Sören Gehlhaus
· 08.07.2025
Im 30. Jubiläumsjahr des Robbe & Berking Sterling Cup segelten die klassischen Drachen und 22er Schärenkreuzer um WM-Ehren. Die erste Weltmeisterschaft im Rahmen des Sterling Cups war die der 5,5 mR Yachten im Jahr 2001. Siegreich war Jochen Schumann, der es dieses Jahr auf dem Zwölfer „Jenetta“ auf die Europameisterschaft abgesehen hatte. Als ein Stelldichein der Klassiker-Szene fing alles 1995 in Flensburg an. Oliver Berking zu den Anfängen: „Da habe ich einfach alle eingeladen und schon im dritten Jahr waren es 200 Boote. Dann haben wir irgendwann gesagt, sie müssen vor 1970 gebaut sein, und schließlich angefangen, gezielt Klassen einzuladen.“
Seit über 20 Jahren hat die Regatta ihren festen Platz beim Flensburger Segel Club in Glücksburg. Vor der Haustür liegt die „schönste Förde der schönen Ostsee“, wie es in dem maritimen Klassiker in Buchform, Das Rätsel der Sandbank, heißt. Dass es hier ganz anständig wehen kann, davon zeugt der Meierwiker Küstenwald mit seinen vom Wind geschürften Buchenkronen. Deren formschöne Wölbung fand ihre Entsprechung in den teilnehmenden Yachten mit ihren Gillungen, skulptierten Kajütaufbauten und Löffelbugen. Und doch erzählen die Baumreihen vom Auftreffen kräftiger Luftströme aus westlicher Richtung, wie sie die Besatzungen der hölzernen Preziosen in diesem Jahr häufiger erlebten, als vielen lieb war.
Gleich zum Auftakt am Donnerstag wehte es mit bis zu 25 Knoten aus W-NW über die Förde. Die Folge: Sowohl die sechs Zwölfer- als auch die 28 Drachen-Crews aus sechs Nationen votierten gegen ein Auslaufen. Statt Bruch am ersten Tag gab es für die Drachenboote tags darauf gleich drei Wettfahrten bei minimal moderateren Bedingungen und Sonnenschein. Nach einem frühen Start am Samstag tief in der Förde bei noch schwachen SW-Winden zwang eine von Schauerböen untermalte Front die Wettfahrtleitung zum Abbruch, der gleichbedeutend mit dem Ende des Regattatages war.
Da man als einzige Klasse nur bis einschließlich Samstag segeln wollte, kamen die Drachen nur auf drei Wettfahrten. Und damit fehlte ihnen ein Rennen, um als Weltmeisterschaft gewertet zu werden. Die weit Angereisten machten lange Gesichter beim zügigen Kranen, darunter zwei Japaner, die ein Boot in Deutschland gekauft hatten und mit dem Briten Martin Payne segelten. Ganz oben auf der Ergebnisliste standen Niklas Ganssauge und Crew vom NRV, gefolgt von Rob Dekeukeleire, Timo Claassen und Inky Lampe aus den Niederlanden. Auf den weiteren Rängen folgten die dänischen Drachensegler um Frank Berg und Markus Glas vom Bayerischen Yacht-Club.
Ganz anders sah es bei den 22er Schärenkreuzer aus, die es auf sieben Wettfahrten brachten und die einzigen waren, die zum Starkwindauftakt an der Linie für zwei Küstenrennen aufkreuzten. Obwohl die Peitschenmasten mit Violinstagen weitestgehend verschwunden sind und an Deck stehende Alumasten Einzug gehalten haben, muten die Schären mit ihren glanzlackierten Decks und feinen Formen wie schwimmende Saiteninstrumente an. Zudem sind die meisten Schandecks frei von Leisten. Halt auf den Vorschiffen geben Luken, Stage, Klüsen oder Klampen.
Die Risse der 22er variieren immens, sogar in ihren Gesamtlängen und Bugformen. Maximal schmal und eingeschnürt sind sie alle. Die Unterschiede zeigen zwei nebeneinander liegende Konstruktionen von Knud Reimers auf: Der eine Rumpf wirkt flach-, der andere hochbordig. Die Konstruktionsklasse macht nur sehr wenige Vorgaben. Die Zentrale: Die Gesamtsegelfläche darf nicht mehr als 22 Quadratmeter betragen. Fast allen gemein ist der im Vergleich zum spindelhaften Rumpfkörper stolze Kajütaufbau mit den charakteristischen Ovalfenstern, auf die auch die allermeisten GFK-Vertreter setzen.
Von den 15 Schären fuhren 13 heraus, vielmehr wurden aus dem Hafen gezogen oder verholten sich über Dalben selbst in den freien Wind. Hilfsantriebe haben die 22er hier nicht, dafür Stechpaddel und teils stattliche Segelgarderoben. Torkel Sintorn, einer von acht schwedischen Startern, sagte vor dem Ablegen an Tag eins: „Wir wollen segeln und haben eine sieben Quadratmeter kleinere Genua angeschlagen.“ Einige wenige vertrauten auf kaum überlappende Vorsegel, was für ungewöhnliche Anblicke sorgte.
Und es mussten Vorschiffsmann-über-Bord-Manöver gefahren werden. Kein Wunder bei den glanzlackierten Decks. Thomas Ericsson erwischte es nach dem Zieleinlauf beim Bergen des Spis, den im ersten Rennen sieben Crews setzten. Auf die Frage, ob es da vorn wirklich so rutschig sein muss, antwortete Ericsson: „Das macht auch den Reiz der Klasse aus.“ Während des Vorwindgangs erblickte der Schwede auf der Logge einen Wert von 13,2 Knoten. Unter den rund zwei Tonnen verdrängenden Langkieler, die kurzzeitig ihr eigenes Wellensystem verließen, war auch Andreas Haubold vom VSaW. Der Berliner steuerte „Ramona II“ mit einem komfortablen Punktepolster zum WM-Titel und ließ eine Phalanx aus sieben Schweden-Schären hinter sich.
Aus der Hauptstadt fanden fünf Boote den Weg in den Norden, wo sie auf weit gereiste Zuschauer trafen. Zwei schwedische Segler legten 750 Kilometer mit dem Auto zurück, nur um mit „Pilgrim“ den ehemaligen Schärenkreuzer des Vaters in Aktion zu sehen. Georg Milz kam von Fehmarn und passte wie das Gros der deutschen Schärensegler bei Küstenrennen Nummer zwei am Donnerstag. Aus dem Süden der Republik ging einzig Peter Müller mit „Lill Tutti“ ab Freitag an den Start.
Die Zwölfer kamen gut vorbereitet zum Sterling Cup. Eine Woche vor der Europameisterschaft trafen sich sieben von ihnen in Dyvig zum sogenannten Tune Up. „Jenetta“ gewann die Aufwärmübung auf der Nachbarförde souverän. Nach sieben Wettfahrten folgten „Nini Anker“ und Alexander Falks „Flica II“, die zum Robbe & Berking Sterling Cup als Siebte gemeldet hatte, aber nicht an der EM und dem Rennen von Sønderborg nach Glücksburg teilnehmen konnte. Wie gut, dass der Langschlag bereits als erste Punktequelle in der Ergebnisliste auftauchte. Denn auch die Zwölfer-Eigner sprachen sich wie die Drachen gegen einen Start am Donnerstag aus.
Auf der schönen Förde durften sich die Granden, die der Rennwert 12 eint, in jeweils drei Kursrennen an zwei Tagen beweisen. Am Sonntag förderten milde Winde die gehobene Segelkultur: Die Zwölfer schnitten mit windschnittig-flachen Körpern auf den Teakdecks majestätisch durch die flache See. Mit Böen über 20 Knoten forderte der Freitag die Crews heraus, die an der Kreuz auf den Seezaun-freien Kanten in Jockey-Haltung lagen oder saßen. Hart umkämpfte Starts und dichte Felder am Luv-Fass waren Belege für den hohen seglerischen Anspruch innerhalb der Königsklasse.
Ihre edelstählerne Stevenkappe am häufigsten vorn hatte der jüngste Flottenzuwachs „Nini Anker“, die den EM-Titel mit einer nahezu sauberen Serie von 2-1-1-1-1-2-2 gewann. Knapp dahinter kam „Jenetta“, auf der Jochen Schümann als Taktiker agierte. Den dritten Rang belegte der für Harold Vanderbilt gebaute Zwölfer „Vim“. Er war der Erste mit Alu-Mast, der ebenso nach wie vor seine Dienste leistet wie die ursprünglichen Zweigang-Coffegrinder. Als einziger First-Rule-Zwölfer trat „Heti“ in der Vintage-Divison an. Die gaffelgetakelte Max-Oertz-Konstruktion tat sich hervor, als sie nach dem Abbruch am Samstag gegen die Schauerböen aus Südwest an- und in den Hafen zurückkämpfte.
Die Zwölfer gehören zum Inventar des Robbe & Berking Sterling Cup, ihnen ist der alljährliche Auftritt sicher. „Dies ist die dritte Europameisterschaft. Genau heute vor zehn Jahren haben wir auch eine EM für die Zwölfer gemacht. Da waren es 15 Schiffe, noch nie zuvor in der Geschichte der Klasse. Und es gibt sie seit 1906“, informiert Oliver Berking in Glücksburg. Unter den sieben 12mR-Yachten war mit „Sphinx“ eine ganz besondere Vertreterin. Der Flensburger Silberschmied erwarb sie 2005 als Teil eines Eignertrios von der Deutschen Marine, wo sie als „Ostwind“ der Offiziersausbildung diente.
Als Berking „Sphinx“ an einem ersten Pop-up-Bauplatz zu altem Glanz verhalf, legte er sowohl den Grundstein für die heutige Werft als auch für die über ein Dutzend starke Baltic Fleet. Er machte Robbe & Berking Classics zu einer der ersten Adresse für Zwölfer aus Holz, eröffnete ein Museum für den internationalen Segelsport und wurde zum Gralshüter der größten Meterklasse. Seine Bootsbauer erschaffen stilreine Rekonstruktionen nach Originalrissen wie „Nini Anker“ oder vollumfängliche Restaurationen wie „Jenetta“. Auf ihre Expertise vertrauten bereits die S&S-Yawl „Baruna 1938“ oder die 41 Meter lange Fife-Slup „Cambria“, die bis 2024 in Flensburg generalüberholt wurde. Auch bei den Zwölfern tut sich etwas: Bis Herbst 2026 baut Robbe & Berking Classics das Nicholson-Design „Evaine“ für einen US-amerikanischen Eigner neu auf.