Das Thema nimmt immer mehr an Fahrt auf: Einhand- und Zweihand-Regattaevents auf der Lang- oder Mittelstrecke, über die hohe See oder entlang der Küste. In Frankreich, dem Mutterland des Offshore-Segelns, mobilisiert der Trend bisweilen ganze Heerscharen von Regattasportlern. Und zwar nicht nur namhafte Profis, sondern zunehmend auch ambitionierte und abenteuerlustige Freizeitsegler. Bestes Beispiel dafür ist die Transquadra. Beim äußerst beliebt gewordenen Einhand- und Zweihand-Rennen über den Atlantik dürfen ausschließlich über 40-jährige Amateure auf reglementierten Serienbooten an den Start gehen. Und die Teilnehmerzahlen schnellen mit jeder Austragung rasant in die Höhe.
Aber auch im Ostseeraum erfreut sich die Szene der Ein- und Zweihandsegler eines bemerkenswerten Zulaufs. Ursächlich dafür sind nicht zuletzt die erfolgreichen Regattaveranstaltungen auf der Ostsee, wie zum Beispiel das Silverrudder (nur einhand) oder das Vegvisir Race (ein- und zweihand), bei denen die Startplätze jeweils bereits wenige Stunden nach Öffnung der Meldestellen ausgebucht sind. Und mehr noch: Offshore-Segeln sollte als Disziplin olympisch werden. Es war geplant, dass bei den Sommerspielen in Paris 2024 erstmals gemischte Zweierteams auf hochseetauglichen Regattayachten an den Start gehen. Nach langem Tauziehen wurde 2021 das Aus für Mixed-Offshore verkündet, den Zulauf zum Zweihandsegeln konnte die Entscheidung aber nur wenig beeinflussen.
Zusätzlich beflügelt wird der populäre Trend von attraktiven und speziell dafür ausgelegten Yachten. Der Markt für hochseegängige Performance-Cruiser im mittleren Längensegment ist stark im Wachstum. Hier sei die J/99 erwähnt, die sich in einer Variante ebenfalls sehr fokussiert für längere Kurse mit kleiner Crew eignet, und auch das Dehler 30 One Design.
Der Renner von Jeanneau hat beim Spi Ouest, dem Frühjahrs-Regattaklassiker vor La Trinité-sur-Mer an der bretonischen Küste, 2019 gleich aus dem Stand mit einem zweiten Rang in der Wertung IRC Double glänzen können. Damit wurden selbst die kühnsten Erwartungen übertroffen, sowohl die der Werft als auch die der Szenekenner. Die Konstrukteure Daniel Andrieu und Guillaume Verdier verantworten in Kooperation die revolutionären Formen der Sun Fast 3300. Augenfällig sind gleich mehrere außergewöhnliche Designmerkmale, insbesondere der markant voluminöse, fast schon wulstähnliche Bug. Die Form kennt man unter anderem von den spektakulären Hochsee-Racern der Klasse Imoca 60 oder von den jüngsten Entwicklungen bei den Mini 6.50. Die fette Front soll in erster Linie den Auftrieb sowie die hohe Formstabilität kompensieren, welche von der breiten Heckpartie produziert werden. Ziel der Konstruktion ist eine möglichst ausgeglichene Schwimmlage auch bei Krängung, ohne dass der Bug dabei stark nach vorn wegtaucht.
Die zweite ganz offenkundige Neuerung ist die sogenannte Tumblehome-Rumpfform. Das bedeutet: Der Rumpf ist breiter als das Deck. Im Fall der Sun Fast 3300 ist der Freibord auf halber Höhe sichtlich abgeknickt und wird nach oben zum Deck eingezogen – um etwa zehn Zentimeter auf jeder Seite. Damit kann Jeanneau beim Bau Material und so vor allem Gewicht sparen, was den Schwerpunkt nach unten verlagert. Das ist das Ziel. Die Nachteile: Beim Anlegen in der Box ist Vorsicht geboten, damit der seitlich überstehende Rumpf keinen Schaden nimmt. Und: Die Schale muss in zwei Hälften gebaut werden, weil sie sich sonst nicht entformen lässt.
Der wohl revolutionärste Entwicklungsschritt bei der Sun Fast 3300 jedoch ist dem Schiff im Wasser zunächst gar nicht anzusehen. Unter der Wasserlinie nämlich sind die Rumpflinien vor und hinter dem Kiel umgekehrt, also konkav ausgeformt.
Gebaut wird die Sun Fast 3300 komplett bei Delphia Yachts in Polen. Seit Juli letzten Jahres produziert die Werft in Olecko unter dem Dach der mächtigen Beneteau-Gruppe, zu der auch Jeanneau gehört. Der Rumpf und das Deck entstehen dort im gewichtsparenden Vakuuminfusionsverfahren als Sandwichkonstruktion mit Balsaholz- und Schaumkern. Die solide gebaute Bodengruppe wird ebenfalls mithilfe der Infusion hergestellt und nachträglich in die Schale eingeklebt.
Wer möchte, kann sich seine Sun Fast 3300 für lange Schläge offshore und kleine Crew optional mit zusätzlichen Wasserballasttanks ausstatten lassen. Rund 200 Liter Seewasser sorgen so anstelle von Lebendballast, international auch als „rail meat“ („Relingsfleisch“), bezeichnet, für zusätzlich aufrichtendes Moment. Die Speicher werden über jeweils zwei separate Pumpen betankt und wieder entleert. Allerdings dauern die Vorgänge noch. Beim Testschiff war der Tank in Luv in langen 1:40 Minuten gefüllt und erst nach 1:30 Minuten wieder komplett entleert. Mit leistungsstärkeren Pumpen und dickeren Schläuchen will die Werft nun versuchen, die Prozesse zu beschleunigen.
Foils dagegen, wie etwa beim One-Design-Racer Figaro 3 von Beneteau, waren für das Projekt Sun Fast 3300 nie wirklich ein Thema. Die dafür notwendigen Strukturverstärkungen im Rumpf seien viel zu schwer für das, was die Foils letztlich an Mehrleistung bringen würden, sagt Jeanneau-Produktentwickler Hervé Piveteau. Außerdem würden Foils die Vermessung nach IRC und ORC negativ beeinflussen und seien zudem für viele Langstreckenklassiker, wie etwa für die Transquadra, gar nicht zulässig.
Auf der Sun Fast 3300 steht das Rigg auffällig weit achtern. Durch die ungewöhnliche Volumenverteilung des Rumpfs muss der IRC-Flossenkiel relativ weit achtern unter das Boot geflanscht werden, etwa in der Mitte der ganzen Länge. Damit muss auch der Segeldruckpunkt zurück. Und weil der Mast an Deck nicht direkt vor dem Niedergang stehen kann, wird das Rigg ab Werft mit unübersehbar viel Mastfall eingetrimmt, was aber zumindest optisch recht eigenartig anmutet. Der Bugspriet mit Wasserstag lässt sich in verschiedenen Längen ordern, je nach Einsatz und Vermessung. Optional kann man die Sun Fast 3300 zudem mit einem konventionellen symmetrischen Spinnaker ausrüsten, etwa für Upwind- und Downwind-Regatten.
Für den YACHT-Test in der Bretagne hätten die Bedingungen nicht besser sein können: 15 bis 20 Knoten Wind, dazu eine lange Welle, die man mit einem schnellen Schiff wie der Sun Fast 3300 so richtig schön abreiten kann, obendrein Sonne. Mit ihrem fülligen Bug und dem flachen Unterwasserschiff kommt das Schiff leicht und schnell ins Gleiten. In den knackigen Böen stehen dann bald mal 15 Knoten Speed auf der Logge, und das nur mit dem verhältnismäßig kleinen und flachen A5-Gennaker, welcher vor allem auf langen Strecken offshore zum Einsatz kommen soll.
Das Schiff bei diesen Bedingungen raumschots mit Gennaker zu steuern ist schlichtweg großartig. Die beiden Ruderblätter bieten immerzu uneingeschränkte Kontrolle. Selbst bei plötzlichem Druckanstieg in den heftigsten Böen bleibt die Jeanneau beherrschbar, auch ohne viel Kraftaufwand an der Pinne. Damit haben nicht nur der Steuermann, sondern auf langer Strecke auch der Autopilot leichtes Spiel.
Auf der Kreuzstrecke gegen den Wind reduziert sich der Spaßfaktor dann aber doch empfindlich. Der wulstige Bug kommt mit den anlaufenden Wellen nicht so richtig gut klar, und das Boot setzt meist unangenehm hart ein. Auf langen Schlägen kann das lästig werden. Aufkreuzen bei Wind und Welle scheint nicht die bevorzugte Disziplin der Sun Fast 3300 zu sein. Trotzdem überrascht ihr Potenzial: 6,7 Knoten erreicht die Französin auf einem gesegelten Winkel von 40 Grad zum wahren Wind. Die ermittelten Werte können sich sehen lassen.
Das Layout im Cockpit der Sun Fast 3300 ist sehr gezielt und exklusiv auf den Einsatz mit kleiner Crew ausgerichtet. Heißt: Die Großschot mit Grob- und Feinverstellung sowie die Leinen für die doppelt geführten Achterstagen und für den Traveller werden direkt in die Erreichbarkeit des Steuermanns umgelenkt. Aber nur er kann aus seiner Position mit den Funktionen effizient arbeiten, Mitsegler müssen sich dafür schon verrenken. Das ist ein Kompromiss, den Jeanneau zugunsten des fokussierten Konzepts für Ein- und Zweihandsegler eingeht.
Der Kajütaufbau ist abgestuft und im vorderen Bereich auffällig stark eingezogen. Dafür gibt es gute Gründe. In erster Linie kann Jeanneau damit nochmals Gewicht sparen, weil weniger Material für ein größeres Deckshaus verbaut werden muss. Zudem kann die Schiene zur Verstellung der Genua-Holepunkte vorn quer eingebaut werden, was vor allem für Kurse mit etwas geschrickten Schoten wesentliche Vorteile für den Trimm des Vorsegels bietet.
Und nicht zuletzt erlaubt das Design den Einbau von Kajütfenstern, durch die man auch von innen nach vorn sowie in die Segel sehen kann. Für Langstreckensegler bedeutet das einen erheblichen Gewinn an Komfort und Effektivität.
Unter Deck der Sun Fast 3300 dominiert die schiere Funktionalität. Gemütlichkeit sucht man erfolglos. Trotzdem: Mit zwei ausreichend langen Sofakojen und zwei Doppelkabinen achtern ist die eingeschränkte Tourentauglichkeit für bis zu sechs Personen gegeben. Ein WC und ein einfaches Waschbecken finden sich im sonst leeren und unverbauten Vorschiff. Hier lagern – wie bei der J/99 auch – lediglich die Segel.
Auffällig großzügig und auch raumgreifend sind die beiden Funktionsbereiche Pantry und die Navigation beidseitig am Niedergang gestaltet. Auf jeder Seite sind zudem Schalensitze eingebaut, auf denen sich Langstreckensegler zwischendurch auch mal erholen können. Das zeigt auf, wo das Konzept die Schwerpunkte setzt. Dafür steht auch das gänzliche Fehlen von fest eingebauten Stauräumen sowohl im Salon als auch in den Kabinen.
Die Qualität des Innenausbaus ist bei einem Regattaboot wie der Sun Fast 3300 nebensächlich. Daraus scheint die Werft ganz offenbar keinen Hehl machen zu wollen. Die Innenseiten von Rumpf und Deck sind lediglich grob mit Topcoat überstrichen, und Elektrokabel wurden unschön an die Wände getackert. Dazu sorgen einige wenige, sehr kurze LED-Lichtleisten nur für ein mattes Licht unter Deck.
Jeanneau präsentiert mit der Sun Fast ein Serienboot, das konsequent wie kaum ein anderes ist und obendrein durch seine Innovationskraft punktet. Die ersten Erfolge auf der Regattabahn versprechen jetzt noch zusätzliche Aufmerksamkeit – von potenziellen Käufern sowie von einer möglicherweise düpierten Konkurrenz.
Im Bug- und im Heckbereich ist der Rumpf der Sun Fast 3300 konkav ausgeformt. Das heißt: Die Linien straken nicht, sondern sind in einem bestimmten Teilbereich umgekehrt, wie es die Konstrukteure nennen. Damit soll eine möglichst lange Schwimmwasserlinie sowie eine ausgeglichene Volumenverteilung über die ganze Schiffslänge erreicht werden. Mehr noch: Im hinteren Bereich sollen die konkaven Formen Auftrieb mit einer leicht nach vorn gerichteten Komponente bewirken. Damit soll das Boot regelrecht in Fahrtrichtung geschoben werden. Die Idee ist nicht ganz neu und wurde von Konstrukteur Guillaume Verdier bereits für den America’s Cup eingebracht, beim AC72-Katamaran des Teams New Zealand für den Cup 2013 vor San Francisco.
GFK-Sandwich mit Balsaholzkern, gebaut im Vakuuminfusionsverfahren. Bodengruppe eingeklebt
Stand 04/2024, wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!
Chantiers Jeanneau, 85500 Les Herbiers (FRA); www.jeanneau.de
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Innovativer und attraktiver Serien-Racer von Jeanneau für den kompromisslosen Einsatz bei Ein- und Zweihand-Regatten auf längeren Strecken. Viele aufregende neue Designmerkmale
Der Artikel erschien erstmals in YACHT 12/2019 und wurde für die Online-Version aktualisiert.