Sören Gehlhaus
· 16.03.2023
Mit dem 32,62 Meter langen Carbon-Konzept verfolgt Southern Wind einen neuen Ansatz: mehr Platz, weniger Individualisierung und universelle Segelleistungen. Die SW100X entwickelte die Werft aus Kapstadt auf Basis eines Vier-Kabinen-Layouts
Diesmal also mehr Serie als Custom. Zuletzt lotete Southern Wind mit der vierten SW96 „Nyumba GT“ die Grenzen des Plattformbaus aus. Und mit der ersten SW108 entsteht derzeit eine ebenso hochgradig individualisierte Carbon-Slup mit Hybridantrieb. Smart Custom nennt das in Italien ansässige Marketing- und Verkaufsteam diese kooperative Yachtbau-Methode, die weit über die Vorkonfiguration hinausgeht und der lediglich eine festgelegte Rumpfform als Basis dient. Für die stärker standardisierte SW100X versammelte man wieder die US-Konstrukteure von Farr Yacht Design und die Mailänder Nauta-Designer um sich. Die 100-Fuß-Größe hat eine besondere Bedeutung für die Werft, die der Italiener Willy Persico Anfang der neunziger Jahre in Kapstadt gründete: Vom Urmodell SW100 wurden 13 Einheiten zwischen 2006 und 2011 ausgeliefert. Entsprechend hoch war der Entwicklungsaufwand, den der jetzige CEO und langjährige technische Leiter Marco Alberti mit seinem Team betrieb. Der CCO Andrea Micheli drückt es so aus: „Das ist so, als würde Porsche einen neuen 911er auf den Markt bringen.“
Für eine Southern Wind der neuen Generation fällt der Aufbau äußerst prägnant aus, keine Flunder, aber auch nicht Deckshaus. Irgendetwas dazwischen. Tatsächlich verbirgt sich im Heck die größte Neuerung. Die SW100X läuft an Deck mit nahezu sieben Metern breiter und im Unterwasserschiff dem Trend folgend deutlich schmaler aus als die jüngsten Farr-Entwürfe. Daraus resultiert ein großes Arbeitscockpit und weit auseinanderliegende Steuersäulen auf Höhe der Quadranten, die über jeweils zwei Umlenkrollen mit den Rädern verbunden sind. Das ausladende Ende erlaubt eine Badeplattform, die in zwei Teilen hydraulisch abklappt und eine 20 Quadratmeter große Beachclub-Fläche auf zwei Ebenen aufwirft. Zudem lagert der Tender (Williams 435) nun quer unter den Liege-Arealen und eng am Spiegel. Das lässt die Crew-Areale weiter nach achtern wandern und davor mehr Raum für die Gäste. Wie die Abdeckung der Beibootgarage allerdings vom Deck auf die Plattform gelangt, erfuhr BOOTE EXCLUSIV nicht beim Werftbesuch in Südafrika. Marco Alberti verriet nur, dass dies nicht von Hand geschehen wird. Ein seitliches Aufklappen verhindern die Backstagen.
Aus drei Antriebsoptionen kann gewählt werden: Zweimal geht es über die Welle, mit Dieselmotor oder mit E-Motor, Verstellpropeller und Dieselgeneratoren mit variabler Drehzahl. Letzteres ermöglicht das Erzeugen von Strom unter Segeln. Das mit BAE Systems entwickelte und weltweit in Verkehrsbussen bewährte Hybridsystem brachte „Nyumba GT“ bei ersten Tests in der Tafelbucht eine Energie-Ernte von 15 Kilowatt bei 11,5 Knoten Boatspeed ein. Southern Wind montiert auf Wunsch auch zwei Saildrives im Rumpf, der in einem über die Jahre perfektionierten Vakuum-Infusionsverfahren mit Carbon-Matten und -Gelegen sowie verschiedenen Epoxidharzen entsteht.
Dass die Verdrängung der SW100X fast 67 Tonnen betragen soll, wird auch am Interior liegen, dass nicht so konsequent auf Leichtbau ausgerichtet ist wie das der Smart-Custom-Bauten, bei denen auch Schranktüren einen großflächigen Schaumkern haben und nur für Scharniere punktuell verstärkt werden. Die Einbaumöbel sollen unverrückbar in Position und Form sein, und Nauta Design wird verschiedene Moods für die Dekoration vorgeben. Wichtig waren, betont Micheli, zwei dicht beieinanderliegende Doppelkabinen vor und hinter dem Salon, um zwei Familien, etwa im Charterbetrieb, gleichwertige Unterkünfte bieten zu können.
Zwei Kiele stehen zur Auswahl: fest und teleskopisch. Was zunächst verwundern mag, ergibt absolut Sinn. Denn der 3,65 Meter bis 5,60 tief gehende Teleskopkiel ist zwar teurer und durch das dickere Finnenprofil etwas weniger performant als ein Liftkiel, beeinträchtigt aber wie der fest verschraubte Vier-Meter-Kiel nicht das Interior. Das Layout muss also je nach Kielgeschmack nicht angepasst werden. Das aufrichtende Moment ist geringer als bei den anstehenden Smart-Custom-Ablieferungen, deren Masten auch höher reichen. Dennoch erzielten die Farr-Konstrukteure einen hohen Wirkungsgrad durch die geringe benetzte Oberfläche des Unterwasserschiffs. Das Motto lautet: kleinerer Segelplan, leichteres Rigg, weniger Ballast, geringere Verdrängung. Die Polardiagramme sagen voraus, dass die SW100X am Wind ab sechs Knoten schneller als der Wind und raumschots bei zwölf Knoten starkem wahren Wind minimal schneller als dieser sein soll. Der neue 100-Fußer soll überall und in allen Bedingungen funktionieren und, wie eine Vertreterin der alten Modellreihe es 2007 vorgemacht hat, die 30-Knoten-Marke brechen.
Im Frühjahr soll mit dem Bau der dreiteiligen Rumpfform begonnen werden, die an sich nicht CNC-gefräst wird, sondern mit Hilfe von Formschablonen aus der Drei-Achs-Fräse und auf Grundlage eines Holzgerüsts entsteht. Dennoch wird den südafrikanischen Yachtbauern regelmäßig von Sachverständigen und Klassifizierungsgesellschaften hohe Fertigungspräzision bescheinigt. Für die SW100X stellt Southern Wind aufgrund der Standardisierung eine reduzierte Bauzeit von 18 Monaten in Aussicht. Baunummer eins soll Anfang 2025 durch die Tafelbucht segeln.