Martin Hager
· 02.04.2023
Mit ihrem Flaggschiff Seventy 7 trifft Lagoon den Nerv der Zeit – zwölf verkaufte Einheiten in einem Jahr sprechen Bände. Auch ohne Wasserflugzeug auf der Badeplattform beeindruckt das segelnde Raumwunder. Wir stellen den Multihull vor und haben mit dem Werftdirektor gesprochen
Es ist ein Trend, der nicht zu leugnen ist: Segelnde Katamarane zwischen 60 und 100 Fuß sind gefragt wie nie und erobern unaufhaltsam den Markt. So war es nur eine Frage der Zeit, bis die zum Beneteau-Konzern gehörende Marke Lagoon ihr Serienschiffangebot in das Großyachtsegment ausweitet. „Die Entwicklung der Seventy 7 basierte auf Anfragen von Kunden, die sich vergrößern wollten“, erklärt Lagoon-Chef Yann Masselot. Die Zweirumpf-Weltmarktführer mit derzeit elf Modellen im Portfolio zählen weltweit mehr als 600 Eigner mit Katamaranen länger als 50 Fuß zu ihren Kunden. „Die Seventy 7 entwickelten wir bewusst als Superyacht mit einem sehr hohen Ausrüstungsstandard und Platz für eine bis zu vierköpfige Crew und viel Lebensraum für den Eigner und seine Gäste“, so Masselot. So verwundert es nicht, dass beim Produktshooting auch ein kompaktes Wasserflugzeug eine entscheidende Rolle als sexy Aerotender bekam – Understatement ade!
Die Verkaufszahlen geben den Franzosen recht und bestätigen das hervorragende Marktgespür des Konzerns. Das im Basispaket 2.850.000 Euro teure Lagoon-Flaggschiff wurde Ende 2016 vorgestellt und bis Frühjahr 2017 zwölfmal verkauft. Wie der Werftdirektor zu dem damaligen Zeitpunkt kommentierte, seien sie bis 2020 ausverkauft gewesen. Die Hoffnung bestand, dass bis 2019 acht Seventy 7 pro Jahr ausgeliefert werden können.
Besonders in Asien erfreuen sich Lagoon-Katamarane seit Jahren großer Beliebtheit, und so scheint es ganz natürlich, dass die Hälfte der bis dato verkauften Flaggschiffe in diesen wachsenden Markt geliefert wird. Für den Katamaran-Boom der letzten Jahre gibt es gute Gründe. „Dank der zwei Rümpfe und enormen Breite liegen Katamarane nicht nur vor Anker deutlich stabiler im Wasser als Monohulls, was für viele unserer Eigner und natürlich auch deren Ehefrauen schon für sich genommen ein entscheidendes Kriterium ist. Dazu kommt das für die Yachtlänge enorme Platzangebot unter und an Deck“, erklärt Marketingchef Alexandre Dauberville. „Kein Monohull mit ähnlicher Länge bietet auch nur annähernd einen Salon, der so offen und hell wirkt wie der Salon der Seventy 7“, schwärmt Dauberville. „Dazu kommt eine Vielzahl an Lounge- und Sitzbereichen im Interieur und an Deck, die einladend wirken und jedem Gast seine Rückzugsmöglichkeit bieten.“
Beim Bau der 23,28 Meter langen Seventy 7 profitiert die Beneteau-Gruppe von ihrem breit aufgestellten Werften-Portfolio und nutzt das hervorragende Semi-Custom-Know-how des Tochterkonzerns CNB. Der Lagoon-Gigant entsteht als Sandwich (GFK auf Balsa-Kern, Kiele als solides Laminat) im Vakuum-Infusionsverfahren in den für Großformate reservierten CNB-Hallen in Bordeaux. Bureau Veritas unterzeichnet die Klasse-Papiere, auf Wunsch mit MCA-Zertifikat. Für den gelungenen Auftritt des Flaggschiffs ist das auf schnelle Mehrrümpfer spezialisierte Konstruktionsbüro Van Peteghem Loriot Prévost, kurz VPLP, verantwortlich, das bei der Exterieurgestaltung eng mit dem ehemaligen Autodesigner Patrick Le Quément zusammenarbeitete. Das modern-warme Interieurstyling und das gelungene offene Layout stammen von Nauta Design aus Mailand.
Passend zum Semi-Custom-Konzept bietet Lagoon die Seventy 7 mit drei bis fünf Kabinen und zwei verschiedenen Raumaufteilungen für den Backbordrumpf (Galley im Bug oder Heck) an. Auch beim Ambiente und der dominierenden Farbwahl hat der Eigner die Wahl zwischen drei zeitgemäßen, wenn auch sehr unterschiedlichen Varianten (Nomad, Pure, Fusion).
Baunummer eins des elf Meter breiten Katamarans realisierte die Werft mit einer geräumigen Gästekabine im Bug des Backbordrumpfs, mit eigenem Zugang aus dem Salon. Dahinter befindet sich der Crewbereich mit Kabine und einer Profi-Galley, die auch Sterneköche glücklich machen würde – ein eigener Niedergang sorgt für kurze Arbeitswege und möglichst viel Privatsphäre für Eigner und Gäste. Im Steuerbordrumpf wohnt der Eigner in einer Suite, wie sie zuvor noch nie in einem Katamaran realisiert wurde. Ein Privatniedergang führt in das 25 Quadratmeter große Reich des Eigners, das vom Nauta-Design-Team um Massimo Gino geschickt und elegant in drei Zonen unterteilt wurde: Vorn befindet sich ein offener begehbarer Kleiderschrank, dahinter das große Doppelbett, und achtern schließen sich ein Schreibtisch, ein Sofa und das große Bad an. Auf Knopfdruck lässt sich die Suite weiter vergrößern – hydraulisch fährt eine wasserdichte Luke aus dem Rumpf und wird zu einer eindrucksvollen Eignerterrasse knapp über der Wasserlinie. Zwar bietet Lagoon dieses in Kooperation mit den italienischen Hardware-Spezialisten von Besenzoni entwickelte Extra ausschließlich als Option an, doch klar ist, dass sich 90.000 Euro kaum besser investieren lassen. So nah am Wasser kann das Leben nur noch schöner werden.
Der Salon verfügt, wie die Eignerkabine, über eine weitere Neuheit: Erstmals realisierte die Werft eine Schwingtür auf der Vorderseite der Aufbauten, die für einen harmonischen und barrierefreien Übergang zwischen dem Interieur und dem direkt davor gelegenen Bug-Cockpit sorgt. Dieser elegant in das Deck eingelassene Lounge-Bereich zählt mit seinen zwei L-förmigen Sofas zu den behaglichsten Zonen an Bord. Begleiten Delphine die Seventy 7, verwandeln sich die Bugkorbsitze und Trampoline in perfekte Aussichtsplattformen. Wer es gern schattiger mag, verholt sich auf das von der Fly überdachte Achtercockpit mit Speisetisch für acht Personen und dahinter liegendem Sofabereich. Gekocht und gemixt wird bei Bedarf direkt daneben; eine Galley-Insel beherbergt Kochplatten, Grill, Spüle und Kühlschränke. Für kältere Gefilde lässt sich das Cockpit mit einer robusten Fensterplane abschotten und in einen gemütlichen Wintergarten verwandeln. Die Seitendecks verdienen sich mit ihren großzügigen Abmessungen den Namen „Boulevard-Decks“.
Aus dem Cockpit führt eine Wendeltreppe auf die von einem Hardtop beschattete Flybridge, von der aus gesteuert und gesegelt wird. Dank Glaseinsätzen im Hardtop hat der Kapitän auch von den zwei mit modernem Navigations- und Kommunikations-Equipment bestückten Steuerständen einen guten Blick in die Segel. Fünf elektrische Harken-Winschen helfen beim Setzen der Segel und beim Trimmen. Für das Sundowner-Dinner mit Aussicht steht auch hier oben ein Speisetisch bereit, das große Sofa achtern ist perfekt für eine Aperitivo-Runde geeignet.
Trotz des imposanten Raumangebots auf und unter Deck ist die Seventy 7 eine wahre Segelyacht. „Wir wollen schnell segelnde Katamarane bauen, die auch leidenschaftliche Segler ansprechen“, sagt Yann Masselot. Dies bestätigt ein Segelplan mit stattlicher Segelfläche. Der im Standardpaket mitgelieferte 36,60 Meter hohe Alumast von Sparcraft (Carbon optional) trägt am Wind 337 Quadratmeter Laminat von Incidence Sails, auf raumen Kursen setzt die Crew einen 500-Quadratmeter-Gennaker. Bei Flaute schieben zwei Volvo-Penta-Diesel mit zusammen 270 Kilowatt Leistung den 57-Tonner in die nächste Ankerbucht. Dort geht dann per hydraulischer Badeplattform der Tender – oder das Kompaktflugzeug – zu Wasser. Dank eines geringen Tiefgangs von nur 1,90 Metern können selbst flache Reviere mit in die Reiseplanung aufgenommen werden.
Die neue Seventy 7 wird den Siegeszug der Zweirumpfer weiter beflügeln und Eigner, die bis dato an dem Konzept zweifelten, überzeugen können. Wer über das recht klobige Äußere der Superyacht-Katamarane und über zum Teil deutlich höhere Marina-Liegegebühren hinwegsehen kann, wird mit einem Raumangebot belohnt, das kein Monohull dieser Größenordnung bieten kann. Auch noch längere Katamarane sind bei Lagoon in Planung. „Wir sprechen mit vielen Kunden über die Realisierung von One-off-Projekten“, erzählt Werftchef Masselot.„Das Interesse ist gewaltig und wird meiner Meinung nach auch vorerst nicht abebben.“