So chic der Name und die Erscheinung, so rau die Jungfernfahrt der ersten Swan 108. Für „Fancy“ wurde die Überführung vom finnischen Pietarsaari nach Mallorca zur Feuertaufe. Zunächst machten dem 36-Meter-Maxi Wetterkapriolen zu schaffen. Die Werft gab „Fancy“-Kapitän Eric Santene mit auf den Weg, dass er es nicht übertreiben solle. Seine Interpretation war ein Ritt durch die Nordsee mit zwei Reffs im Groß, Stagsegel und permanent knapp unter 20 Knoten. Ein Tief über dem Ärmelkanal zwang dann doch zum zweitägigen Abwettern in Amsterdam. Da dem Captain der Trimm des Großsegels nicht gefiel, setzte er es mitten in der Stadt. Umgeben von Grachten rauschte 344 Quadratmeter North-Sails-Laminat den knapp 50 Meter langen Mast nach oben. Das fiel auf und prompt meldete sich die Hafenpolizei, die diese Art von Flaggenparade gar nicht lustig fand.
Die Werft wollte, dass der Kapitän es ruhig angeht. Seine Lesart: zwei Reffs, Stagsegel und fast 20 Knoten
Die Anekdote erzählt Santene im Cockpit und mit 8000 Seemeilen im Kielwasser, etwa die Hälfte gehen aufs Konto der 15-tägigen Überfahrt. Für die eigentliche Taufe bog man in Brest ab und überließ nichts dem Zufall. Der Franzose ahmt die schnelle Bewegung eines Hammers nach und verrät, wie er den Taufschampus präparierte: „Es war ein kleiner Riss zu erkennen und ich traute mich kaum mehr, die Flasche anzufassen.“ Die Biskaya zeigte sich von ihrer zahmen Seite, eine Gefahr lauerte aber noch im Mittelmeer. Um Orca-Angriffen vorzubeugen, blieb er nah an der Küste. Die Anspannung war hoch, Eimer voll Sand standen bereit, schließlich hatte man bereits eine erste Charter-Buchung für August angenommen und wollte keinen Ruderschaden riskieren. Alles lief glatt, beim Einlaufen in Palma zeigte die Logge als Durchschnittsgeschwindigkeit unter Segeln elf Knoten an.
Mit der Swan 108 leitete Nautor die Neuausrichtung der Maxi-Linie ein. Dem neuen Gestaltungskurs folgen als Nächste die 88 und die 128. Vanni Galgani, Head of Product Marketing sagt dazu: „Wie immer bei Swan entwickeln wir uns weiter, aber wir revolutionieren nicht, dafür haben wir ClubSwan. Die neuen Maxis übernehmen das Beste aus der 98 und 120 und stehen im Einklang mit den bestehenden Modellen. Auf Konstruktionsseite wurde die Volumenverteilung im Rumpf verbessert und die Segelfläche konsequent neu verteilt.“
Seit 1980 bringen Germán Frers und sein Konstruktionsteam die Schwäne der Cruising-Linie in Form, die bei 48 Fuß startet. Insgesamt erdachte Frers Senior 30 verschiedene Maxi-Modelle für die finnische Werft mit italienischem Management. Galgani nennt den Argentinier gar „Master of the Maxis“. Dennoch erhielt Frers für die 108 erstmals Design-Unterstützung vom Mailänder Studio Micheletti + Partners. Der Architekt Lucio Micheletti, der sich seine Designsporen im Automobilsegment verdiente und bereits für Werften arbeitete, schuf einen dynamischen Aufbau, den ein scheinbar schwebendes Süll optisch in die Länge zieht. Der Trick: Micheletti verordnete einen Spalt zwischen Teak und grauem Carbon-Süll. Dadurch fällt die praktische Sitz- und Trittstufe weg, das Ensemble wirkt nun offen und elegant. Im Vergleich zur viermal gebauten Swan 115 ist der Deckssprung ausgeprägter,das Heck läuft bedeutend breiter aus. Und Micheletti holte sogar ein verschwundenes Swan-Signet zurück: den weichen Übergang vom Heckspiegel zu Schanzkleid in Form eines Halbbogens.
Für mehr Vortrieb durch die Vorsegel wanderte der Carbonmast auf das flache Aufbautendach. Nautor nutzt für das Laminieren die Sprint-Technologie des Schweizer Verbundstoffkonzerns Gurit. Dabei handelt es sich auch um Prepregs, also mit Harz vorimprägnierte Fasern, die tiefgekühlt gelagert werden müssen, einzeln und exakt zu verarbeiten sind und erst im Vakuum bei erhöhter Temperatur aushärten. Aber im Gegensatz zu herkömmlichen Prepregs umschließen die Carbonfasern die innere Schicht aus Epoxidharz vollständig. So kommt die Swan 108 auf eine Verdrängung von 83,9 Tonnen, wobei 28,6 Tonnen auf den Kiel entfallen. Dem steht eine Amwind-Segelfläche von 648 Quadratmetern gegenüber. Durch die neue Positionierung des Bugspriets weiter unten können A-Sails mit längeren Vorlieken gefahren werden. Zudem reicht durch den tiefergelegten Rüssel das Ankereisen näher an die Wasseroberfläche und weiter weg vom Steven.
Die Fallen-Winschen und Schoten werden hydraulisch bewegt. Santene dazu: „Derzeit läuft der Kreislauf auf 250 Bar, wir können aber auf 400 Bar erhöhen.“ Die Ausrüstung ist vom Feinsten: Titan-Klampen und -Relingstützen, stehendes Gut aus Carbonfasern, nur auf das automatisch einfahrbare Cockpit-Bimini verzichtete der Eigner. Am Ende hätte doch auf die Kosten geachtet werden müssen, so Eignervertreter Ulysse Harin. Bei den Anhängen wurden keine Kompromisse eingegangen: Standard sind Doppelruder und Festkiel, an „Fancy“ verbauten die finnischen Yachtbauer aber den optionalen Teleskop-Kiel, der zwischen 3,40 und 5,20 Meter tief geht und dessen Schacht kaum über die Wasseroberfläche hinausreicht.
Die Helligkeit durchbrechen bordeauxrotes Leder, bronzefarbene Handläufe und Goldpulver-Gemälde
Gegenüber dem Kasten eines Liftkiel wird das Volumen des Salons also nur minimal eingeschränkt. Ebendort wird sofort deutlich, dass hier keine der vier Ausbauvarianten zu sehen ist, die Swan mit der italienischen Architektin Misa Poggi entwickelte. Es ist aber auch kein Custom-Interieur wie bei der Swan 120 „Audrey the First“. Eher etwas dazwischen, wie Swans Vertriebsleiter für die DACH-Region Thorsten Flack unter Deck erklärt: „Das ist nicht der gewohnte Nautor-Stil. Die Eignerin hat das Interieur mit der Swan-Hausgestalterin Heini Gustafsson ausgearbeitet.“ Weiße Decken, Wände und Schränke sowie cremefarbene Stoffe erzeugen eine für finnische Schwäne ungewohnte Helligkeit. Dadurch in den Blickpunkt geraten bordeauxrotes Leder, bronzefarbene Handläufe und Drücker sowie die Gemälde an den Schotten aus Goldpulver, das auf graviertem Glas liegt. Europäische Eiche kam als Furnier – auf Schaumkernen – für Möbel, in einem Sandton gebeizt, und für den Boden in der gekalkten Variante und mit gebürsteter Oberfläche zum Einsatz.
Beide seitlichen Sofas erlauben, sich wie auf der Swan 120 neben das Rumpffenster zu legen, mit den Rückenpolstern als Leesegel. Neu für eine Swan dieser Größe ist die Zurschaustellung des unverkleideten, hochglanzlackierten Kohlefaserprofils des Hall-Spars-Masts. Im Kontrast dazu hängt eine akustische Gitarre in der Lounge wenige Meter weiter vorn. Ein weiterer Wunsch des Eigners, der zwei Meter groß ist, waren 2,15 Meter lange Betten und extrahohe Duschen. Beim Layout bietet Nautor kein wildes Kabinenrücken mehr an. Thorsten Flack beschreibt die einzige Variante: „Möglich ist eine fast 40 Prozent größere Eignerkabine im Bug. Aber dann gibt es nur noch zwei statt drei Gästekabinen.“
Das war keine Option für die „Fancy“-Eigner. Da sie von Beginn an Charter im Sinn hatten, legten sie die Doppelkabinen achtern des Salons mit zusammenschiebbaren sowie mit Pullman-Betten an. Im Heck wohnt und arbeitet die bis zu fünfköpfige Crew in einer Umgebung, die dem gleich hohen Ausbaustandard und Leichtbauanspruch wie weiter vorn folgt. Teil der Besatzung ist ein französischer Chef, der für bis zu neun Charterkunden kocht, die Bernard Gallay oder Nautor Swan Charter 115.000 Euro pro Woche überweisen. Zugang zur großen Toyflotte inklusive E-Foil gewährt die 15 Quadratmeter große Badeplattform, die in zwei Teilen aus Spiegel und Achterdeck hervorklappt.
Bauüberwacher Ulysse Harin verlangte die kommerzielle Klassifizierung einiges ab: von der Größe des Ankers, über Feuerlöschund Alarmsysteme bis hin zu Vorgaben für die Segelsysteme: „Das Reff Nummer drei muss weniger als fünfzig Prozent der Gesamtsegelfläche betragen. Eine Sturmfock war auch Pflicht.“ Für den Franzosen stellte die Swan 108 das erste Maxi-Projekt dar. Die größte Herausforderung sei nicht der harsche Winter im Norden Finnlands gewesen, sondern der Sommer. „Dann nimmt der Tag und damit die Arbeit einfach kein Ende“, sagt Harin mit einem Lächeln an Deck von „Fancy“.
Nautors Boat Technology Center steht alles andere als still. Die Maxis kommen jetzt aus Carbon-Formen und werden von dedizierten Teams betreut, die parallel vier Yachten über 24 Meter bauen können. Die Finnen arbeiten an jeweils zwei 88 und 128 sowie an einer weiteren 108 und einer 80.
Der französische „Fancy“-Eigner, der von einem 62-Fuß-Seriensegler kommt, erhielt zwar Baunummer eins, aber beileibe keinen Prototyp. Leonardo Ferragamo, seit 1998 Nautors Mehrheitseigentümer, sagte zur Vorstellung in Monaco: „Das ist die beste Swan aller Zeiten.“ Auch Kapitän und Bauüberwacher bestätigen: „Er kam zur Abnahme und testete und öffnete alles.“ So ein Satz kommt eben nicht jedes Jahr über die Lippen von Mr. Swan.