Lars Bolle
· 19.02.2023
Mit der neuen ClubSwan 36 hat die finnische Werft eine Einheits-Regattayacht kreiert, die einfach zu bedienen ist, zugleich aber wegen ihrer vielen technischen Raffinessen Raum zum Experimentieren lässt
„Der Trend geht immer mehr zu Booten, die raumschots und vor dem Wind sehr schnell sind. Denn das ist der Spaß-Teil beim Segeln“, sagt Federico Michetti, seit Kurzem bei Nautor’s Swan verantwortlich für Sportaktivitäten der Einheitsklassen. „Das schnelle Vormwind-Segeln geht aber fast immer zulasten der Leistung auf dem Amwind-Kurs“, so der Italiener weiter. Der elfmalige Weltmeister in verschiedenen Einheitsklassen ist sich sicher: „Diese Lücke wird das Foil zumindest teilweise schließen.“
Dieses Foil ist das herausstechendste Merkmal der neuen ClubSwan 36. Dazu zunächst eine kleine Begriffsbestimmung. Als Foil, genauer Hydrofoil, werden alle Anhänge im Wasser bezeichnet, die asymmetrisch geformt sind. Mittels dieser Form erzeugen sie Auftrieb, Lift, in eine bestimmte Richtung. Je senkrechter sie stehen, desto mehr ziehen sie das Boot nach Luv, je waagerechter, desto mehr heben sie es an. Erstgenannte Eigenschaft vermindert die Abdrift, sorgt also für eine bessere Zielgeschwindigkeit nach Luv. Das Anheben verringert die benetzte Fläche und damit den Form- und Reibungswiderstand des Bootes. Mit Fliegen, also dem kompletten Herausheben des Rumpfes aus dem Wasser, wofür der Begriff „Foilen“ auch häufig verwendet wird, hat das allerdings bei der ClubSwan nichts zu tun.
Das C-Foil vereint die vorgenannten Eigenschaften. Auf dem Amwind-Kurs wird es voll ausgefahren und verringert so die Abdrift. Je mehr Krängung ins Boot kommt, desto waagerechter steht es und hebt dann den Bug an; das soll vor allem in schwerer See Vorteile bringen. Zudem erhöht es wegen des Liftes in Lee das aufrichtende Moment des Bootes. Raumschots wird das Foil nur etwa halb ausgefahren und soll die Bugpartie für ein schnelleres Angleiten anheben, zugleich dem Boot besser über Wellen hinweghelfen. Es befindet sich in einem geschlossenen Kasten und wird über zwei Leinen und eine Winsch hinter dem Mast in wenigen Sekunden von einer Seite auf die andere befördert. In keiner Stellung ragt es seitlich über den Rumpf hinaus, kann also nicht bei Hafenmanövern beschädigt werden.
Wie viel dieses Foil letztlich bringt, ist derzeit schwer zu sagen. Beim Test vor Barcelona kam das Boot bei knapp zehn Knoten Wind raumschots zwar auf zwölf Knoten, am Wind waren es 6,5 Knoten, ein Effekt des Foils ließ sich jedoch nicht feststellen. Auch sei laut Federico Michetti noch nicht ganz klar, welche Foil-Stellungen bei welchem Wind abhängig vom Kurs die besten seien. Bei ersten Vergleichsfahrten im Rahmen der von Nautor’s Swan wiederbelebten Nations Trophy segelten vier der ersten Baunummern gegeneinander. Dabei hätten alle verschiedene Stellungen und Krängungswinkel gefahren. „Es braucht wohl mindestens die erste Saison“, so Michetti, „um das Boot ganz zu verstehen und am Optimum zu segeln.“
Denn das Boot stellt künftige Eigner nicht nur beim Foil vor einige Denkaufgaben. Das Konstrukteursteam um den Argentinier Juan Kouyoumdjian, bekannt durch seine Open 60s und Volvo-Racer, hat eine neue Einheitsklasse kreiert, mit der eine Regattaserie im Mittelmeer sowie im Ostseeraum etabliert werden soll. Dabei geht es vor allem um Spaß am Segeln, wie eingangs beschrieben als Speed definiert. Die ClubSwan 36 hat deshalb nichts mehr mit den Performance-Cruisern des Hauses zu tun, sie ist ein reiner Racer. Es geht allein darum, mit ihr Kurz- bis Mittelstreckenregatten in Küstennähe zu segeln. Über Sieg und Niederlage wird dabei neben dem taktischen Geschick der Trimm des Bootes entscheiden.
Denn das Rigg ist sehr flexibel gestaltet. Der Kohlefasermast wird nur von einem Salingspaar gestützt und lässt sich in Längsrichtung verstellen, steht dazu auf einem halbrunden Fuß. Anstelle eines Achterstags werden zwei Backstagen gefahren, die als Trimmelemente dienen. Wegen der starken Pfeilung der Salinge bleibt der Mast auch bei Fehlbedienungen der Backstagen stehen. Ungefähr mittig der Backstagen sind an diesen sogenannte Deflektoren angebracht. Diese laufen vom Backstag fast waagerecht zum Mast und durch diesen nach unten zu den Beschlägen. Mit ihnen kann die Biegekurve des Mastes beeinflusst werden.
Setzt der Masttrimmer das Luv-Backstag an, vermindert sich zum einen der Durchhang des Vorlieks der Genua. Da das Backstag aber etwas über dem Vorstagsbeschlag ansetzt, biegt sich zugleich der Mast. Das kann bei zunehmendem Wind gewünscht sein, um das Profil des Großsegels abzuflachen. Soll dieser Effekt jedoch vermieden werden, kann der jeweilige Deflektor in Luv eingesetzt werden. Er zieht die Mitte des Mastes gegen das Backstag nach achtern, begrenzt also die Mastbiegung. Auch dieses Trimminstrument wird einiges an Erfahrung benötigen, um effektiv eingesetzt werden zu können.
Beide Segel, Genua und Groß, werden übrigens, wie bei Racern gang und gäbe, mittels Fallenschlössern fixiert. Das verringert den Stauchdruck im Mast, er kann filigraner ausfallen. Zudem wird das Toppgewicht reduziert, da die Fallen dünner sein können. Bei der Genua ist damit auch ein Strecker möglich, mit dem sich die Vorliekspannung sehr kontrolliert regulieren lässt.
Neben dem Foil ist die ClubSwan mit drei weiteren bemerkenswerten Anhängen unter der Wasserlinie ausgestattet. Zunächst mit einer Doppelblattanlage. Die Ruderblätter sind dabei als sogenannte Tuberkel- oder Buckelruder ausgeführt, den Brustflossen von Buckelwalen nachempfunden. Diese Form soll Strömungsabrisse bei hohen Geschwindigkeiten und engen Radien hinauszögern. Sie sind achtern unter dem Cockpitboden mittels Gestängen verbunden. Über diese lässt sich der Anstellwinkel der Blätter zueinander abhängig von den erwarteten Wetterbedingungen vor dem Start verstellen.
Zudem verfügt die ClubSwan über einen 2,75 Meter tiefen und mit 1.163 Kilogramm sehr schweren Kiel gemessen am Gesamtgewicht – also über massig Gegenmoment zur enormen Segelfläche. So konnte sie im Test auch starke Krängung mühelos wegstecken und blieb dabei dank der Doppelblattanlage absolut kontrollierbar. Die Kielbombe ist nicht mittig am Kielschaft angebracht, sondern steht deutlich nach achtern hinaus. Damit soll ein Effekt erzielt werden, der sonst von Konstrukteuren eher vermieden wird. Bei stärkerer Krängung am Wind führt die asymmetrische Gewichtsverteilung am Schaft dazu, dass die Kielfinne twistet. Der hintere Bombenteil hängt quasi etwas nach Lee, der untere Kielbereich dreht sich mit der Vorderkante in Richtung Luv. Damit erhält ein Teil der Finne einen Anstellwinkel zur Fahrtrichtung und soll so mehr Lift nach Luv erzeugen.
Bedient wird die ClubSwan über die sonst üblichen Trimmeinrichtungen. Dazu gehören sieben Winschen, je zwei für die Backstagen und für die Großschot auf den Seitendecks, zwei für die Genuaschoten neben dem Mast sowie eine für die Foilverstellung sowie die sonstigen Trimmeinrichtungen. Diese sind, wie auf einer großen Jolle, jeweils doppelt zu jeder Seite geführt, womit das Boot komplett von Luv aus bedienbar ist. Alle Trimmleinen laufen an Deck ohne Durchbrüche, um eine größtmögliche Dichtigkeit des Bootes zu gewährleisten. Außerdem erhöht dies die Wartungsfreundlichkeit. Dazu ist die Abdeckung hinter dem Mast auch sehr leicht demontierbar.
Unter Deck werkelt ein nur 14 PS starker, dafür sehr leichter Nanni-Diesel; alternativ kann ein Elektroantrieb geordert werden. Der Antriebsstrang ist, ähnlich wie auf der neuen Dehler 30 One Design, komplett einziehbar. Mit dem Diesel schaffte das Boot bei ruhigen Bedingungen aber immerhin sechs Knoten bei voller Drehzahl. In Anbetracht des Nutzungszieles, reine Regatten, ist der Motor lediglich als Manövrierhilfe oder Flautenschieber ausgelegt.
Zur Saison 2020 sollen 14 Boote einsatzfähig sein. Die Klassenregel ist noch nicht final definiert. Wahrscheinlich soll das Crewgewicht auf 550 Kilogramm limitiert werden, was bis zu sieben Segler ermöglichen würde. Der Eigner muss auch steuern. Eine Idee von Federico Michetti ist zudem, dass ein Crewmitglied jünger als 25 Jahre sowie auch eine Frau an Bord sein sollte. Nur drei Profis sollen zugelassen werden.
Mit der ClubSwan 36 hat die finnische Werft ein echtes Spaßmobil kreiert, mehr große Jolle als Dickschiff. Der Preis allerdings, über 500.000 Euro für eine fast blanke Epoxid-Glasfaserschale mit einigen Carbonverstärkungen, tut schon etwas weh. Dafür wird jedoch Rundum-Service mit Transport und Aufriggen an den Regattaorten geboten sowie mit wachsenden Feldern erwartbar hochkarätiger und technisch wie taktisch herausfordernder Regattasport.