YACHT-TestWas die Beneteau First 27 zum Erfolgsmodell macht

Jochen Rieker

 · 04.01.2024

Gut 15 Knoten Top-Speed bei 20 Knoten Wind
Foto: BeneteauFirst/A. Sutej
Beneteau will seine Sportboote einem breiteren Kundenkreis öffnen. Wie das gelingen soll, zeigt die First 27. Sie ist günstiger, handiger, komfortabler als ihre supersportliche Schwester First 27 SE – und wirkt dabei kein bisschen langweilig

Es ist eine irritierend kernige Begrüßung, mit der die First 27 ihre Crew empfängt. Ein tiefes, ruhiges Stampfen und Poltern dringt aus dem Niedergang in die Plicht. Es er­innert eher an alte Fischerboote denn an einen modernen Performance-Cruiser im Kompaktformat. Und tatsächlich wummert im Rumpf die gleiche archaische Antriebstechnik: ein Yanmar-Diesel, der eigentlich nicht so recht zu diesem Speedster passen will.

Für ein modernes Sportboot, das bei acht Meter Länge gerade mal 1,6 Tonnen verdrängt, wirkt diese Art der Motorisierung eigentlich kontraindikativ. Und doch zählt der 14-PS-Zweizylinder zu einem der wichtigsten Wesensmerkmale der neuen First 27. Mit dem verlässlichen Selbstzünder und einer Reihe weiterer Ausstattungsdetails versucht Beneteau, das Modell für möglichst viele Eigner attraktiv zu machen.

Die First 27 SE ist die sportliche Basis

Im Kern ist die First ein bekanntes und bewährtes Boot. Erstmals kam sie 2012 auf den Markt, damals noch als Seascape 27. Mit der Übernahme der slowenischen Werft durch Beneteau wurde sie zu einem Teil der First-Baureihe. Ihre sportlich-spartanische Auslegung behielt sie zunächst bei.

Inzwischen hat der Weltmarktführer sein Angebot jedoch erweitert. Die Ursprungsversion bleibt als First 27 SE erhalten und erfreut sich ungebrochener Beliebtheit. Ergänzt wird sie durch das neue, mehr auf die Ansprüche von Fahrtenseglern hin konzipierte Boot. Insgesamt wurden fast 250 Einheiten der beiden 27er gebaut - ein in diesem Segment erstaunlicher Erfolg.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Man könnte bei der First 27 von einem Basismodell sprechen, doch das würde dem Boot nicht wirklich gerecht. Denn sie ist, obwohl günstiger, das komplettere Angebot. Wohl auch deshalb hat sie in den zwei Jahren nach ihrer Markteinführung Anfang 2021 die SE in den Verkaufszahlen überflügelt.


Die Konkurrenz


Nicht nur der Einbaudiesel unterscheidet sie von ihrer schnellen Schwester, die ganz ohne Motor kommt und auf Wunsch von einen Außenborder im Schacht angetrieben wird. Auch die beiden Aufbaufenster heben die Neue auf den ersten Blick wohltuend ab. Sie erinnern in ihrer Form an das Topmodell First Yacht 53; deren Designer Lorenzo Argento hat an der Linienführung mit­gear­beitet. Die langen, flachen Scheiben lassen das Boot noch schlanker und prägnanter erscheinen. Zudem bewirken sie unter Deck spürbar mehr Helligkeit und ein besseres, offeneres Raumgefühl.

Ebenfalls neu sind die Bänke im ursprünglich leeren Cockpit: Sie messen 1,37 Meter in der Länge und sind 37 Zentimeter tief – ausreichend zum Sitzen, zu knapp als Sonnenliege, aber gut für zusätzlich 300 Liter Stauraum dort, wo man ihn am besten nutzen kann.

Rigg-Geometrie

Ansonsten entspricht die Plicht sowie die Beschlagsausstattung weitestgehend jener der Sportversion, die bereits in früheren Tests überzeugen konnte. Nur zwei Unterschiede gibt es: Die Großschot wird nicht in die Mitte der Plicht umgelenkt, sondern direkt am weiter achtern montierten Traveller belegt, was etwas ungünstigere Zugwinkel mit sich bringt. Und dann ist da erstmals ein Achterstag.

Das gab es wegen der im Kopf weit ausgestellten Großsegel bisher nicht bei den Sportbooten von Seascape. Die First 27 aber hat ein klassisches, spitz zulaufendes Groß, das an einem Alumast von Seldén gesetzt wird. Folglich ist hier eine Verstagung nach achtern möglich und auch nötig; das steifere Carbonrigg der 27 SE braucht diese nicht.

Die Rigg-Geometrie dagegen ist so gut wie identisch. Tatsächlich blieben alle Püttinge unverändert. Wer wollte, könnte auf der First 27 daher auch den Kohlefasermast der 27 SE stellen, was eine durchaus reizvolle Kombination ergäbe; wirklich notwendig ist er freilich nicht. Die 27 SE führt vor allem wegen des Fathead-Groß zwar insgesamt gut acht Quadratmeter oder 20 Prozent mehr Tuch am Wind als das Basisboot. Doch zählt auch dieses mit einer Segeltragezahl von 5,2 zweifelsfrei zur sportlichen Fraktion.

Unterm Rumpf hält hier ein Festkiel gegen; die SE besitzt einen etwas effizienteren Schwenkkiel, der sich hydraulisch heben und senken lässt. Das aufrichtende Moment soll bei beiden nahezu identisch sein.

Gleich auch die Bauart: Die Finne besteht aus leichtem GFK, der Ballast aus Blei – nicht wie sonst im Serienbau üblich aus Guss­eisen, das hält den Massenschwerpunkt niedrig. Bei der First 27 steckt der Kopf der Finne formschlüssig in einem Rezess des Rumpfes, wo er zusätzlich verbolzt wird. Eine massive Bodengruppe nimmt die Kräfte auf. So aufwändig arbeiten nur wenige Se­rienwerften, was einmal mehr belegt, dass die Boots­bauer in Slowenien keine Abkürzungen beim Fahrtenschiff genommen haben.

Feurige Jungfernfahrt

Für den Test stand uns Ende November die Baunummer 1 zwei Tage lang zur Verfügung. Gleich zum Auftakt sorgte eine Bora für 5 Beau­fort aus Nordost, in Böen auch mehr – Bedingungen, bei denen nicht nur der Yanmar-Diesel zeigen konnte, was er kann.

Um das vorwegzunehmen: Er besitzt beruhigende Reserven, um das Boot sicher auch gegen Wind und kurze, steile Wellen zu schieben. Ursprünglich hatte Beneteau den nur 10 PS leistenden Einzylinder 1YM10 verbaut, mit dem auch der Prototyp ausgestattet war. Trotz Faltpropeller brachte der die First bei Volllast mit bis zu 6,9 Knoten voran; bei Marschfahrt zeigte das GPS gemittelt 6,5 Knoten. Der jetzt serienmäßig montierte Zweizylinder bringt zwar etwa 30 Kilo Mehrgewicht mit, aber auch ein Plus von satten 50 Prozent Leistung und ungleich mehr Laufruhe. Mit ihm sollte sogar Gleitfahrt möglich sein.

Unter Segeln löst sich die First 27 ebenfalls leicht von ihrem Wellensystem. Mit geschrickten Schoten überschritt sie am ersten Testtag bereits ihre Rumpf­geschwindigkeit, um auf Halbwindkurs förmlich zu explodieren: Ehe man es sich versieht, stehen nur unter Groß und Fock schon 9 bis 10 Knoten auf der Logge. Und das ist erst der Anfang.

Raumschots unter dem 71 Quadrat­meter messenden Gennaker surfte sie beständig im zweistelligen Bereich. Gemittelt über 500 Meter erreichte die First ohne jeden Anflug von Nervosität 12,6, in der Spitze beachtliche 15,4 Knoten. Lediglich die kurze See bremste den Vorwärtsdrang mitunter – dann nämlich, wenn das Boot mit vollem Tempo den Bug in die langsamer laufende Welle steckte und sich ein paar hundert Liter Wasser übers Deck ergossen.

Hohe Stabilität

Selbst am Wind beeindruckte das Boot. Aufmerksam an der Windkante gesteuert, konnte es so eben Vollzeug tragen. Das spricht für gute Steifigkeit, die sich auch schon im Hafen beim Gang übers Seitendeck zeigte. Die First verfügt mit 39 Prozent Ballastanteil über beruhigende Stabilitätsreserven, was sie umgänglicher macht als die Sportversion, die bei gleichen Bedingungen das erste Reff, womöglich auch die Stagfock erfordert hätte.

Wegen des kleineren und weniger effektiven Groß liegt der Segeldruckpunkt jedoch weiter vorn als bei der SE. Das und die Doppelruderanlage sorgen für ein sehr neutrales Steuergefühl – es fehlt etwas Ruderdruck und damit Mitteilsamkeit. Folglich wird man bei weiter auffrischendem Wind zunächst die Genua einige Umdrehungen einrollen, bevor man das erste Reff ins Groß bindet. Dafür wären Kompensationsstreifen am Vorliek des Vorsegels nötig, die beim Testboot fehlten. Auch stimmten der Schotholepunkt und der Schnitt noch nicht ganz; am Groß missfielen Rutscher billigster Machart und ein zu tiefes Schothorn. Das aber, so verspricht Werftgründer Andraz Mihelin, wird zum Serienanlauf behoben sein.

Am zweiten Tag sorgte Leichtwind zwischen 5 und 10 Knoten für eine ganz andere Art der Herausforderung – und die parallel gesegelte Sportversion für einen guten Vergleich. Unter solchen Bedingungen kann sie ihr Mehr an Leistung voll ausspielen; am Wind zieht sie sogar aus einer Lee-Position langsam an der First 27 vorbei. Mit gut einem halben Knoten mehr Geschwindigkeit sind auch ein paar Grad mehr Höhe drin.

Wer nicht dauernd in windarmen Revieren unterwegs ist und keinen großen Ehrgeiz fürs Regattasegeln entwickelt, wird die Differenz gleichwohl nicht als schmerzlich empfinden. Denn die Standardversion segelt auch dann noch agiler als das Gros der Boote um acht Meter Länge.

Leichter Luxus

Unter Deck bleibt die First 27, dem Leichtbau geschuldet, pragmatisch-schlicht. Doch wird sie mit Optionen wie Wassertank, WC, Cockpitdusche, Pantryblock und Kühlbox zu einer richtigen kleinen Yacht, die es bis auf Stehhöhe an nichts Wesentlichem vermissen lässt. Sandfarbene Textilpolster und dar­auf abgestimmte Bodenbeläge verleihen ihr sogar so etwas wie Gemütlichkeit. Gemessen an der Reduziertheit der SE fühlt sie sich fast schon luxuriös an.

Dabei ist sie ausstattungsbereinigt günstiger als ihre sportliche Schwester – günstiger auch als viele der Wettbewerber. Werftchef Andraz Mihelin traut ihr daher einiges zu: „Ich glaube, dass sie auf Jahre hinaus eines unserer attraktivsten Modelle sein wird“, sagt er. Dafür braucht es keine große Prophetie.

Die Messwerte zum Test der Beneteau First 27

Wind: 16–22 kn (5 Bft.), Wellenhöhe: ca. 0,5 Meter * Mit Gennaker

Die Beneteau First 27 im Detail

Der Rumpf stammt von der Seascape 27, neu sind Kiel, Rigg und Aufbaufenster | Zeichnung: YACHT/N. CampeDer Rumpf stammt von der Seascape 27, neu sind Kiel, Rigg und Aufbaufenster | Zeichnung: YACHT/N. Campe

Technische Daten der Beneteau First 27

  • Konstrukteur: Sam Manuard
  • CE-Entwurfskategorie: B
  • Rumpflänge: 7,99 m
  • Wasserlinienlänge: 7,93 m
  • Breite: 2,54 m
  • Tiefgang: 1,70 m
  • Theor. Rumpfgeschwindigkeit: 6,8 kn
  • Gewicht: 1,6 t
  • Ballast/-anteil: 0,63 t/39 %
  • Masthöhe über Wasserlinie: 12,20 m
  • Großsegel: 20,0 m2
  • Rollgenua (105 %): 17,3 m2
  • Maschine (Zweizylinder-Yanmar 2YM15): 10kW/14 PS
  • Kraftstofftank: 25 l
  • Frischwassertank (opt.): 55 l
  • Fäkalientank (opt.): 30

Rumpf- und Decksbauweise

GFK-Sandwich mit Schaumkern, unter Verwendung von Vinylesterharz im Vakuum-Infusionsverfahren laminiert. Festkiel mit GFK-Finne und Bleibombe

Preise und Werft

  • Grundpreis ab Werft: 98.320 € (inkl. MwSt.)
  • Garantie/gegen Osmose: 3/7 Jahre

Preise Stand 01/2024, wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!

Werft

Seascape d.o.o., Rjava cesta1a, 1260 Ljubljana Polje, Slowenien. info@thinkseascape.com

Vertrieb

YACHT-Bewertung der Beneteau First 27

Nicht bloß eine Variante – mit der First 27 hat Beneteau ein eigenständiges Modell entwickelt. Sie segelt kaum weniger agil, gibt sich aber deutlich zugänglicher als ihre supersportliche Schwester

Konstruktion und Konzept

  • + Hochwertige Bauweise
  • + Trailerbar, allerdings nicht slipbar
  • + Klare, gestreckte Linienführung

Segelleistung und Trimm

  • + Hohes Geschwindigkeitspotenzial
  • + Hoher Stabilitätsumfang
  • - Eingeschränkte Holepunktverstellung

Wohnen und Ausbauqualität

  • + Ausreichende Fahrtentauglichkeit
  • + Relativ komfortable Kojenmaße
  • - Eher nüchternes Ambiente

Ausrüstung und Technik

  • + Gut dimensionierte Beschläge
  • + Sinnvolle Extras
  • - Knappe Grundausstattung

Dieser Artikel erschien erstmals in YACHT 03/2021 und wurde für diese Online-Version aktualisiert.


Auch interessant:


Meistgelesen in der Rubrik Yachten