Tofinou 9.7Hübscher Daysailer für Individualisten

Michael Good

 · 29.04.2023

Wahre Augenweide. Typisch für Tofinou sind die vielen glanzlackierten Holzteile. Teakdeck ist Standard
Foto: Tofinou/Robin Christol

Aufregend schön, fein gebaut und überraschend lebendig unter Segeln: Die Tofinou 9.7 aus Frankreich definiert die Standards des konventionellen Daysailer-Konzepts neu. Die YACHT hat die Tofinou getestet

Gemeinhin neigen Segler zur Aussage, dass Boote, die gut aussehen, auch genauso gut segeln. Ob das wohl stimmt? Einen guten Beweis für diese gewagte Behauptung liefert seit vielen Jahren die Werft Latitude 46 in La Rochelle mit ihrem smarten Programm an besonders hübschen Daysailern, welche mit ihren leistungsstarken Segeleigenschaften auch die Herzen von Regattaseglern erobern können. Bekannt und geschätzt sind die Boote unter den Namen Tofinou 7, 8 und 9.5 insbesondere entlang der französischen Westküste, wo sie wahrscheinlich in nahezu jedem Hafen vertreten sind und bei Regatta-Events stattliche Felder an den Start bringen.

Die Boote der Marke Tofinou sind mit ihrer unverkennbaren Optik auf Anhieb zu erkennen. Die Rümpfe sind schlank mit niedrigem Freibord, die Linien zeitlos schön. Dazu an Deck viel Teakholz, hochglanzlackiertes Mahagoni und ganz generell nur flach gehaltene Aufbauten. Typische Vertreter der Gattung Daysailer eben, aber gleichermaßen auch eigenständig in Art und Erscheinung.

Bewährte Optik, neue Formen

Tofinou gibt es aber auch in groß. Die Typen 12 und 16 adaptieren zwar das attraktive Styling ihrer kleineren Schwestern, sind aber eher als elegante und luxuriöse Performance-­Cruiser zu sehen. Und mit der gemütlichen Tofinou 10c haben die Franzosen auch ein vornehmlich fahrtenorientiertes Schiff realisiert – ein Novum für die Werft. Vor einigen Jahren allerdings schien sich Latitude 46 wieder auf ihre Wurzeln fokussieren zu wollen und stellte mit der Tofinou 9.7 eine potenzielle Nachfolgerin für die weitverbreitete 9.5 vor, welche aber zunächst aus Gründen des Klassen­erhalts zunächst weiterhin angeboten wurde. Die markentypische DNA bleibt auch beim neuen Schiff erhalten. Es ist natürlich ebenfalls schon von Weitem als eine echte Tofinou zu erkennen.

Markant geändert hat sich dagegen die Konstruktion. Im Vergleich zur Vorgängerin ist das neue Boot generell und insbesondere achtern sehr viel breiter geworden und das Unterwasserschiff entsprechend flacher. Dies entspricht einem ganz generellen Trend im Yachtdesign und steht für mehr Formstabilität und damit für steifere Segeleigenschaften. Im Vergleich ist die neue Tofinou mit einer Ausdehnung von knapp drei Metern über einen halben Meter breiter als das Vorgängermodell, aber auch rund 40 Zentimeter kürzer. Weniger Streckung also, dafür deutlich mehr Volumen.

Für die Konstruktion der neuen Tofinou 9.7 zeichnet Michele Molino verantwortlich, der – anders als sein Name vermuten lässt – ein Studio in La Rochelle betreibt. Er übernahm für die Werft Latitude 46 nun das Erbe von Michel Joubert (Joubert/Nivelt), welcher bisher sämtliche Modelle von Tofinou gezeichnet hat. Joubert ist 2016 verstorben. Für die optische Gestaltung hat Latitude 46 frische Ansätze in der Automobilindustrie gesucht. Peugeot Lab, die Designagentur des französischen Autobauers, hat das Styling für das neue Schiff von Tofinou erarbeitet, sowohl an als auch unter Deck.

Die Tofinou 9.7 bietet eine Vielfalt an Kiel-Optionen

Die 9.7 ist in drei Kielversionen erhältlich. Im Standard wird dem Boot ein Festkiel in T-Form und zwei Meter Tiefgang angeflanscht. Alternativ dazu ist ein elektrohydraulischer Schwenkkiel mit einer Tiefgangvarianz von 0,9 bis 2,10 Meter machbar. Als dritte Lösung kann dem Schiff ein Teleskop-­Hubkiel untergebaut werden, welcher sich über eine integrierte, elektrisch betriebene Spindel um 80 Zentimeter heben lässt. Auch das werftneue Testschiff, die Bau­nummer eins, ist mit einem Teleskopkiel ausgestattet. Leider war beim YACHT-Probeschlag der Antrieb defekt, sodass das Aufholen und Abfieren der Flosse nicht ausprobiert werden konnte. Die Werft hat bezüglich der Teleskopmechanik Verbesserungsbedarf eingeräumt und wird daran jetzt noch arbeiten müssen.

Wählen kann der Kunde zudem, ob er sein Boot mit einem oder zwei Ruderblättern haben möchte. Selbstverständlich empfehlen sich für die Kielvarianten mit flexi­blen Tiefgängen die doppelten Ruderblätter, damit auch seichte Gewässer befahren werden können. Trockenfallen allerdings kann die Tofinou 9.7 in keiner der Ausführungen, auch mit Schwenkkiel nicht. Darauf sind weder die Ruderlager noch die Kielaufhängung ausgelegt.

Flach und breit. Die im Heck integrierte Badeplattform kann auch als Sonnenliege dienenFoto: Tofinou/Robin Christol
Flach und breit. Die im Heck integrierte Badeplattform kann auch als Sonnenliege dienen

Ein weiterer Schwerpunkt in der Entwicklung der neuen Tofinou 9.7 liegt in der Gewichtsersparnis. Durch die hohe Form­stabilität des Rumpfes hat Konstrukteur Molino die Ballastanteile in den Kielen reduzieren können, auf unter 30 Prozent. Im Vergleich zur 9.5 kann der Festkiel über 200 Kilogramm leichter sein. Dazu wird das Deck jetzt neu im Vakuuminfusionsverfahren gebaut, womit das Gewicht zusätzlich verringert werden kann.

Das Deck entsteht übrigens in der Werft von Wauquiez Boats. Die beiden Marken haben sich vor zu einem Firmenverbund zusammengeschlossen. Der Rumpf dagegen wird bei Latitude 46 in La Rochelle in Handauflage laminiert, im Sandwich­verfahren mit PVC-Schaumkern. Mit 2,3 Tonnen bringt die Tofinou 9.7 etwa gleich viel segelfertiges Gesamtgewicht auf die Waage wie ihre kleinere Schwester Tofinou 8, die über einen Meter kürzer ist.

Starke Segel-Leistungen der Tofinou 9.7

Zwischen 10 und 12 Knoten Wind stellt die Bucht von La Baule in Westfrankreich für den Test der Tofinou 9.7 zur Verfügung, dazu eine sehr kurze und steile Welle, die nicht einfach auszusteuern ist. Die schmucke Französin besteht die schwierige Prüfung meisterhaft. Trotz des fülligen Bugs und des flachen Unterwasserschiffs setzt die Molino-Kon­struktion sanft in die Wellen ein und stampft kaum. Das Testboot, ausgestattet mit dem optional erhältlichen Kohlefasermast und guten Laminatsegeln, schafft hart am Wind auf einem Winkel von 40 Grad zur wahren Windrichtung einen Speed von 6,2 Knoten. Gemäß der Polardiagramme, welche das theoretische Leistungspotenzial vorrechnen, sollte die Tofinou mit dem Standard-­Aluminiumrigg und bei gleichen Bedingungen 6,0 Knoten erreichen.

Raumschots mit Top-Gennaker kann der Daysailer in den Böen und mit Wellenunterstützung auch mal zweistellige Werte loggen. Mit etwa 120 Grad Windeinfall bleibt es im Schnitt bei zwischen 8,0 und 9,0 Knoten Speed. Das Testboot, ausgestattet mit zwei Ruderblättern und einer ungewöhnlich direkt abgestimmten Steuermechanik, lässt sich prima nach Druck lenken und reagiert schnell und intensiv schon auf die kleinsten Pinnenbewegungen, was eine hohe Aufmerksamkeit vom Rudergänger erfordert. Selbst bei gewollt forcierter Krängung bleibt das Boot aber auf Kurs und zeigt keinerlei Anzeichen, aus dem Ruder zu laufen.

Enges Cockpit, leichte Bedienung

Im Vergleich zu anderen Daysailern derselben Größe ist das Cockpit der Tofinou 9.7 relativ kurz und klein. Mit einer Besatzung von drei Mann ist das Platzangebot in der Plicht bereits ausgeschöpft. Zwei recht markant ausgeformte Winschenpodeste für die Schoten und Fallen unterteilen das Cockpit zudem in zwei Arbeitsbereiche. Hinten operiert der Steuermann, welcher sowohl die Großschot mit Feinverstellung als auch die Schot der Standard-Selbstwendefock in unmittelbarer Erreichbarkeit selber bedienen kann, ohne sich dafür verrenken zu müssen. So gesehen ist die Tofinou 9.7 ohne Einschränkungen einhandtauglich, was jedoch für einen Daysailer dieser Größe und Ausrichtung schon fast als Voraussetzung gesehen werden darf.

Der Steuermann sitzt neben der Winsch und kann die Schoten selbst bedienenFoto: YACHT/N. Krauss
Der Steuermann sitzt neben der Winsch und kann die Schoten selbst bedienen

Weitere Leinen zum Trimmen der Segel sowie zum Segeln mit Gennaker werden ebenfalls unter Deck auf die Stopper-Batterien am Niedergang geführt. Zusätzliche Winschen sind dort zwingend nötig, wer den von der Werft allerdings nur als Extra gegen Aufpreis angeboten. Ansonsten sind die Qualität sowie die Anordnung der Standardbeschläge überzeugend. Selbst bei mehr­facher Umlenkung für den Verlauf unter Deck können die Schoten und Leinen immer noch leicht und mit wenig Kraftaufwand bedient werden.

Ab Werft wird der Tofinou 9.7 ein Dieselmotor von Volvo-Penta mit 15 PS Leistung eingebaut. Die Alternative dazu ist ein elek­trischer Pod-Antrieb von Torqeedo mit etwa vergleichbarer Leistung, aber eingeschränkter Reichweite. Auch das Testboot ist damit ausgestattet. Für die gesamte Bordtechnik inklusive der Maschine ist vom Niedergang bis zur Achterpiek ein schöner, breiter Schacht ausgewiesen, der achtern von beiden Seiten erreicht werden kann. Die technischen Installationen sowie deren Zugänglichkeit sind beispielhaft.

Die Tofinou 9.7 reicht auch mal fürs Wochenende

Entsprechend der Ausrichtung als typischer Daysailer ist das Wohnangebot unter Deck reduziert und beschränkt sich im Wesentlichen auf die Möglichkeiten zum Übernachten auf dem Wochenendtörn. Immerhin können im Vorschiff, auf den Seitenbänken im Salon sowie in den Hundekojen achtern sechs erwachsene Personen recht bequem übernachten. Die Liegeflächen sind dafür groß genug. Stauräume gibt es unterhalb der Polster, und im Vorschiff kann man sich auf Wunsch noch zusätzlich eine Chemietoilette einbauen lassen.

Rund 130.000 Euro hat die Tofinou 9.7 zur Markteinführung 2019 gekostet in der Standardausstattung ab Werft. Aktuell (Stand Mai 2023) beträgt der Grundpreis 201.100 Euro. Das ist für einen Daysailer von lediglich knapp zehn Meter Rumpflänge und mit einem nur reduzierten Innenausbau vergleichsweise viel Geld. Obendrein ist die Liste der möglichen Optionen recht lang und kostenintensiv.

Die Tofinou 9.7 lässt sich in keine Schublade zwängen. Die Eigenständigkeit und die aufregende Optik machen sie zu etwas ganz Besonderem, was vor allem Individualisten locken wird.


Messwerte Tofinou 9.7

Segelleistungen, ohne Abdrift und Strom

Windgeschwindigkeit: 10 kn (3 Bft.), Wellenhöhe: Dünung ca. 1,0 Meter

* Mit Gennaker

Potenzial STZ

Für ihre Größe ist die Tofinou 9.7 leicht gebaut. Das Leistungspotenzial ist hoch

1: Dimensionslose Zahl. Berechnung: 2√S/3√V. Je höher der Wert, desto mehr Segelfläche (S) hat das Schiff in Relation zur Verdrängung (V)

Kojenmaße


YACHT-Bewertung Tofinou 9.7

Spannender und unter Segeln sehr leistungsstarker Daysailer aus Frankreich mit einer aufregend hübschen Optik. Hochwertige Grundausstattung an Deck. Innen aber nur bedingt tourentauglich. Vergleichsweise teuer

Konstruktion und Konzept

  • + Kompromisslose Ausrichtung
  • + Gute Qualität, solide Bauweise
  • - Trockenfallen nicht möglich
  • - Vergleichsweise kleines Cockpit

Segelleistung und Trimm

  • + Hohes Leistungspotenzial am Wind
  • + Reaktionsstark auf dem Ruder

Wohnen und Ausbauqualität

  • + Kojen für bis zu sechs Personen
  • - Nur eingeschränkt tourentauglich

Ausrüstung und Technik

  • + Verschiedene Kielvarianten
  • + Elektromotor als Alternative
  • - Vordere Winschen nur als Option

Technische Daten Tofinou 9.7

Typisch Daysailer. Fließende Linien, wenig Freibord, kaum Aufbau. Der Teleskop-Hubkiel ist eine OptionFoto: YACHT
Typisch Daysailer. Fließende Linien, wenig Freibord, kaum Aufbau. Der Teleskop-Hubkiel ist eine Option
  • Konstrukteur: Michele Molino
  • CE-Entwurfskategorie: C
  • Rumpflänge: 9,15 m
  • Breite: 2,99 m
  • Tiefgang (Festkiel): 2,00 m
  • Tiefgang (Teleskopkiel): 1,22–2,00 m
  • Tiefgang (Schwenkkiel): 0,90–2,10 m
  • Gewicht: 2,3 t
  • Ballast/-anteil (Festkiel): 0,65 t/28 %
  • Großsegel: 28,0 m2
  • Selbstwendefock: 20,0 m2
  • Maschine (Volvo Penta): 10 kW/15 PS

Rumpf- u. Decks­bauweise

GFK-Sandwichkonstruktion mit PVC-Schaumkern und Vinylesterharz.

  • Rumpf: Handlaminat
  • Deck: Vakuuminfusion

Grundpreis (Stand April 2023)

  • 201.100 €, ab Werft, brutto inkl. 19% Mehrwersteuer

Werft und Vertrieb

Latitude 46, La Rochelle (FRA), tofinou.com

Dieser Test erschien in YACHT-Ausgabe 21/2019 und wurde von der Redaktion im Mai 2023 überarbeitet.


Mehr zum Thema: