Martin Hager
· 08.03.2025
Eine nagelneue Wally zu segeln, ist immer aufregend. Es ist nicht nur der minimalistische und auf das Wesentliche reduzierte Look der leichten Super-Maxis, der sich über 30 Jahre tief in die DNA der monegassischen Marke eingebrannt hat, sondern auch das sportliche und leichtfüßige Segelverhalten, für das die Yachten aus Forlì und Ravenna berühmt sind. Hinzu kommen innovative Details, die es auf so gut wie jedem Modell der von Design-Guru Luca Bassani gegründeten Marke zu entdecken gibt. Lösungen, die es vorher häufig nicht gab und die die Art und Weise verändern, wie wir uns auf Booten bewegen und wie wir sie nutzen.
„Ich wollte Segeln schon immer einfacher, schneller und schöner machen“, verrät Mastermind Bassani in seiner leidenschaftlichen Art (lesen Sie hier mehr zum 30-jährigen Jubiläum der Werft). Um uns davon zu überzeugen, dass ihm das auch mit „Galma“, seiner ersten Ablieferung der Wallywind110, gelungen ist, lud er an Bord der 33,42 Meter langen Carbon-Schönheit in den Port Vell nach Barcelona.
Der Stadthafen der attraktiven Mittelmeermetropole ist zwar immer eine Reise wert, aber ein Besuch während der heißen Phase des jüngsten America’s Cups sorgte für große Vorfreude. „,Galma‘ ist als VIP-Zuschauerboot registriert und wir werden uns Rennen vier direkt vom Rand des Regatta-Kurses ansehen, bevor wir selbst die Segel setzen und ihr euch ein Bild von unserer Neuheit machen könnt“, verriet Bassani im Vorfeld heiter.
Die 37. Austragung des Kampfes um die älteste Sport-Trophäe der Welt lockte Hunderttausende Zuschauer und Fans der Final-Mannschaften Emirates Team New Zealand und Ineos Britannia in die Hauptstadt Kataloniens und die gute Stimmung auf den Kais des Port Vell wirkte ansteckend. Schöner lässt sich Segelsport nicht zelebrieren.
Im kleinen Hafenbecken Marina Vela Barcelona ist die hell-blau-metallic lackierte „Galma“ schon auf den ersten Blick und unverkennbar als Wally zu erkennen. Mit ihrem flachen Profil, niedrigen Freibord, dem schieren unverbauten Deck und einer beeindruckend großen „Terrace-of-the-Sea“ sticht der jüngste Wally-Wurf aus dem Einerlei der klassischen Yachtformen heraus. Kaum an Bord, bereitet die vierköpfig „Galma“-Stammcrew bereits das Ablegemanöver vor. „Wir wollen den Start des Rennens nicht verpassen“, erklärt Kapitän Miquel Garcia freundlich, während er den Kommandogeber am Steuerbord-Steuerstand sachte nach vorne drückt. Wie die B&G-Instrumente am Mast verraten, ist es so früh am Morgen noch nicht windig, doch mit der angekündigten Thermik sollte es gerade so für einen Start reichen. Das Windlimit für die Rennen muss sich laut der aktuellen Cup-Regularien zwischen 6,5 und 21 Knoten bewegen, um ein Aufeinandertreffen der foilenden Segelboliden zu ermöglichen.
Immer wieder rutscht der TWS unter 6,5 Knoten, was jeweils eine Startverschiebung um 20 Minuten bedeutet. Wir haben also reichlich Zeit, um gemeinsam mit Luca Bassani das Interieur zu besichtigen. „Der Eigner und ich kennen uns schon lange“ erzählt der Wally-Gründer. „Nach einer Wally 88 und einer Wally 94 kam er zu mir und verriet mir, dass er sich ein neues Schiff wünscht und wie es aussehen sollte. Seine Vorstellungen passten perfekt zu einem Modell, das ich erst wenige Monate vorher offiziell vorgestellt hatte: der Wallywind110. Ich zeigte ihm Renderings und er war sofort begeistert. Die erste Baunummer entstand bereits, allerdings ohne Eigner – ein Glückstreffer!“
Unter der Leitung von Bassani arbeitete das Wally-Designteam bei diesem Projekt eng mit dem Mailänder Studio Santa Maria Magnolfi zusammen. „Der Eigner wünschte sich eine neue Wally, die Funktionalität und Eleganz harmonisch miteinander verbinden sollte“, so Designer und Studio Co-Gründer Federico Santa Maria. Diesen Wunsch erfüllten die ehemaligen Wally-Gestalter, indem sie großzügige und offene Bereiche schufen, die ein Gefühl von Freiheit und Komfort vermitteln.
Der Einrichtungsstil ist minimalistisch und klar strukturiert und schafft eine helle und beruhigende Atmosphäre. Große Rumpf- und Aufbautenfenster lassen ein hohes Maß an natürlichem Licht in den Salon und die Kabinen, was die wenigen, aber pointiert selektierten Werkstoffe hervorhebt. „In die Materialauswahl war der Eigner stark involviert“, verrät Designerin und Studio-Mitgründerin Valentina Magnolfi.
Die Werkstoffe sollten nicht nur ästhetisch ansprechend sein, sondern natürlich auch die Leistungsstandards von Wally erfüllen und in erster Linie wenig Gewicht auf die Waage bringen. „Die warmen Töne des Eichenholzes schaffen ein einladendes Ambiente, während die weißen Decken, Bouclé-Stoffe und Details aus japanischem Papier ein Gefühl von Frische und Reinheit vermitteln“, so die Designerin. „Die Bodenbretter aus klar lackierten Kohlefaser-Nomex-Paneelen sind extrem leicht und bilden einen schönen Kontrast zur weißen Decke.“ Den Gegenpol zu den Hightech-Komponenten stellen vegane Lederdetails von Viridis dar, die zu knapp 70 Prozent aus pflanzlichen Stoffen bestehen, die hauptsächlich aus Mais gewonnen werden. „Das Material ist toll, es ist nachhaltiger und widerstandsfähiger als echtes Leder“, fügt Magnolfi hinzu.
„Bei seinen vorherigen Yachten hatte er die Eignersuite im Heck, was den Vorteil hat, dass die Kabinen dank der größeren Breite mehr Raum bieten aber dafür trampeln einem im Hafen immer alle Leute auf dem Kopf herum“, so Luca Bassani. Bei „Galma“ reservierte er aus diesem Grund den kompletten Bug für sich. Ganz vorn liegt das Badezimmer mit großer Dusche backbords, dahinter die Suite, in der XL-Rumpffenster für einen herrlichen Meerblick aus dem Bett sorgen. Steuerbords entschied sich der Eigner für eine lederbespannte Ablage mit 50 Zentimeter Breite, die über die gesamte Länge des Raums geht und auf Höhe des Bettes als Schreibtisch fungiert.
Achtern und vom Salon drei Carbon-Stufen tiefer gelegt schließt sich – für eine Segelyacht ungewöhnlich – eine große Pantry inklusive Weinkühlschrank, Cocktailbar, Gläserschrank und Waschbecken an, gegenüber und direkt neben einem Sideboard, das den 50-Meter-Mast umschließt, kommen Gäste in einer von drei Doppelkabinen unter. „Hier haben unsere Kunden natürlich alle Möglichkeiten“, lässt Bassani wissen. „Wir können hier eine vierte Kabine unterbringen oder eine gemütliche TV-Lounge.“ Auf „Galma“ befindet sich ein großer Fernseher im backbords gelegenen Lounge-Bereich des Raised Salons, der dem Namen entsprechend etwas höher angeordnet ist.
Gegenüber dem weißen U-förmigen Sofa in XL-Ausführung ist der Speisetisch für bis zu zehn Gäste positioniert. Die fünf losen Stühle sind standesgemäß federleicht und aus Kohlefasern gefertigt. Einzig der Verzicht auf einen Handlauf im freien Carbonraum sorgt bei einer Bootsbreite von stattlichen 7,60 Metern und einer Salonlänge von rund zehn Metern (inklusive Bar) für leichte Ratlosigkeit. Luca Bassani klärt auf: „Allein in den ersten sechs Wochen nach der Übernahme segelte die Eignerfamilie 3600 Seemeilen. Sie segelten jeden Tag und bisher haben sie die Handläufe nicht vermisst. Aber vielleicht kommt das ja noch.“ Was glücklicherweise fehlt, ist eine platzraubende Kielbox: Der Eigner entschied sich für einen Teleskop-Kiel, der den Tiefgang hydraulisch von sieben auf 4,50 Metern reduziert.
Hinter dem Niedergang schließen sich zwei an der Mittschiffslinie gespiegelte Gästesuiten an, die durch einen Flur getrennt sind und von dem aus abgehend sich die Unterkünfte für bis zu fünf Crewmitglieder, die Galley, Messe und eine Navi-Ecke befinden. „Aktuell arbeiten und segeln wir ,Galma‘ zu viert, was aus nautischen Gesichtspunkten perfekt passt – sie ist schließlich eine Wally und darauf ausgelegt, dass man sie auch single-handed trimmen und steuern kann“, berichtet Captain Miquel Garcia, der den Eigner bereits seit 16 Jahren über die Meere begleitet.
In den Hafen heraus- und hineinzufahren, wird hingegen einhand schwierig, schon alleine der Fender wegen. Die acht riesigen, luftgefüllten Schutzkissen müssen nach jedem Auslaufen entlüftet und vor dem Einlaufen wieder aufgepumpt werden. Was aufwendig klingt, ist es nur bedingt. „Wir haben schlicht nicht genug Stauraum für die großen Fender, dafür aber starke Kompressoren und Pumpen, die das in Sekunden erledigen“, so der Kapitän. Dem Heck-Layout mit imposanter Terrace-of-the-Sea geschuldet, ist die Tendergarage nur von oben zu erreichen, wenn sich die Luke auf Knopfdruck und öldruckgesteuert öffnet. Der von Hall Spars gelieferte Park-Avenue-Baum dient als Kranausleger und wassert das Beiboot – ein auch auf anderen Formaten bewährtes System. Da „Galma“ meist ein Wallytender48 als Chaseboat zur Seite schwimmt, kommt das RIB fast nie zum Einsatz.
Während sich „Britannia“ und „Taihoro“ nur wenige Hundert Meter von „Galma“ entfernt warmfoilen, erklärt Luca Bassani die Besonderheiten des Deckslayouts. „Das Schanzkleid fällt wallyesque breit und hoch aus und gibt den Gästen im Cockpit ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Das Vorschiff ist schier, nur auf die Schiene der Selbstwendefock muss man beim Barfußgang Richtung Bug Acht geben. Den Trimm der Segel übernehmen comme il faut und gewohnt schnell Magic-Trim-Zylinder von Cariboni. Einzig die Schoten des Code Zero und der ebenfalls am Bugsprit angeschlagene Gennaker laufen auf vier große Harken-Winschen im Arbeitscockpit.
Beim Deckslayout wünschte sich der Eigner maximale Vielseitigkeit mit zahlreichen umwandelbaren Bereichen und großzügigen Stauräumen, die mit diversen Kühlschränken ausgestattet sind. „Die Außenmöbel sind größtenteils beweglich, mit verstellbaren Tischen und vielen Kissen (54!), um so viele Lounge-Bereiche wie möglich zu schaffen, die alle zum Look von ,Galma‘ passen“, fasst der Wally-Gründer zusammen. Die Werft entwickelte mehrere Biminis, um verschiedenen Bedürfnissen gerecht zu werden. So gibt es einen Schattenspender, der auch während des Segelns genutzt werden kann, und ein Achterdeck-Sonnensegel, das vor Anker zum Einsatz kommt.
Besonders überzeugend sind die zahlreichen Sitzbänke und ergonomischen Chaiselongues außerhalb des Gästecockpits, auf denen man entspannt sitzt und in Richtung Horizont schaut. Bequemer lässt sich ein America’s-Cup-Finalrennen nicht verfolgen. Außer vielleicht im Salon bei der Live-Übertragung via Starlink, die den Zuschauer dann doch noch deutlich näher an die rasante Foil-Action heranbringt.
Nachdem die Neuseeländer auch dieses Rennen dominierend für sich entschieden, ist es endlich Zeit auf „Galma“ die Segel zu setzen. Womit wir rechnen können, verrät Kapitän Garcia, während das 3Di-Großsegel von North Sails in weniger als einer Minute gesetzt und gleichzeitig die Fock ausgerollt wird „Bei um die sieben Knoten TWS segeln wir neun Knoten, bei 15 Knoten zeigt die Logge Windgeschwindigkeit und bei 23 Knoten kommen wir meist auf um die 18 Knoten SOG. Unseren Topspeed erreichten wir bei 28 Knoten wahrem Wind, als wir nördlich von Mallorca mit 23,5 Knoten Wellen absurften – das war ein Spaß!“
Ganz so viel Wind präsentiert uns das Revier vor Barcelona nicht, doch mit zehn bis zwölf Knoten aus Ost kommt der mit Gästen, vollen Tanks und beladenen Weinkühlschränken 80 Tonnen verdrängende Carbon-Bau schnell auf die Sprünge. „Der Rumpf der Wallywind110 basiert auf den von Judel/Vrolijk entworfenen Linien der Wally 101, die wir um die große Terrace-of-the-Sea verlängerten“, lässt Luca Bassani wissen und ergänzt zufrieden: „Es ist eines der extremsten Hecks, die Wally bis dato gebaut hat – mich erinnert es an eine Mischung aus TP52 und ILCA 7.“ Genauso sportlich, agil und Freude schenkend segelt sie auch! Es wäre viel zu schade, dem Autopiloten diesen Job zu überlassen.
Die vom Captain prophezeiten Geschwindigkeiten bei zwölf Knoten TWS erreicht „Galma“ spielend, bei etwas über acht Knoten reißt die Heckwelle ab und die Doppelruderanlage überträgt die Steuerbefehle präzise ins Nass. Einzig das Seitewechseln nach Wenden und Halsen will geübt werden – wer zu spät von Lee nach Luv wechselt, erklimmt einen 7,60-Meter-Berg. Wer nicht steuert, kommt dem Meer in Lee auf der Heckterrasse besonders nah. Selten hat es solch einen Spaß gemacht, die Beine baumeln zu lassen. Unbedingt empfehlenswert!