Michael Good
· 28.10.2022
Wir stellen Boote vor, die wegen ihres Designs oder spezieller Funktionalitäten aus der Masse herausstechen und polarisieren. Heute: die Mojito 6.50
Das vordere, spitz zulaufende Ende eines Schiffes – so wird der Bug gemeinhin erklärt. In aller Regel trifft diese gleichermaßen banale wie prägnante Umschreibung den Sachverhalt auf den Punkt. Allerdings: keine Regel ohne Ausnahme, so auch im Yachtbau – es gibt bekanntlich Schiffe ohne Bug im geläufigen Sinne, sie werden Scows genannt. Diese sind weder neuartig noch besonders aufregend, sondern hierzulande einfach nur selten. Das optisch auffälligste Merkmal der Scows ist die breite, extrem abgeflachte Bugpartie ohne scharf geschnittenen Steven.
In der Szene der Hochsee-Renner sind die Boote mit dem platten Scow-Bug mittlerweile zum Maß aller Dinge geworden, auch in der Klasse Mini 6.50. IDB Marine in der Bretagne fertigt aktuell die erfolgreichsten Serien-Minis.
Die Boote der Klasse Mini 6.50 scheinen aber auch für Segler interessant zu sein, die damit nur Spaß haben wollen und nicht zwingend eine große Offshore-Karriere vor Augen haben. IDB-Chef Pascal Benois berichtet von überraschend häufig geäußerten Nachfragen nach einem touren- und familientauglichen Pendant zur reinen Rennflunder, die gänzlich ohne Innenausbau geliefert wird.
Darauf hat die Werft nun reagiert und kurzerhand für den schnellen Rumpf der Maxi 650 ein neues Deck mit einem höheren Kajütaufbau und einer durchgehenden Rundum-Fensterfront konstruiert. Dazu wird der feste Ballast durch einen hydraulisch aufholbaren Schwenkkiel ersetzt und das Boot unter Deck voll tourentauglich ausgebaut. Herausgekommen ist unter der Typbezeichnung Mojito 6.50 die weltweit wohl kleinste echte Deckssalonyacht mit Sitz- und Kojenplätze für bis zu vier erwachsene Personen. Und das alles in einem Rumpf, der nur wenig länger ist als beispielsweise der einer Regattajolle vom Typ Flying Dutchman (FD).
Allerdings sind die Minis in Relation zur Rumpflänge auch übermäßig breit, nämlich stattliche 3,00 Meter, so auch die Mojito 6.50. Das entspricht einem Streckungsfaktor von gerade mal 2,16. Normale Boote sind dagegen in der Regel etwa dreimal so lang wie breit, der durchschnittliche Wert für die Streckung beträgt 3,0.
Die Nachteile liegen auf der Hand: limitierte Platzauswahl in den Häfen sowie eingeschränkte Transportfähigkeit auf der Straße, und dies nur mit Sonderbewilligung. Immerhin könnte die Mojito 6.50 mit aufgeholtem Schwenkkiel, den zwei kurzen Stummelrudern und einem reduzierten Tiefgang von nur 80 Zentimetern auch über eine geeignete Sliprampe ein- und ausgewassert werden. Und weil der Mast auf dem Kajütaufbau steht, würde er sich mit optional erhältlichen Scharnieren am Mastfuß auch leicht von Hand stellen lassen.
Die Kurse gegenan sind bekanntlich nicht die Paradedisziplin der Scows. Trotzdem zeigt die kleine Mojito 6.50 auch hart am Wind ein ordentliches Leistungspotenzial. Bemerkenswert ist die hohe Formstabilität des breiten Rumpfs mit seinen hart abgesetzten Kimmkanten. Noch sportlicher wird die Fahrt mit zusätzlichem bunten Tuch. Der Gennaker ist rund 50 Quadratmeter groß, wird an einem 1,40 Meter ausfahrbaren Bugspriet gesetzt und bis ganz in den Masttopp gezogen. Bei knapp 15 Knoten Wind im Test zeigt die Logge schon mal zweistellige Werte an.
Die Mojito 6.50 ist schon ab Werft sehr gut und umfangreich ausgestattet. Leider aber ist ihr Preis im Vergleich dafür auch recht hoch.