65,45 Knoten – das ist die Messlatte in der Welt des Highspeed-Segelns, und zwar seit über zehn Jahren. Der bisherige Rekordhalter Paul Larsen und sein Team hatten zuvor rund zehn Jahre Entwicklungsarbeit gebraucht, um den vorherigen Rekord zu brechen. Und dennoch will ein Schweizer Team jetzt nicht nur eine neue Bestmarke aufstellen, sondern hat das Ziel ausgegeben, den alten Rekord um weitere 15 Knoten zu überbieten.
Ein wichtiger Meilenstein auf diesem Weg ist bereits vollbracht: Die Schweizer haben ihre Rekordmaschine “SP80” Anfang August erstmals zu Wasser gelassen. Darüber hinaus wurden auf dem Genfer See erste Tests durchgeführt. Wie vom America’s Cup oder ähnlichen Projekten gewohnt, jedoch nicht unter Segeln, sondern im Schlepp. “Diese ersten Tests haben bestätigt, dass das Boot sehr schnell sein kann”, so “SP80”-CEO und -Steuermann Mayeul van den Broek.
Bis man die angepeilten 80 Knoten tatsächlich erreichen könne, habe man jedoch noch eine Menge Arbeit vor sich, erklärte er im Hinblick auf die geplanten Rekordversuche 2024 in Südfrankreich. “Die nächsten Monate der Optimierung werden entscheidend sein, wenn wir im nächsten Jahr den Rekord von Paul Larsen angreifen wollen.” Dafür wurde “SP80” bereits nach einer Woche zur französischen Team-Basis in Leucate verfrachtet, um auch unter Segeln in die Testphase einzusteigen.
Van den Broek ist wie die beiden Mitbegründer Benoit Gaudiot und Xavier Lepercq ehemaliger Maschinenbau-Student der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL). Dort wurde auch die “L’Hydroptère” entwickelt, die von 2007 bis 2012 den offiziellen Geschwindigkeitsweltrekord im Segeln hielt. Neben Partnern wie Richard Mille und BMW unterstützt auch die Universität mit ihrer Infrastruktur das ambitionierte Projekt.
Revolutionär und für den Geschwindigkeitssprung entscheidend soll die eingesetzte Vortriebsquelle sein. Anstelle eines normalen Riggs wie der Rekordhalter “Vestas Sailrocket 2” verfügt “SP80” über einen Kite. Das wirkt sich in Kombination mit den Anhängen im Wasser vor allem auf die Stabilität der Rekordyacht aus. Daher ist “SP80” mit 7,5 Meter Breite auch deutlich schmaler als Paul Larsens Rekordhalterin. Dennoch soll die neue Schweizer Konstruktion mit mehr als doppelt so viel Segelfläche ausgestattet werden können und dabei stabiler unterwegs sein.
Der Rumpf, der an drei Punkten sowie mit einem Haupt- und einem Ruderfoil stets in Kontakt mit dem Wasser bleiben soll, sieht einer Rakete ähnlicher als einer herkömmlichen Segelyacht. Gefertigt wurde “SP80” bei Persico in Italien. Bei den geplanten Geschwindigkeiten um 150 km/h ist auch der Schutz der beiden Piloten, die hintereinander Platz nehmen, ein wichtiger Faktor. Die Steuerkapsel mit den beiden Sitzen soll Kräften von 50 g widerstehen und ist innen mit Aramid verkleidet, um bei einem Crash die Piloten vor Kohlefaser-Splittern zu schützen. Beide Piloten sitzen in Schalensitzen, sind mit 6-Punkt-Gurten und Helm gesichert. Eine Person steuert dabei das Boot über ein Lenkrad mit zentralem Ruderblatt, dahinter sitzt ein Crewmitglied, das die Stellung des Kites zum Wind steuert.
Während der Geschwindigkeit auf und im Wasser aufgrund von Kavitation und hohen steigenden Widerständen bisher Grenzen gesetzt waren, ist man an Land unter Segeln längst in anderen Sphären unterwegs. Erst im April konnte das Emirates Team New Zealand den 2022 selbst gesteckten Rekord auf über 225 km/h erhöhen. Auch hier sei die Entwicklung jedoch noch nicht am Ende.