährt, weil er unter einer sechs Meter niedrigen Brücke durchmuss“, erklärt Dannhus, „also haben wir ihm nun ein Gaffelrigg gebaut, dann kann der Mast stehen bleiben.“
Auch andere Projekte sind ihm in Erinnerung geblieben: „Da kam mal ein Kunde, der hatte sich für 6.000 Euro eine alte Neptun 22 gekauft und wollte sie nun für 40.000 Euro komplett überholen lassen.“ Immer wieder sind es Kunden, die einen Traum von einem Boot haben. „Dann ist es sehr erfüllend, sie auf ihrem Weg zu begleiten.“
Obwohl Fricke & Dannhus ein Portfolio an Bootsmodellen besitzt, ist man offen für Ideen und Wünsche jedes Eigners. „Weil wir keine Massenproduktion machen, sind wir sehr flexibel“, sagt Dannhus. „Wenn einer seine Fenster ein wenig kürzer oder länger haben möchte, sind das noch die geringsten Herausforderungen.“
Kundenzufriedenheit und -bindung ist für ein alteingesessenes Familienunternehmen wichtig. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass viele Segler ihre Boote ins Winterlager der Werft bringen. Doch allein auf dem Werftgelände in Hüde wäre der Platz zu eng. Eine kurze Autofahrt entfernt in Lembruch befindet sich immer noch der einstige Standort der Werft, der 1980 verlassen wurde. „Am liebsten würde ich hier mal ein Museum aufmachen“, gesteht Dannhus, „denn hier ist die Zeit stehen geblieben.“
Ein paar Maschinen hat der Werftchef in den vergangenen Jahren verkauft, um Platz für mehr Boote im Winterlager zu schaffen. Doch eine alte Bandsäge, eine Mastbank und eine mit Steinkohle beheizte Trockenbank erzählen Geschichten vergangener Tage. In der Ecke stehen Spanten einer Piratenjolle. „Eigentlich bin ich selten hier. Höchstens mal im alten Lager, wenn wir Teile für einen Refit benötigen“, sagt Dannhus. In zwei langen Regalen lagern hier verzinkte Klampen, Lümmelbeschläge, Scharniere, Baum- und Ruderbeschläge. Seit Jahrzehnten unberührt und mit einer Staubschicht überzogen. „Hier darf man nicht genau in die Ecken schauen“, meint Dannhus, „aber hier liegen tolle Sachen. Die verbauen wir dann direkt oder nehmen sie als Muster, um etwas nachzubauen.“ Eine Goldgrube für jeden, der ein Boot restaurieren möchte.
Von außen wirkt der alte Betrieb klein, doch im Hinterhof reiht sich Halle an Halle. Alle voller Boote. „Es gehört schon gute Planung dazu, dass wir an die Schiffe rankommen, an denen wir im Winter etwas machen sollen.“ Neben der alten Werfthalle besitzt die Familie Dannhus ein Ladengeschäft, in dem von Ölzeug über Jollenteile bis zu Tauwerk und Fendern alles zu finden ist. „Im Lager haben wir immer genug, um einen Jollenkreuzer komplett auszustatten“, sagt Dannhus. Der Laden läuft in Familienbesetzung. Hinter dem Tresen stehen Dannhus’ Frau und seine Mutter. „Früher war die Werft ein reines Wintersaisongeschäft. Der Laden hat uns dann über den Sommer getragen, wenn in der Werft nichts los war. Heute haben wir ganzjährig gut zu tun.“
So viel sogar, dass Dannhus manche Kunden zunächst vertrösten muss. „Neulich rief einer an, dass er nun seinen Jollenkreuer nächste Woche zur Restaurierung vorbeibringen würde“, erzählt er. Völlig unmöglich vor Mai oder Juni. „Das haben wir in all den Jahren gelernt: Nicht mehr Aufträge anzunehmen, als wir abarbeiten können“, sagt er. Qualität und Handarbeit kosten eben auch Zeit.
Beides, da sind sich die Kunden von F&D einig, ist die Wartezeit wert. Der Ruf, den sich der Betrieb erarbeitet hat, kommt nicht von ungefähr. „Das genießen auch unsere Bootsbauer“, sagt Dannhus. In Hüde am Dümmer steht zwar die Werft, aber in den Berliner Gewässern, wo viele ihrer Jollenkreuzer zu Hause sind, ist die Wertschätzung ihrer Handwerkskunst am größten. „‚Kommt ihr von Fricke & Dannhus?‘, werden unsere Jungs manchmal gefragt, wobei eine gewisse Ehrfurcht mitschwingt“, berichtet der Werftchef.
„Wenn man sein Leben lang hier arbeitet, nimmt man es gar nicht so wahr“, meint er, „aber im Umfeld von Holzboots-Liebhabern merkt man dann: Offenbar haben wir in 125 Jahren vieles richtig gemacht.“
Noch mehr Infos und Kontakt gibt es unter fricke-dannhus.de
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